Standing Rock Indian Reservation, South + North Dakota

Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen von Familie Jones, die wir als unglaublich nett, aufgeschlossen und hilfsbereit erlebten. Wir fuhren Richtung Mobridge und schauten uns das Städtchen an, das einen sehr gepflegten und hübschen Charakter hatte. Hier gab es alle Infrastruktur für einen weiten Umkreis. Auch die Jones fuhren hierher einkaufen.

Von Mobridge aus ging es nach Norden in die Standing Rock Reservation. Über den National Native American Scenic Byway erreichten wir schnell bei Kenel das rekonstruierte Fort Manuel Lisa von 1811. Gegen eine Gebühr führte uns eine Indianerin durch den ehemaligen Handelsstützpunkt für Fellhändler. Davor hatte man einige Tipis aufgebaut. Der kleine Junge der Indianerin leistete mir Gesellschaft. Als er, bekleidet mit einem Baseballshirt, neben mir in dem Tipi stand, wurde ich schon nachdenklich über diese nachgeborene Generation.... die Indianerin erzählte mir dann noch, an den Ufern des Missouri sei 1812 die bekannte Lewis & Clark Führerin Sakakawea begraben. Auf meinen Einwand, daß ich das Grab von ihr auf Wind River bei den Schoschonen gesehen habe, sagte sie: "Ja, das behaupten die dort". Aha.

Weiter ging es nach Norden durch Prärielandschaft bis wir Fort Yates erreichten. Der Ort erlangte traurige Berühmtheit als Militärposten und Ort, an dem Sitting Bull 1890 beerdigt wurde. Das Grab liegt abseits der Hauptstraße an einer Straße, die in den Ort führt an einer völlig ungepflegten Stelle. Ich war schockiert. War das zweite Grab bei Mobridge wenigstens noch landschaftlich schön gelegen, war hier nur wildes Gestrüpp und ein baufälliger Unterstand. An einen Felsblock war eine Gedenktafel montiert. Davor lagen einige Kinderbögen- und Pfeile. Hier war der große Lakotaführer also verscharrt worden. Irgendwie hatte ich erwartet, daß von Seiten des Stammes das Gelände hergerichtet worden sei. Weit gefehlt....

Nachdenklich folgten wir der Straße und erreichten einen Aussichtspunkt über den hier schon recht trockenen Oahe Stausee. Auf dem Parkplatz vor dem Stammesregierungsgebäude befindet sich auch das "Standing Rock Denkmal", ein Fels, der nach Sage der Lakota eine Frau mit Kind darstellt. ?? hatte Sitting Bull das Denkmal noch enthüllt. Fort Yates war infrastrukturell recht gut ausgestattet, verfügte über Feuerwehr, Schulen und College. Holzhäuser, nicht Trailer dominierten das Bild.

12 Meilen nördlich von Fort Yates passierten wir dann das Prairie Knights Resort und Casino und dann bald auch die Grenze des Reservates. Von dort war es nicht mehr weit bis Fort Rice, einem 1864 von General Sully errichteten Militärposten zum Schutze der weißen Siedler gegen die "feindlichen" Indianer. Heute sieht man nur noch die Fundamente und eine alte Kanone. Ein Marker erklärt die verschiedenen Gebäude.

Bei Huff, unweit hinter Fort Rice, sind die Rindwälle einer Siedlung von etwa 1450 zu sehen, die vermutlich den Mandan zuzuordnen ist. Dieser Stamm hatte Berühmtheit durch die Besuche des Malers George Catlin nach 1830 erhalten. Ihre Kultur war eine Mixtur aus Plains und seßhaften Ackerbauern. Sie trieben selbst mit den an und für sich feindlichen Lakota intensiven Handel.

