Eine Reise in den Südosten der USA und Florida

Ende Mai 2011 starteten wir zu einer zweieinhalbwöchigen Rundreise durch den Südosten der USA. Besucht werden sollten die Bundesstaaten Washington D.C., Virginia, North und South Carolina sowie zum Abschluß erneut Florida.

Washington D.C.

Via Frankfurt flogen wir mit einem Jumbo der Lufthansa nach Washington D.C., wo wir gegen 16:00 Uhr ankamen. Schnell war mit dem Leihwagen das ausgezeichnete Ritz Carlton Hotel im Diplomatenviertel Georgetown erreicht. Aufgrund des langen Wochenendes mit dem Nationalfeiertag Memorial Day (= Heldengedenktag) herrschte in der Stadt reges Treiben. Am nächsten Tag, einem Sonntag, gingen wir bei weit über 30° über die Uferpromenade entlang des Potomac River in Richtung zur National Mall. Dort trauten wir unseren Augen nicht: tausende von Harley Davidson Motorradfahrern befuhren mit ihren geschmückten Maschinen die Straße zwischen dem Lincoln Memorial und dem Capitol. Der Auftritt wurde von einer riesigen Menschenmenge bejubelt. Wir schauten uns das Spektakel eine ganze Weile an, hatten dann aber das Problem, die abgesperrte Straße zu überqueren. Nach langer Wartezeit gelang es mit Hilfe eines Polizisten. Nunmehr hatten wir Gelegenheit, das World War II Memorial und das Washington Monument zu besichtigen. Von den zahlreichen Museen der Smithsonian Institution hatte ich selbstverständlich das American Indian Museum zur Besichtigung ausgewählt. Dieses besticht in allererster Linie durch eine spektakuläre Architektur. Die Ausstellung im Inneren ist ohne Zweifel extrem umfangreich und interessant, ich konnte mich aber nicht in das didaktische Konzept hineinversetzen. Ohne meine exzellenten Vorkenntnisse wäre ich hier sicherlich verloren gewesen.

Nach einem Gang durch den botanischen Garten eröffnete sich ein Blick auf das Capitol, vor dem bereits am Nachmittag eine lange Menschenschlange für das am heutigen Abend stattfindende Freiluftkonzert anstand. Den Abend beschlossen wir in einem Restaurant, wo uns der in Deutschland geborene amerikanische Kellner eröffnete, er wolle zurück nach Deutschland, denn die amerikanische Wirtschaft läge total am Boden.

Am nächsten Tag, Memorial Day, war es mit knapp 40° fast unerträglich heiß. Somit entschlossen wir uns zu einer Bootsfahrt auf dem arg verschmutzten Potomac River. Vom Wasser aus konnte man gut einen Teil der National Mall überblicken und die Fahrt führte dann zum Pentagon, dem Verteidigungsministerium, dessen enorme Größe ich total unterschätzt hatte. Nach Ende der Bootsfahrt gingen wir erneut zur Mall. Hier besichtigten wir das National Museum of American History und die National Gallery of Art. Zwischenzeitlich hatte die gewaltige Parade anläßlich des Feiertages begonnen. Auf der Constitution Avenue reihte sich Gruppe an Gruppe: Pipes and Drums, in Bürgerkriegsuniformen gekleidete Darsteller, auf Wagen Kriegsveteranen aus den verschiedenen Kriegen mit amerikanischer Beteiligung. Für deutsche Augen unvorstellbar: auf einem Wagen saß im Rollstuhl ein junger Mann, Träger des höchsten amerikanischen Kriegsordens Purple Heart. Der Mann war Bein- und Armamputiert und hatte auch im Gesicht Blessuren davongetragen. Die an der Straße stehenden Menschenmassen jubelten bei seiner Vorbeifahrt. Den Abschluß der mehrere Stunden andauernden Parade bildeten aktive Kampftruppen aus Afghanistan in Tropenuniform. Am Rande der Parade beobachteten wir immer wieder ähnliche Szenen: ein alter Mann mit Handstock in nachgeschneiderter Uniform, vermutlich Koreaveteran, salutierend. Dito ein junger Mann in Paradeuniform, vor sich ein mit dem Bajonett in die Erde gestecktes Gewehr, darauf ein Stahlhelm. Bejubelt wurde die Szene mit lauten "USA, USA"- Rufen.
Für den deutschen Beobachter ist diese Parade ausgesprochen gewöhnungsbedürftig, allerdings aber eine gute Gelegenheit, sich mit der amerikanischen Mentalität vertraut zu machen.

