Im Mai 2007 verbrachten wir unseren Sommerurlaub auf der karibischen Insel Barbados. Barbados war etwa 340 Jahre in englischem Kolonialbesitz, ohne, wie so viele andere karibische Inseln, häufiger den Besitzer gewechselt zu haben. Seit 1966 ist sie selbständig, aber immer noch Mitglied des British Commonwealth.
Von ging es mit einem Zubringerflug nach Frankfurt, wo die Condor auf uns wartete. Leider gibt es von Deutschland aus keinerlei Linienflüge nach Barbados, wären wir über London und mit British Airways geflogen, hätten wir die Flugphäfen wechseln müssen - eine häßliche Prozedur. Also blieb nur das "Sammeltaxi" Condor, das, wie schon 2003 nach unserer Reise nach St. Lucia wieder auf dem Rückweg die venezolanische Insel Isla Margarita ansteuern würde. An diesen Stop erinnerte ich mich nicht gerne. Also flogen wir Comfort Class, die ich in besserer Erinnerung hatte. Im Gegensatz zur Business Class der Lufthansa waren die Sitze doch recht eng und ich konnte während des gut zehnstündigen Fluges nicht schlafen. Entsprechend zerschlagen war ich bei der Ankunft am Flughafen Bridgetown, der Hauptstadt der Insel.
Beim Öffnen der Tür schlugen uns die aus den Tropen gewohnten 33 Grad schwüler Luft entgegen und wir mußten einen längeren Weg zur "Immigration" nehmen. Ein in noch recht britisch anmutender Uniform gekleideter Beamter fertigte uns in amerikanischem Englisch problemlos ab. Das Gepäck war schnell entgegengenommen, das Geldwechseln in der Bank des Flughafens dauerte unfaßbar lange und bis die paar Leute vor uns fertig waren, hatten wir schon 45 Minuten in der nicht klimatisierten Wartehalle gestanden - in unserer deutschen warmen Kleidung.
Vor dem Flughafen dann Hektik. Mittlerweile war es 19 Uhr und stockdunkel. Ein livrierter Mann stürzte sich auf uns: ob wir die Gäste für das Sandy Lane Hotel seien? Als wir bejahten, begleitete er uns zu einem auf uns wartenden Bentley, der uns zum Hotel bringen sollte. Da wir von diesem Service keine Ahnung gehabt hatten, hatten wir gleichzeitig einen Mietwagen bestellt. Auch der Mann, der diesen gebracht hatte, wartete auf uns. Zudem müßten noch zig Papiere ausgefüllt werden, ich bräuchte auch noch einen Barbados-Führerschein und er bekäme noch einige Hundert Dollar von uns. Das zweite konnte nicht sein, alles war im voraus gebucht. In der schwülen Hitze bei ganz schlechter Beleuchtung versuchten der Mann und ich die Mietwagenkonditionen herauszufinden. Aus unerfindlichen Gründen war unser Mietwagenvertrag nur in deutsch abgefaßt und ich mußte Satz für Satz übersetzen - was für ein Theater! Der Mann wollte partout Geld und ich war nur genervt von der Hektik nach der langen Reise. Schließlich einigten wir uns darauf, daß uns der Bentley zum Hotel bringen solle und der Mann samt Mietwagen morgen ebenfalls zum Hotel komme. In der Zwischenzeit sollte er sich eine Übersetzung des Vertrages besorgen.
In dem bequemen Wagen erreichten wir nach einer guten Stunde das Hotel. Wegen der Dunkelheit bekamen wir kaum einen Eindruck von der Insel - außer, daß die Hauptstraße eine gigantische Baustelle war, die sich über viele Kilometer hinzog. Unser Ziel, das bekannte Sandy Lane, zählt mit zu den besten Hotels der gesamten Karibik und liegt knapp 10 Kilometer nördlich der Hauptstadt an der Westküste der Insel. Endlich konnten wir unser Zimmer, mit 70 qm fast schon eine Suite, mit wunderschöner Terrasse beziehen.
Den nächsten Tag nutzten wir, trotz unseres mittlerweile vorhandenen Autos, zu einem Fußmarsch nach Holetown. Die Autoverleihfirma hatte übrigens urplötzlich auf weitere Zuzahlungen verzichtet und uns den Wagen auch kostenfrei ins Hotel geliefert. Ob die Adresse "Sandy Lane" dafür verantwortlich war, konnten wir nicht herausfinden. Vermutlich hatte man am Abend vorher einfach versucht, uns vermeintlich unerfahrene Touristen über den Tisch zu ziehen.
