Eine Reise durch den Osten Kanadas und den Nordosten der USA

Für den Sommerurlaub ab Mai 2008 hatten wir eine Reise durch den Osten der USA und den Nordosten Kanadas geplant. Vorrangig wollten wir uns die großen Städte der Region anschauen, aber auch Naturschönheiten sollten nicht außer acht gelassen werden. Schon bei der Planung bereitete die Weite der Länder Probleme, so war es bei beschränkter Zeit nicht möglich, noch weitere Neuenglandstaaten zu bereisen. Der Schwerpunkt der Reise wurde auf Kanada gelegt.

New York

Ende Mai 2008 starteten wir vom Düsseldorfer Flughafen auf der neuen Lufthansastrecke nach Newark (New Jersey). Der Service in dem neuen Airbus mit Sleepersitzen in der Businessclass war wie immer ausgezeichnet und gegen Mittag erreichten wir den Flughafen. Recht zügig ging es durch die Immigration und anschließend zum Leihwagenunternehmen. Wir hatten nur eines gefunden, welches die Rückgabe des Wagens in Kanada (natürlich gegen Aufpreis) genehmigte. Um auf "Nummer sicher" zu gehen, buchten wir einen Wagen mit Navigationsgerät - welches uns bald darauf zur Verzweiflung brachte, denn von Newark sind es gut 50 km nach Downtown Manhattan. Das Navi funktionierte ganz anders als unser heimisches und kündigte vor allem die in schneller Abfolge kommenden Highwaywechsel und -abfahrten viel zu spät und zu langsam an - absolut tödlich im Straßengewirr des New Yorker Großraums. Nach diversen Ehrenrunden in New Jersey erreichten wir das Stadtgetümmel von Manhattan. Autofahren ist dort nichts für schwache Nerven, vor allem die Taxifahrer lenken ihre Gefährte ohne Rücksicht auf Verluste durch die Straßen. Da unser Hotel am südlichen Ende des Central Parks liegt, mußten wir vom Norden kommend über den Broadway und Columbia Circle fahren. Erst nach 15 Uhr erreichten wir das Hotel. Das Ritz Carlton Central Park zeigte sich von der besten Seite. Ein wirklich höchsten Ansprüchen genügendes Haus, das hielt, was die Werbung verspricht. Obwohl wir "City View" gebucht hatten, bekamen wir ein hoch gelegenes Zimmer mit Partial Central Park View. Der Urlaub konnte beginnen.

Leider empfing uns die Stadt mit Nieselregen und ungemütlichen 14 Grad - viel zu kalt für die Jahreszeit. Auch ein Gang durch den Central Park nach dem Abendessen in einem hervorragenden Restaurant brachte keine rechte Stimmung. Wie anders war es doch bei unserem Besuch 2001 bei bestem Wetter gewesen! Stippvisiten im mittlerweile sehr umgebauten Plaza Hotel und Trumptower (beide am Central Park) beendeten den Abend.

Am nächsten Morgen frühstückten wir im Hotel. Merkwürdigerweise bietet das ansonsten hervorragende Hotel kein eigenes Frühstücksbüffet an, sondern man muß auf ein im Hause befindliches Bistro ausweichen, wo man à la carte frühstücken muß - schade. Wegen des immer noch schlechten Wetters fuhren wir am nächsten Tag mit der Subway an die Spitze Manhattans zum Battery Park. An den Fähren zur Freiheitsstatue und Coney Island standen lange Schlagen von Menschen und extrem viel Polizei. Im Battery Park selbst wurde die vor den Anschlägen vom 9. September 2001 im Innenhof des WTC stehende und nunmehr stark beschädigte Skulptur ausgestellt, ein sehr begehrtes Photomotiv. Wir besuchten, wie schon 2001, das am Park liegende "Museum of the American Indian" der Smithonian Institution. Hier gab es diesmal eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen und in jedem Raum (!) des Museums einen Polizisten. Gezeigt wurde eine Ausstellung zur Kultur der Indianer des Nordwestens, wie alle Ausstellungen immer hervorragend. Im Museumsladen deckte ich mich wieder, wie bei jedem USA-Aufenthalt, mit Fachliteratur zu den Indianern Nordamerikas ein.