Mit auf unserem Programm stand nun noch eine Besichtigung des Capitols. Leider herrschte hier ein fürchterlicher Massenbetrieb und die obligatorische Führung war grauenhaft. Zu Fuß machten wir uns anschließend auf den Weg zum Weißen Haus, welches man von innen nicht besichtigen kann. Zum Abschluß besuchten wir auch noch das Vietnam Memorial, welches wir am vorherigen Tag aufgrund des Feiertages nicht erreichen konnten.

Shenandoah National Park, V.A.

Am nächsten Tag verließen wir Washington und fuhren in Richtung des Shenandoah National Parks. Bei Front Royal war der Skyline Drive erreicht, der den Park der Länge nach auf 170 km durchquert. Keine Frage, der Park ist mit seiner laubwaldbestandenen Hügellandschaft sicherlich sehr schön. Ob er aber, wie ein Reiseführer schreibt, zu den "spektakulärsten Landschaften der USA" zählt, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Zum einen gibt es ähnliche Landschaften durchaus in Europa, zum anderen sind meiner Meinung nach zahlreiche Nationalparks im Westen der USA erheblich pittoresker.

Abends erreichten wir die am südlichen Ende des Parks gelegene Stadt Waynesboro, Virginia, wo sich das Residence Inn von Marriott als hervorragend herausstellte. Besonders gelungen war der anschließende Abend in einem nahe gelegenen Restaurant bei schöner Livemusik.

George Washington National Forest, V.A.

Die Reise ging bei immer noch 35 Grad von Waynesboro weiter nach Süden. Dem Skyline Drive schließt sich hier der Blue Ridge Parkway an, der bis zum Great Smoky Mountains National Park weiterführt. Die Landschaft ähnelt der im Shenandoah National Park, nur, daß sich hier vermehrt Aussichtspunkte auf das tiefer gelegene Tal bieten. Bei Lynchburg erreichten wir dann den Interstate, auf dem es zu unserem nächsten Stop, Greensboro, North Carolina, ging. Hier war das Sheraton, ein Kongreßzentrum, doch schon arg in die Jahre gekommen. Die Aussicht aus dem Hochhaus war zwar spektakulär, konnte aber nicht über die laute Klimaanlage hinweg trösten. Wir waren froh, als es am nächsten Tag weiterging.

Die Route führte nach Südwesten und passierte die Stadt Winston - Salem, den wichtigsten Industriestandort in North Carolina und Sitz der Reynolds Tobacco Company - mit einem der größten Tabakproduzenten der Welt. Nach einer langweiligen Fahrt auf dem Interstate 40 erreichten wir am Spätnachmittag das Städtchen Asheville, NC. Auf meiner Agenda hatte ich die Besichtigung DES Highlights der Region, dem Biltmore Estate. Diese größte private Residenz der USA war vom Enkel des Eisenbahnmagnaten Vanderbilt, George W., Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden. Am Kassenhäuschen traf uns der Schlag: der Eintritt sollte pro Person sage und schreibe 69 $ betragen plus 15 $ Parkgebühr. Dankend verzichteten wir auf den Besuch mit dem Hinweis, daß wir gerade in Washington in der National Gallery umsonst die Werke der Alten Meister betrachtet hätten. Der Größe des Parkplatzes nach zu schließen, hatten andere Besucher aber weniger Probleme, diesen völlig überzogenen Eintrittspreis zu bezahlen.

Asheville N.C.