Nach Holetown läuft man entlang der Küstenstraße H1 vom Sandy Lane etwa 15 Minuten, teilweise über eine Art Bürgersteig, über Rasenflächen oder direkt entlang der vielbefahrenen Straße. Das Städtchen, welches früher Jamestown hieß, war der Ort, an dem die ersten Briten am 17.2.1627 landeten. Ein Denkmal - umgeben von Kanonen - neben der Polizeistation erinnert noch an diese Begebenheit. Wir erreichtem vom Hotel aus als erstes ein aus etwa 10 kleinen Läden bestehendes "Shopping Center", ein Stückchen weiter befindet sich "Chattel Village", eine Gruppe nachgebauter "Chattel-Häuser" mit Geschäften in tropischer Landschaft. Chattel-Häuser sind eine typische Architektur der Insel Barbados. Sie datieren noch aus der Zeit kurz nach Ende der Sklaverei, sind sehr kleine, rechteckige, ebenerdige Holzkonstruktionen mit einer Tür und Fenstern an allen Seiten zur Luftzirkulation. Die Häuschen konnten komplett auseinandergebaut und transportiert werden, wenn der Eigentümer von einer Plantage zur anderen auf der Suche nach Arbeit zog. Gegenüber den kleinen Geschäften lag das riesige Gebäude des ehemaligen Regent-Hotel, welches wohl nur einige Jahre betrieben wurde und seitdem leer steht. Wie wenig so ein Leerstand einem Gebäude in den Tropen bekommt, konnten wir eindringlich sehen. Hinter dem Chattel-Village findet man eine kleine, klimatisierte Shopping Mall nach US-amerikanischer Machart mit einem riesigen, ausgezeichnet sortierten Supermarkt. Dessen Produkte waren überwiegend importiert, zumeist aus den USA, teilweise aus Großbritannien und anderen Commonwealth-Ländern. Erschreckend wenige Produkte stammten von Barbados selbst. Gegenüber der Mall findet sich neben der Polizei und einigen kommunalen Einrichtungen das schon beschriebene Denkmal. Etwas weiter auf der Strandseite ist "Downtown" Holetown, einige Querstraßen vollgestopft mit kleinen Kneipen und Restaurants nach touristischem Massengeschmack.
Am Abend lernten wir eine sehr interessante Frau kennen, eine Britin, die ihren aus Barbados stammenden Mann in London kennengelernt hatte und ihm vor 33 Jahren auf den Insel gefolgt war. Zu unserem Erstaunen sprach sie ein gewähltes Deutsch, welches sie studiert hatte und nun auf Barbados unterrichtete. Sie berichtete von der Reaktion ihres Mannes, als dieser nach langer Abwesenheit nach der Unabhängigkeit der Insel wieder dorthin zurückgekehrt war. Die Bewohner hatten sich von den englischen Kolonialherren abgewandt und den USA zugewandt. Mit Bedauern im Gesichtsausdruck sagte die Frau auf meine Frage nach der amerikanischen Aussprache der Inselbewohner "Und die sind da auch noch stolz drauf!". In der Tat hatte eher mein britischer Reiseführer recht, als er von der USA-Orientierung der Bewohner berichtete, während der deutsche Führer noch von "Little England" schrieb. Nicht umsonst heißt die Währung "Barbados-Dollar" und das gesamte Strom- und Telefonsystem ist US-amerikanisch. Selbst die Länder-Vorwahlnummer lautet 001 wie bei den USA. Empfangen werden zudem vier amerikanische und nur ein britischer TV-Sender.
Da ich mich erst an das ungewohnte Auto, an den Linksverkehr und den Verkehr überhaupt gewöhnen wollte, wählten wir den kommenden, wenig verkehrsreichen Sonntag für einen Ausflug in die Hauptstadt Bridgetown. Diese liegt gute 10 km südlich des Hotels an der Südwestecke der Insel. Wir hatten richtig spekuliert, auf den Straßen herrschte wenig Verkehr und ich mußte mich nicht so stark konzentrieren. Wir folgten dem Highway 1, die uns entlang der dicht bebauten Küste führte. Nur ab und zu eröffneten sich Blicke auf wunderschöne Strandabschnitte und das türkisblaue Meer. Die Straße selbst war in einem bescheidenen Zustand, teilweise mit extrem tief liegenden Gullideckeln oder Löchern, so daß man sehr vorsichtig fahren mußte. In unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums fanden wir einen völlig leeren Parkplatz direkt an der Mündung des Constitution River. Über einen offenbar brandneuen Boardwalk ging es schnell zur Hauptattraktion der Stadt, dem früherem Trafalgar Square, nun National Heroes Square genannten Platz. Auf einer Säule steht dort ein Denkmal Lord Nelsons von 1813, somit ist es 30 Jahre älter als das bekanntere in London. Wegen Kontroversen über die Kolonialzeit wurde die früher auf die Haupteinkaufsstraße blickende Figur nun in die andere Richtung gedreht.... ggf. soll sie ganz entfernt werden. Neben dem Denkmal findet man noch eine kleine Grünfläche, einen Brunnen und ein Kriegerdenkmal auf dem Platz.
