Eine Reise nach Lissabon

Ab Ende Mai 2015 verbrachten wir einen Urlaub in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, bequem in drei Flugstunden von Düsseldorf erreichbar. Das gebuchte 5-Sterne-Hotel und Mitglied der Vereinigung Leading Hotels of the World "Olissippo Lapa Palace Hotel" enttäuschte uns nicht: es stellte eine Oase der Ruhe dar und ist trotzdem noch recht zentral gelegen. Das Hotel in einem klassizistischen Palast liegt im Diplomatenviertel Lapa und bietet wundervolle Ausblicke auf den Tejo, die Ponte 25 de Abril und die auf der gegenüberliegenden Flußseite aufgestellte Statue Cristo Rei.

Das Wetter war zur Zeit unseres Aufenthaltes sehr angenehm und bei stahlblauem Himmel lagen die Temperaturen tags zwischen 25-28 Grad. Abends kühlte es sich etwas ab. Zu Fuß oder mit der Straßenbahn "elétrico" mit oftmals historischen Wagen erreichten wir problemlos die Altstadt. Auch die Taxis waren ausgesprochen preiswert.

Es ist fast unmöglich, alle Sehenswürdigkeiten Lissabons aufzuzählen. Die Stadt ist eine Gründung der Phönizier, kam dann unter römische, maurische und spanische Herrschaft. Mit dem Zeitalter der Eroberungen erlebte Lissabon ab 1500 einen Aufstieg zu einer der glanzvollsten Handels- und Hafenstädte der damaligen Zeit. Eine weltweit wahrgenommene Zäsur stellte das gewaltige Erdbeben von 1755 dar. Am Allerheiligentag wurde die Stadt durch ein Seebeben mit anschließendem Tsunami zu zwei Dritteln zerstört. Auch heute noch sind die Auswirkungen augenfällig, denn die zerstörte Unterstadt Baixa wurde vom Markgrafen de Pombal im Stile der Zeit planmäßig mit rechtwinklig angelegten Straßen wiederaufgebaut. Imposantes Beispiel dieser Architektur ist der Praca do Comercio, auf dem vorher das königliche Schloß gestanden hatte. Gleichzeitig bietet sich ein schöner Ausblick auf den Fluß. Besuchen sollte man das angrenzende Lisboa Story Center, in dem unterhaltsam bis eindrucksvoll die Geschichte der Stadt dargestellt wird.

Überhaupt gibt es in der Stadt extrem viele exzellente Museen. Wir besuchten u.a. das Museu Calouste Gulbenkian, das Museu Nacional de Arte Antiga (Nationalmuseum für alte Kunst), das Mosteiro dos Jerónimos ("Hieronymuskloster") mit dem Sarkophag Vasco da Gamas und das im Gebäude untergebrachte Museu da Marinha (Marinemuseum). Bis auf das erste sind alle Museen besonders empfehlenswert für an Kolonial- und Expansionsgeschichte Interessierte. Das Bild wird abgerundet durch das in Sichtweite des Marinemuseums erbaute Padrão dos Descobrimentos (Denkmal der Entdeckungen) sowie den Torre de Belém.

Portugal blickt auf das am längsten bestehende europäische Kolonialreich zurück, dessen Geschichte 1415 mit der Eroberung von Ceuta begann und der Rückgabe der letzten portugiesischen Überseeprovinz Macau an die Volksrepublik China 1999 endete. Für mich war die Reise nach Lissabon merkwürdig, eine Art déja vu, hatte ich doch vor Jahren bereits Macau besucht.

Interessant war für mich ein Vergleich Lissabons mit dem vor einigen Monaten zuvor besuchten Neapel, welches auf eine ähnliche Stadtgeschichte der Frühzeit zurückblicken kann. Zwar hat Lissabon im Gegensatz zum riesigen Neapel nur ca. 500.000 Einwohner - aber um wieviel einladender ist die Stadt! Ohne Frage gibt es völlig marode Gebäude, aber dies ist überwiegend erst ab dem 1. Obergeschoß sichtbar. Sehr angenehm fiel das Fehlen der in Neapel allgegenwärtigen Graffiti-Schmierereien und die Sauberkeit der Stadt auf.

Ebenso auffallend waren die Fremdsprachenkenntnisse der meisten Menschen. Viele auch im nicht-touristischen Sektor Tätige haben Kenntnisse im Englischen und Französischen. Dankbar reagieren die Menschen aber wie überall auf der Welt, wenn man sich bemüht, einige Floskeln in der Landessprache zu sprechen. Sehr positiv war auch die allgemeine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Einheimischen.

Da wir über einen Leihwagen verfügten, boten sich Ausflüge in die Umgebung an. Das Autofahren machte allerdings keinen Spaß, weder auf dem Lande und schon gar nicht in der Stadt. Die freundlichen Portugiesen mutieren hinter dem Volant zu aggressiven Fahrkünstlern, die jeden Italiener in den Schatten stellen: es wird gedrängelt, gehupt, auf rote Ampeln zugerast oder abenteuerlich überholt. Das Ganze im Kombination mit teilweise völlig unübersichtlichen Straßenführungen (als Beispiel sei die Auffahrt zur Tejobrücke von Lissaboner Seite genannt) ergibt eine unerfreuliche Mischung.