Weiter ging es zur Baustelle am Ground Zero, der bei uns ungute Erinnerungen weckte, hatten wir doch 2001 noch kurz vor den Anschlägen auf dem Turm des World Trade Centers gestanden. Nunmehr sahen wir, wie die Bauarbeiter neue Kellergeschosse neben den alten Fundamenten erstellten..... Anschließend stand noch ein Besuch beim Buchhändler Barnes & Noble auf dem Programm, wo wir mit einer ausgewanderten Österreicherin eine interessante Unterhaltung hatten. Der anschließende Besuch bei Macy's war diesmal enttäuschend und zurück ging es zum Hotel. Ich, beladen mit den schweren Büchern, wäre auch zu weiteren Besichtigungen nicht mehr in der Lage gewesen. Den Abend beschlossen wir in einem hervorragenden Restaurant an der 5th Ave. und der sehr gemütlichen Hotelbar.

Der nächste Tag war mit 21 Grad viel angenehmer, aber uns stand die Fahrt aus der Stadt hinaus nach Norden bevor. Auf dem Plan stand der Besuch einer der größten Outlet Shopping Malls der USA, Woodbury Commons, nördlich von New York. Daß man dort auch gerne Kunden aus der Eurozone (vor allem bei dem schwächelnden Dollar) begrüßt, entnahm ich den Durchsagen u.a. auf Deutsch, der Sprache eines Landes, welches in der amerikanischen Zeitungspresse nicht existiert, es sei denn, irgendeine abstruse Beziehung zum Dritten Reich ließe sich konstruieren. In der Mall fielen mir sofort Gruppen von Frauen und Mädchen mit höchst merkwürdiger Bekleidung auf: wadenlangen, schwarzen Röcken, blickdichten Nylonstrümpfen mit hinterer Beinnaht und völlig antiquiert wirkenden Jacken und einer Art schwarzer Kappen. Dazu sprachen sie noch eine Sprache, die ich teilweise verstand aber nicht zuordnen konnte. Als ich die dazugehörigen Männer sah war mir klar, daß es sich um orthodoxe Juden handelte, die jiddisch sprachen!

Westpoint

Nach dem Einkaufen fuhren wir zu unserem Nachtquartier, dem innerhalb des Geländes der Militärakademie Westpoint liegenden Thayer Hotels. In der Eliteakademie werden heute ständig ca. 4000 Kadetten für Sondereinsätze und Führungsaufgaben im Militär trainiert. Nach dem Passieren des Tores mit Paßkontrolle waren wir verloren: das Navigationsgerät schickte uns im Kreis herum und wir bekamen eine unerwünschte Tour durch das riesige Areal der Akademie. Der Mann an der Rezeption antwortete auf meine Frage, warum man keine Schilder aufgestellt habe: "damit uns die Terroristen nicht finden!" Vielleicht ist das Gelände in Google Earth ja auch geschwärzt.
Endlich erreichten wir das malerisch hoch über dem Hudson liegende, von 1926 datierende Hotel im englischen Schloßstil. Schnell wurde uns klar, daß dieses Hotel nur von der Ausstattung und vom Ruf lebt, respektive von den Angehörigen der Militärkadetten. Das Zimmer war ok, Service und Abendessen und Frühstück recht bescheiden.

Gerne verließen wir das Haus nach erneuter Sicherheitskontrolle und nach Norden ging es auf der links vom Hudson liegenden 9 nach Poughkeepsie (ausgesprochen: Pekipsie) durch kleine, nicht besonders gut aussehende Städtchen. Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir eine Attraktion am Wege, das Franklin D. Roosevelt Geburtshaus. Das Haus des Präsidenten von 1933-45 ist nur mit Führung zu besichtigen und darauf hatten wir keine Lust. Im frei zugänglichen Park dagegen herrschte Hochbetrieb. Hier wurde, schließlich war Memorial Day Weekend, der Zweite Weltkrieg nachgespielt. "Originalgetreu" waren Camps der Amerikaner, Russen und Briten mit Komparsen ausgestattet (die "Engländer" übten noch das Exzerzieren für den großen Auftritt am Nachmittag. Wie gut, daß keine echten englischen Armeeangehörigen in der Nähe waren, die wären vor Lachen gestorben). Vorsichtshalber hatte man kein "deutsches" und "japanisches" Camp errichtet, offenbar Tribut an eventuell erscheinende deutsche und japanische Touristen. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Faszination der Zweite Weltkrieg auf Amerikaner ausübt. Das ist mir nur erklärlich dadurch, daß der Krieg nicht auf heimischem Territorium stattfand.
Nur zwei Meilen weiter an der gleichen Straße kann man den Vanderbilt Estate besuchen. Schon der Park hoch über dem Hudson gelegen macht sprachlos. Wir hatten noch einen weiten Weg vor uns und mußten weiter. Bei Kingston überquerten wir den Hudson und auf dem langweiligen Interstate 84, immer durch Mautstellen unterbrochen, ging es weiter nach Norden. Hier am Highway erahnte man nicht die Geschichte des Hudson Valley. Für amerikanische Verhältnisse ist die Gegend extrem historisch, denn schon 1609 nahm Henry Hudson die Gebiete entlang des Flusses von New York bis Albany für die Niederländer in Besitz. Bereits im 19. Jahrhundert entstanden besonders am Ostufer schloßähnliche Herrenhäuser wie eben die Vanderbilt Mansion.