Bismarck, North Dakota

Weiter ging es nach Norden. Bei Mandan besichtigten wir Fort Abraham Lincoln. Gegen Bezahlung eines generellen Eintrittsgeldes kann man an Führungen durch die Gebäude des Freilichtmuseums teilnehmen. Bei Temperaturen um die 33 Grad entschieden wir uns, als erstes das Mandandorf On-a-Slant Village zu besuchen. Hier waren mehrere Mandan-Erdhäuser nach historischen Funden nachgebaut worden (das Dorf war bis 1781 besiedelt gewesen) und ich erinnerte mich direkt an die zahlreichen Bilder, die George Catlin von den Mandan gezeichnet hatte. Er war allerdings nicht hier gewesen, sondern weiter nördlich bei Knife River. Die Mandan waren schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehrere Male durch Pockenepidemien dezimiert worden und versuchten dieser Krankheit durch den Wechsel ihrer Dörfer zu entfliehen. Ohnehin hielten die aus dem weichen Cottonwoodholz errichteten Erdhäuser nur etwa 10-15 Jahre. Die Häuser selbst waren wie geschaffen für das kontinentale Klima der Region. Bei heißesten Temperaturen außerhalb war es innen angenehm kühl, im eisigen Winter gut nach außen isoliert. Unser Führer erläuterte uns das Ackerbausystem der Mandan. Landwirtschaftliche Produkte stellten auch die Haupthandelsware des Stammes dar, zog eine Bisonherde vorbei, wurden diese auch gejagt, aber nicht primär, wie bei den Plainsstämmen. Das Innere der Häuser war im Museum mit Repliken von Alltagsgegenständen dekoriert. Die letzten überlebenden Mandan leben heute auf dem Reservat von Fort Berthold zusammen mit den Hidatsa, die eine ähnliche Kultur haben. In den letzten Jahren gab es Bestrebungen, die Kulturen der beiden Stämme wieder getrennt zu sehen.

Als nächstes nahmen wir an der Führung durch das Haus von "General" Custer teil. Diese machte ein junger enthusiastischer Student in Armeeuniform von 1875. Als er hörte, wir seinen Deutsche, sagte er uns, er lerne Deutsch. Wir deutsche Touristen riefen auch bei den anderen Teilnehmern der Führung Erstaunen hervor. So viele Touristen von Übersee gab es hier wohl nicht! Jedenfalls wurden wir alle aufgefordert, so zu tun, als lebten wir im Jahre 1875. Auch der junge Student gab sich als Custers Adjudant aus - "der General ist außer Haus" - und wir hatten eine Menge Spaß bei den daraus resultierenden Fragen.

Da das die letzte Führung an dem Tag war, fuhren wir noch durch das gesamte Areal des Forts und besuchten das Museum. Hier erzählte mir ein Angestellter von seiner Militärzeit in Deutschland und seinen deutschen Vorfahren. Darüber hinaus hatte er sich mit jeder Einzelheit der Schlacht von Little Bighorn 1876 befaßt. Er konnte mir jede Position der Indianer und von Custers Truppen anhand von Karten etc. darstellen. Selbst kleinste Uniformdetails wußte er zu erklären. Gerade hier in dem Museum wurde mir klar, welches Trauma der Tod von Custer und seiner Truppe durch die Hand der Indianer heute noch ist!

Wir fuhren durch den Ort Mandan weiter nach Bismarck. Auch die Hauptstadt North Dakotas war für europäische Verhältnisse sehr überschaubar. Das Radisson Hotel stellte sich als sehr gut und ungewohnt nach den vielen Motels für uns heraus. Abends entlud sich die Hitze des Tages in einem riesigen Gewitter über der Prärie, so daß wir keine Lust mehr hatten, uns weiter die Stadt anzusehen.

Über Nacht hatte es sich auf 25 Grad abgekühlt. Nach dem Auschecken fuhren wir zum Heritage Center neben dem State Capitol. Die Ausstellung war sehr gut gemacht, es gab einige Artefakte von Sitting Bull und den Geistertänzern. Auch gab es ein Schriftstück des infamen Indianeragenten McLaughlin von Standing Rock. Für mich war es merkwürdig, seine Schrift zu lesen, so viel hatte ich von ihm und seinen Aktionen gehört. Sehr interessant war auch die Sonderausstellung zu den Rußlanddeutschen in North Dakota. Hier wurde uns der Hintergrund zur Geschichte der Einwanderung gegeben. Sehr interessant war ein langes Video, im dem Rußlanddeutsche Nachkommen in North Dakota zu Wort kamen.