An der Nordseite des Platzes stehen die beiden imposanten, in den 1870er Jahren im neogotischen Stil errichteten Parliaments Buildings - also doch noch Klein England in der Karibik. Wegen unseres Besuchs an einem Sonntag konnten wir die eingezäunten Gebäude nicht näher besichtigen. Wir schauten uns als nächstes St. Michael's Cathedral von 1789 an, auf deren angrenzenden Friedhof sich zahlreiche gemauerte Gräber von barbadianischen Honoratioren finden. Auf dem weiteren Weg zum Queen's Park wurden wir von einem tropischen Regenschauer überrascht, der kurz aber dafür um so heftiger war. In dem Park finden sich einige historische Gebäude, u.a. die ehem. Residenz des britischen Kommandeurs der gesamten Westindischen Truppen. Auf einer Grünfläche spielten gerade zwei Mannschaften Cricket und hier stellte sich tatsächlich noch richtiges englisches Flair ein.
Seit Jahren hatte man sich in Barbados auf die World Cricket Games im März 2007 gefreut und die Insel aufpoliert. Zum Entsetzen der Bevölkerung und vermutlich der Tourismusindustrie trafen erheblich weniger Besucher ein als erwartet und nur noch die verblichenen Reklameschilder zeugten von dem Event.
Interessant war im Queen's Park auch der über 1000 Jahre alte, gigantische Baobab-Baum. Der Samen muß vor Urzeiten von Afrika über den Atlantik getrieben worden sein, denn dort sind diese Bäume heimisch.
Weiter gingen wir entlang der Crumpton Street, wo sich noch wunderschön verzierte, offenbar historische Holzgebäude fanden. Über die Haupteinkaufsstraße der Einheimischen, Roebuck Street, erreichten wir die Synagoge. Aufgrund von Oliver Cromwells Versprechen der Religionsfreiheit waren bereits im 17. Jht. einige Hundert Juden vom brasilianischen Recife nach Barbados gekommen und hatten sich dort im Zuckergeschäft engagiert. Heute ist die jüdische Gemeinde auf der Insel sehr klein und die Synagoge wurde mit internationalen Spendengeldern restauriert. Bald erreichten wir die Haupteinkaufsstraße der Stadt, Broad Street, die sich allerdings an einem Sonntag bei Nieselregen nicht von ihrer schönsten Seite zeigte.
Wir entschlossen uns, unser Auto zu holen und zum südlich gelegenen Stadtteil Garrison zu fahren. Die Straße führte u.a. an dem traumhaften Strand von Carlisle Bay vorbei, an dem sich vor allem Einheimische tummelten. Unter den Bäumen wurden fleißig Picknickkörbe ausgepackt und Ball gespielt. Die Bay Street führte uns dann direkt zur Garrison Savannah, einem ehemaligen Exerziergelände der britischen Kolonialtruppen und heute Galopprennbahn. In den alten Militärgebäuden sind heute teilweise Behörden untergebracht, teilweise stehen sie scheinbar leer. Interessant ist die Tatsache, daß die meisten Gebäude aus Ziegeln errichtet wurden, die die alten Atlantiksegler als Ballast mit hatten. Die Steine sollten uns noch häufig auf der Insel bei historischen Gebäuden begegnen. Weiteres Ziel war das die Rennbahn überblickende Barbados Museum, ein ehemaliges Militärgefängnis. Das Museum ist recht weitläufig in diversen Gebäudeteilen untergebracht und informiert über Geschichte und Kultur der Insel. Selbst einige Artefakte der Kariben finden sich hier, wenn auch die Insel z.Zt. der englischen Eroberung unbesiedelt war. Das Museum erinnerte mich irgendwie an ein liebevoll gemachtes Heimatmuseum, nicht an ein Nationalmuseum. Trotzdem gibt es einen guten Einblick von Barbados. An dem Sonntagnachmittag wurde es auch von zahlreichen einheimischen Familien besucht. Die Bewohner der Insel sind zu 95 % rein westafrikanischer Abstammung als ehemalige Abkömmlinge von Sklaven. Somit changiert die Hauptfarbe der Bewohner von braun bis schwarz. Mischlinge und Menschen indischer Herkunft sind - im Gegensatz zu anderen ehemaligen britischen Kolonien - fast nicht zu finden.
Aufgrund der enormen schwülen Wärme entschlossen wir uns, nach dem Museumsbesuch im nahegelegenen Hilton-Hotel einen Drink zu nehmen. Das riesige, nicht besonders schöne Hilton wurde auf die Halbinsel Needham Point geklotzt. Glücklicherweise integrierte man das aus dem 18. Jh. stammende Fort Charles in den Gartenanlagen des Hotels. Von der Befestigungsanlage mit den historischen Kanonen hat man einen phantastischen Blick über das Meer und auch Bridgetown. Gar nicht ins Bild passen allerdings die in Sichtweite liegenden Erdöltanks einer Raffinerie.