Saratoga

Unser nächster Stop war Saratoga Springs, amerikanischer Kurort mit Historie. Schon die Irokesen wußten von dem Heilwasser und bis zum Zweiten Weltkrieg war Saratoga so etwas wie das Baden-Baden der USA. Nach rücksichtsloser Ausbeutung der gut 150 Quellen wird nur noch an einigen das höchst schmackhafte Mineralwasser abgezapft. In der historischen Wandelhalle, die nunmehr privat vermietet wird, fand zum Zeitpunkt unseres Besuches die Hochzeit eines offenbar sehr gut betuchten indischen Brautpaares statt. An einer öffentlich zugänglichen Quelle zapfte eine Frau literweise das Mineralwasser ab und packte damit ihren gesamten Wagen voll. Der Besuch des Saratoga Spa State Parks ist gebührenpflichtig und bei angenehmen 21 Grad und einem Samstag waren die Picknickplätze gut besucht. Die Stadt Saratoga selbst hat einen historischen Broadway, daran gelegene Cafés Boutiquen und Häuser mit schönen Fassaden, mithin für amerikanische Verhältnisse richtiges Flair.

Adirondack Park

Weiter ging es nach Norden, an Albany vorbei und bei Warrensburg nach Westen abbiegend in den Adirondack (gesprochen: Äde-raohn-deck) State Park. Sofort änderte sich das Landschaftsbild: kleine und größere Seen, viele private Wochenendhäuser, aufgelockerte Vegetation. Tiere waren, im Gegensatz zu Nationalparks, nicht zu sehen. Die Adirondacks sind ein dicht bewaldetes Mittelgebirge mit über 2000 Seen auf gut 15.000 km². Sie bilden, nur fünf Autostunden von Manhattan, das größte Naturreservat der USA außerhalb Alaskas. Die Gegend liegt durchweg auf einem hohen Niveau über dem Meeresspiegel, was auch das harsche Klima mitbedingt. Einen Eindruck davon bekamen wir bei einem Blick auf das Thermometer, welches auf 16 Grad fiel. U.a. diesem für die Landwirtschaft ungeeigneten Klima hatte es die Gegend zu verdanken, daß sie nicht weiter erschlossen und schon 1892 zum Park erklärt wurde.

Abends recht spät erreichten wir am Rande des Ortes der olympischen Winterspiele von 1932 und 1980 Lake Placid, die recht neue Whiteface Lodge im Blockhausstil. Unser "Zimmer" stellte sich als richtige Wohneinheit samt Küche heraus und war wunderschön. Der Blick bei stahlblauem Himmel auf den Whiteface Mountain war unbeschreiblich. Hier hätte man länger bleiben sollen! Am nächsten Tag schauten wir uns Lake Placid an, ein schön herausgeputzter Wintersportort mit den riesigen Oympiaanlagen. Der Weg aus dem Park zum Highway war noch pittoresker, als die Fahrt zur Lodge: wilde Bergbäche, sehr hohe Berge, man war an den Westen der USA erinnert. Leider führte nur der I 87 schnell nach Norden, so war wieder - streng geschwindigkeitsbegrenztes - Highwayfahren angesagt.