Da wir noch Zeit hatten, fuhren wir in Bismarck herum und besuchten auch ein Shopping Center. Hier sahen wir einige Stadtindianerinnen mit kleinen Kindern, und konnten feststellen, daß auch Indianer einen schweren Sonnenbrand bekommen können. Die angeblich dunkle Hautfarbe stammt ausschließlich von der intensiven Sonneneinstrahlung in der Prärie. Dann mußten wir zum Flughafen, unseren Mietwagen abgeben und Richtung Denver einchecken. Auch der Flughafen war für eine Hauptstadt sehr klein....mit der zweistrahligen Maschine waren wir dann in 1,5 Stunden ruhigen Fluges abends spät in Denver. Hier mußten wir (mal wieder) die Uhr umstellen, wir waren wieder in der Mountain Time Zone.

Denver, Colorado

In Denver nahmen wir unseren neuen Mietwagen in Empfang und mußten uns dann den schwierigen Weg in die Metropole von Colorado suchen. Fahren über 8spurige Highways und dichten Straßenverkehr waren wir gar nicht mehr gewohnt. Hinzu kam eine sehr merkwürdige Straßenführung mit schräg angeschnittenen Kreuzungen. Nach einigen Schwierigkeiten erreichten wir unser Hotel, den historischen Brown Palace mitten in der Stadt. Das Hotel hielt voll und ganz, was es als Member of Leading Hotels of the World versprach.

Den nächsten, wieder sehr heißen Tag nutzten wir zu einem Spaziergang über die nahegelegene 16th Street Mall, einer Fußgängerzone, die nur von Hybridbussen - kostenlos! - befahren werden darf. Der Mittelstreifen war mit Bäumen und Bänken bestanden und es herrschte reger Publikumsverkehr. Die Geschäfte an der Straße waren weniger aufregend, in vielen wurde touristischer Kitsch verkauft. Wir gingen die Straße bis ganz zum Ende, vorbei an der Union Station bis zum South Platte River. Hier war ein schöner Park angelegt worden, dessen noch recht kleine Bäume wenig Schatten spendeten. Von einer Hängebrücke aus sahen wir Kinder in dem kleinen, flachen Flüßchen baden. Zurück ging es durch LoDo, Lower Downtown, einem alten Industriebezirk, in dem sich heute Cafés und Straßenrestaurants befinden - sehr untypisch für die USA. Auch hier machte sich der Einfluß der Universität bemerkbar. Denver hat den höchsten Akademikeranteil aller Städte in den USA und dies machte sich auch im Straßenbild bemerkbar. Es gab kaum übergewichtige Personen im Straßenbild, überall wurde gejoggt oder Rollerblade gefahren, es gab ausgezeichnete Buchgeschäfte, die ich für Einkäufe nutzte.

Wir gingen die ganze 16th street hinauf bis zum Capitol, bis auf das vergoldete Dach auch hier eine Replik des Washingtoner Capitols. Wir schauten uns die Wandgemälde und die zahlreichen Messingverzierungen an. Eine Begehung des Turmes ist seit dem 11. September 2001 nicht mehr möglich. Abends gingen wir dann noch mal über die 16th street, wo man in den Straßenrestaurants gut essen konnte.

Der nächste Tag war wieder brütend heiß und wir entschlossen uns, mit dem Auto 25 Meilen aus der Stadt nach Süden in die Shopping Mall von Castle Rock zu fahren. Diese war zwar nicht klein, im Gegensatz zu denen in Florida aber doch enttäuschend. Lustig war das Gespräch mit einer tschechischen und einer polnischen ausgewanderten Angestellten in einem Geschäft. Die beiden freuten sich, mal wieder mit Europäern sprechen zu können und als ich meine mediokren Tschechisch- und Polnischkenntnisse anbrachte, waren beide schier begeistert.