Trotzdem machten wir uns auf den Weg. Entlang der Küstenstraße erreicht man schnell den Lissaboner Vorort Belém mit dem phantastischen Mosteiro dos Jerónimos. Von hier aus war es auch nicht weit bis Estoril. Mein Eindruck war, daß man hier vergangenen Zeiten nachtrauert und ich bin mir nicht sicher, ob das Kasino mit seinem äußeren 70er-Jahre-Charme wirklich och einen Touristenmagnet darstellt. Als einladender empfand ich das benachbarte Cascais mit romantischem Hafen.
Queluz nördlich von Lissabon im Inland war über die Autobahn schnell zu erreichen. Das Schloß wurde zur Zeit unseres Besuches leider gerade renoviert, war aber trotzdem sehenswert, wenngleich nicht spektakulär, wenn man schon so manches andere Barock- oder Rokokoschloß besichtigt hat. Auf einen Besuch von in jedem Reiseführer angepriesenen Sintra mit seinen diversen Schlössern verzichteten wir.

Statt dessen fuhren wir über die riesige Tejobrücke, die an die Golden Gate Brücke erinnert und auch von einem amerikanischen Konzern erbaut wurde, auf die andere Tejoseite. Hier hat man einen phantastischen Ausblick auf Lissabon, sieht alte Werftanlagen, Schlafvorstädte und Industriearchitektur. Letzte imponiert auch in Lissabon nördlich des Fähranlegers. Mit etwas Zeit entdeckt man so manches Kleinod.

An einem Tag trauten wir unseren Augen nicht, als wir auf den Kreuzfahrtanleger in der Nähe des Praça do Comércio blickten. Dort lag ein gigantisches Kreuzfahrtschiff und spuckte tausende Passiere aus. Unsere Recherche ergab: genau 4.180! Es handelte sich um die erst vor einigen Monaten in Papenburg bei der Meyer Werft vom Stapel gelaufene Anthem of the Seas - ein surrealer Anblick, so dicht an der Kaimauer.

In der Stadt gibt es unglaublich viel zu sehen, wir hatten nur Gelegenheit für eine Auswahl an Besichtigungen.

Lissabon

Palast des Grafen von Sacavém an der Rau do Sacramento à Lapa. Ein Beispiel von neo-manuelinischem Jugendstildekor.

Die Rua de São Domingos im Stadtteil Lapa. Gut zu erkennen die Schienen der Straßenbahn.

Das Museu Nacional de Arte Antiga ist das landesweit bedeutendste Museum für alte Kunst in einem Palast von 1884. Es finden sich u.a. Werke von Dürer, Holbein, Cranach. An das Museum grenzt der Jardim 9 de Abril mit zur Zeit meines Aufenthaltes prachtvoll blühenden Jacaranda Bäumen. Diese wurden aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie Brasilien importiert.

Im Antikenmuseum befinden sich bemerkenswerte Zeugnisse vom Aufeinandertreffen zweier Hochkulturen Mitte des 16. Jahrhunderts. Wird das Zusammentreffen zweier Kulturen im Zeitalter des Kolonialismus sonst fast ausschließlich von den Europäern dokumentiert, so ist es hier umgekehrt. Die Japaner zeichneten auf Wandschirmen ("Biombos") ungeheuer detailreich die Besucher aus dem Abendland samt Entourage: schwarze Sklaven und Tiere.

Am Praça do Municipio befindet sich das neoklassizistische Rathaus (Câmara Municipal). In der Mitte des Platzes mit dem typischen Schwarzweißmosaik steht eine gewundene Doppelsäule, die einst als Pranger diente und zudem das Emblem für das Stadtrecht bildete.

Der Handelsplatz Praça do Comércio/Terreiro do Paço öffnet sich wie eine Veranda zum Tejo, an den übrigen drei Seiten ist er von Gebäuden mit repräsentativen Arkadengängen flankiert. Bis zum Erdbeben 1755 befand sich hier die königliche Residenz, woher sich die noch heute gebräuchliche Bezeichnung Terreiro do Paço (Palastplatz) ableitet. Mitten auf dem Platz steht das Reiterstandbild von König José I., unter dessen Regentschaft Marquês de Pombal den Wiederaufbau der Stadt durchführte.

Die Kathedrale Sé (Abkürzung für sedes episcopalis - "Bischofssitz") ist die älteste Kirche Lissabons. Sie wurde nach der Vertreibung der Mauren im Jahr 1147 gebaut, vorher soll hier eine fünfschiffige Moschee gestanden haben. Die Kathedrale wurde mehrmals von Erdbeben stark beschädigt und bis zu Beginn des 20. Jhts. immer wieder restauriert. So vereint sie heute zwei Baustile, die im nüchternen, romanischen Innenraum und dem eleganten, gotischen Chorumgang mit neun Kapellen sichtbar werden.

Es sollte stets das Erste sein, was vom Schiff aus bei der Ankunft in Lissabon zu sehen war: das Hieronymuskloster (Mosteiro dos Jerónimos), Prunkstück des goldenen Zeitalters der portugiesischen Entdeckungen.
König Manuel I. "der Glückliche" (o Venturoso, weil seine Seeleute ihm ein Weltreich eroberten), legte am 6. Januar 1501 den Grundstein für den Klosterbau. Beflügelt von den Geschichten der Seefahrer, schufen seine Baumeister üppige orientalische Ornamente und Verzierungen. Später sollte der prägnante Baustil zwischen Gotik und Renaissance den Namen Manuelinik erhalten.

Der kunstvoll ebenfalls im manuelinischen Stil geschaffene Wehrturm Torre de Belém erinnert an die Zeit, als die portugiesischen Entdecker mit ihren Karavellen von hier aus in See stachen. Unter der Ägide von König Manuel I. zwischen 1515 und 1521 errichtet, diente der Turm eher zum Empfang der voll beladenen Schiffe aus aller Welt als zur Verteidigung der breiten Flußmündung. Einst stand das Schmuckstück auf einer kleinen Insel mitten im Tejo. Im Laufe der Jahrhunderte versandete der Fluß, und so ist der Torre heute vom Ufer aus zugänglich.