Nach Kanada

Vor Montréal erreichten wir die US-amerikanischen / kanadische Grenze. Der kanadische Grenzer (eine US-amerikanische Grenzabfertigung gab es merkwürdigerweise nicht) war über uns Deutsche im amerikanischen Auto mit Floridakennzeichen sehr erstaunt: "You're on a big tour, huh?" Willkommen also in Kanada, genauer gesagt Québec. Dieses Faktum wurde uns Minuten später plastisch vor Augen geführt. In der grenznahen Wechselstube wollten wir Geld wechseln. Die Frau mittleren Alters hinter dem Schalter verfügte über recht limitierte Englischkenntnisse. Dann gab es auch noch Probleme mit einem unserer Reiseschecks. Sie mußte also telefonieren. Über sage und schreibe 45 Minuten zog sich die Prozedur hin, wobei ich von ihr immer nur (auf Englisch) hörte: "Ich verstehe Sie nicht! Sprechen Sie kein Französisch?" Schlußendlich hatte sie wohl endlich jemanden an der Strippe der kompetent war und Französisch sprach.

Endlich ging es weiter. Bei Montréal entschlossen wir uns, nicht den direkten Highway nach Québec zu nehmen, sondern die parallel zum St. Lorenz Strom verlaufende 331, um mehr von der Umgebung zu sehen. Sofort fiel der Baustil der Häuser auf, die ganz anders aussahen als in den USA: Alles, auch die Städtchen, machten einen gepflegteren Eindruck. Die Beschriftung war komplett einsprachig auf Französisch. Dies folgte nach langem Streit einem Gesetz von 1974, welches Französisch zur alleinigen Amtssprache erhob und auch die alleinige Beschriftung in der Sprache vorschreibt. Das führt dazu, daß auf den roten Halteschildern nicht "Stop", sondern "Arrêt" steht. Selbst in der Ukraine steht - in kyrillischen Buchstaben - auf den Schildern "Stop". Die Québécois sind Französischer als die Franzosen und übertreiben in meinen Augen die Sprachenfrage. Dem ganzen Land zwingen sie Französisch als zweite Sprache auf, in der eigenen Provinz findet sich quasi nicht eine englische Beschriftung. Selbst Warnschilder an der Straße sind rein Französisch.

Wir folgten der Straße 331 bis Odanak und besuchten dort auf dem kleinen Reservat der Abénakis das Musée des Abénakis, gelegen neben einer Missionskirche von 1828. Das sehr neue Museum war schön gemacht, krankt aber an einem Problem sämtlicher Museen über Ostküstenureinwohner. Die hiesigen Indianer waren die ersten, die Kontakt mit den neuangekommenen Weißen hatten (Ausnahme: Kalifornien) und der längsten Zeit dem weißen Einfluß ausgesetzt waren. Es gibt kaum noch originale Artefakte aus der Zeit vor der Ankunft der Weißen, und wenn, dann finden die sich bestenfalls in den großen Museen. Auch in diesem Museum wurden primär steinerne Pfeilspitzen gezeigt. Symptomatisch war auch, daß der Kassierer des Museums Abénaki war, aber im Aussehen von einem weißen Kandier kaum zu unterscheiden war.
Interessant war der Besuch der Missionskirche, in dessen Innenraum christliche Symbolik mit stark indianischen Zügen präsentiert wurde. Eine Fahrt über das kleine Reservat, welches unmittelbar an den Ort Odenak grenzt, machte mich sprachlos: Fein herausgeputzte Häuser samt Vorgärten, alles sehr gepflegt. So ein Reservat hatte ich noch nicht besucht. Einzig die an einem Haus hängende Fahne der kanadischen First Nations und das Schild "Abénaki Land" ließ erkennen, daß man auf Reservatsland war.

Weiter ging es auf der Straße entlang des gigantischen St. Lorenz Stroms durch überwiegend agrarisches Land mit vielen kleinen, sehr schönen Ortschaften. Obwohl wir uns auf etwa 45 Grad nördlicher Breite befanden (meine Heimatstadt liegt auf 52 Grad), war die Vegetation mindestens 4 Wochen hinter der heimischen zurück. Durch ein fehlendes Quergebirge sind Kanada und auch die USA nicht vor polaren Kälteeinbrüchen geschützt und die Winter viel rauher als in Mitteleuropa.