An unserem letzten Tag in Denver herrschten 39 Grad und unser Flieger ging erst spätnachmittags. Also entschlossen wir uns, in den Zoo zu fahren. Dieser stellte sich als wunderschön naturnah und tierfreundlich heraus und die Besichtigung war eine Freude. Nach Abgabe des Autos wurde uns mitgeteilt, das Flugzeug habe wegen eines Gewitters Verspätung. So ging es erst um 18 Uhr los mit der Boeing 747, die leider, trotz des Nachtfluges, nicht über Sleeper Sitze verfügte. Durch die Verspätung hatten wir am nächsten Tag in Frankfurt Mühe und Not, unseren Anschlußflug nach Hause zu erreichen. Das resultierte darin, daß auch nur die Hälfte des Gepäcks mitkam. Dies wurde aber am nächsten Tag nachgeliefert.

Resümee: Nach etwa 4000 Km Fahrt haben wir viel zu sehen bekommen. So eine Tour ist nur etwas für unternehmungslustige Reisende! In Ermangelung von Reiseführern habe ich die gesamte Tour via Internet detailliert vorbereitet, weil ich hinterher nicht feststellen wollte, irgend etwas Wichtiges verpaßt zu haben. Die Planung, inkl. der Übernachtungen, war sehr zeitintensiv. Mit etwas Suche findet man aber die richtigen Websites, auch die Reservate haben alle Internetauftritte und Tourismusabteilungen. Diese sind aber nicht alle so professionell organisiert wie auf Cheyenne River und der Kontakt bricht - wie in meinem Fall - leider ab. Im Vordergrund der Tour stand die Besichtigung der großen Indianerreservationen des Westens, leider fiel der letzte Tag in North Dakota dann ja weg, wo wir noch die Knife River Villages, das Killdeer Battlefield und die Roosevelt Nationalparks besuchen wollten.
Beim Besuch von Indianerreservationen sollte man immer die Geschichte der indianisch-weißen Beziehungen im Kopf haben. Weiterhin sind die Reservate exterritoriales Gelände mit eigenen Gesetzen und einer eigenen Stammesregierung. Im Umgang mit den dort lebenden Menschen sollte man bedenken, daß diese zu unterschiedlichen Anteilen versuchen, einen traditionellen Lebensstil zu führen - und dieser unterscheidet sich eklatant von dem "Weg des weißen Mannes"! Somit ist zuallererst einmal Zurückhaltung angesagt. Bestimmte Themen sollten nur mit Vorsicht angesprochen und Kritik nicht geübt werden. Reservationen sind die letzten Ländereien, die den amerikanischen Ureinwohnern verblieben sind, sie müssen selbst sehen, was sie damit machen. Es gibt schon unter den Bewohnern der Reservate genug Spannungen zwischen den Gruppen, die sich zu verschiedenen Anteilen an den American Mainsteam akkulturiert haben, da muß man nicht noch als weißer Tourist hineinreden. Der Lower Brule Stamm hat eine gute Broschüre über "Visitor Etiquette in Native American Comunities" herausgegeben, deren Empfehlungen man im Zweifelsfall befolgen sollte. Seite 1; Seite 2.
Bei einer Reise in die nördlichen Staaten der USA sollte man sich darauf einstellen, absolut einsame Gebiete zu durchfahren. Die Orte sind oft winzig und bieten gerade die notwendigste Grundversorgung. Die Menschen im Norden leben noch nach dem Geist des alten Westens und sind von ausgesuchter Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Auch Kriminalität ist praktisch nicht vorhanden.


Literaturempfehlungen:


- Brown, Dee: Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses. München 1979 [Standardwerk zur Geschichte der nordamerikanischen Indianer im 19. Jht.]
- Gattuso, John (Hg.): Indianerreservate USA. Berlin 1992 (= APA Guides)
- Grundmann, Hans R.: USA - Der ganze Westen. Westerstede, 14. überarb. Aufl. 2005 (= Reise Know How) [umfaßt für diese Reise nur Wyoming + Colorado]
- Utley, Robert M.: The Lance and the Spear: The Life and Times of Sitting Bull. New York 1993 [ausgezeichnete Biographie von Sitting Bull]