Wir hingegen quartierten uns für die nächsten zwei Nächte im Grand Bohemian Hotel ein, dekoriert im überladenen Stil der Jahrhundertwende mit allerlei Jagdtrophäen, die größtenteils aus Europa stammten. Das vielgepriesene Hotelrestaurant wurde seinem Ruf nicht gerecht: an beiden Abenden schaffte man es, uns in 25 Minuten drei mittelmäßige Gänge zu servieren - Widerstand war zwecklos. Das war amerikanische Gastronomie vom Feinsten. Ein Nachteil des ansonsten recht schönen Hotels ist die periphere Lage zum Stadtzentrum von Asheville, welches sich mit zahlreichen Galerien und Antiquitätengeschäften sowie diversen Art-déco-Gebäuden und Straßencafés als sehr nett präsentiert. Dies ist kein Wunder, denn das 1794 gegründete Städtchen wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts als Ferienziel entdeckt.

Cherokee Indian Reservation, N.C.

Ziel des nächsten Tages war die Cherokee Indian Reservation und der Great Smoky Mountains National Park. Das Indianerreservat liegt gut eine Fahrtstunde westlich von Asheville am Fuße der Great Smoky Mountains. Die Cherokee erlitten das wohl denkwürdigste Schicksal aller Indianerstämme in den USA. Der Stamm, der von den Weißen zu den sogenannten "Fünf zivilisierten Stämmen" gezählt wurde, hatte sehr früh weiße Normen und Lebensgewohnheiten adaptiert. Unter anderem entwickelte ein Stammesmitglied namens Sequoyah (väterlicherseits übrigens deutschstämmig) eine Schriftsprache mit deren Hilfe der Stamm später die Zeitung "Cherokee Phoenix" herausgab.

Das Schicksal der Cherokee nahm seinen Lauf, als unter Präsident Jackson der Kongreß 1830 das Removal Bill verabschiedete, ein Umverteilungsgesetz, das dem Präsidenten erlaubte, Landbesitz östlich des Mississippi gegen solchen westlich des Flusses einzutauschen. Mithilfe dieses Gesetzes wurden zahlreiche Stämme des Ostens genötigt, in das sogenannte Indianerterritorium nach Oklahoma umzusiedeln. Die Cherokee legten Einspruch beim Supreme Court ein - und unterlagen. Dies führte in den Jahren 1838 und 1839 zum sogenannten Trail of Tears, der unter menschunwürdigen Bedingungen stattgefundenen Vertreibung nach Oklahoma. Gut ein viertel der Cherokee überlebten diese Aktion nicht. Nur wenige hundert Indianer konnten sich der Vertreibung durch Flucht entziehen und sind der Ursprung der "östlichen Abteilung", während die heute in Oklahoma ansässigen Indianer die "westliche Abteilung" bilden.

Auf dem etwa 2000 m² großen Reservat leben heute circa 15.000 Cherokee. Da die Straße durch das Reservat der Hauptzugangsweg zum Great Smoky Mountains National Park ist, ist die gesamte Infrastruktur in erster Linie auf Tourismus abgestimmt: Andenkengeschäft reiht sich an Andenkengeschäft, Freßbude an Freßbude. Kein Kitsch ist zu schlimm, als daß er hier nicht noch verkauft würde. Nicht fehlen darf selbstverständlich ein riesiges Spielcasino, in diesem Reservat von der Kette Harrah's betrieben. Einzig lohnenswert ist der Besuch des Museum of the Cherokee Indian mit einer exzellenten Ausstellung. Wer's mag, kann sich im Ocanaluftee Indian Village über das Leben der Cherokee im 18. Jahrhundert informieren. Für Bühnenfreunde findet in einem Freilichttheater fast täglich eine Aufführung zur Geschichte der Cherokee statt.

Die Wohnhäuser der Indianer auf dem Reservat machten im Großen und Ganzen einen ordentlichen Eindruck. Viele Häuser waren im rustikal-amerikanischen Stil in Holz errichtet, ein nicht unbeträchtlicher Anteil waren auch die unvermeidlichen Trailer. Allerdings fehlten hier komplett die auf westlichen Indianerreservationen das Bild prägenden Autowracks.