Eine Kurzreise nach Lüneburg und Cloppenburg

Nur wenige Tage nach meiner Rückkehr aus Ostpreußen hatte ich im September 2017 einen Termin in Lüneburg, um einen historischen Sattel abzuholen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir die knapp 60 Kilometer südlich von Hamburg gelegene Stadt anzuschauen.

Bei der ersten urkundlichen Erwähnung Lüneburgs im Jahr 956 existierten bereits die Burg und das Kloster St. Michaelis auf dem Kalkberg und die Saline. Um diese Kerne entwickelte sich bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Stadt Lüneburg unter der Herrschaft der Billunger und später der Welfen. Herzog Otto das Kind, der Enkel Heinrichs des Löwen, verlieh Lüneburg 1247 eigenes Recht. Die Saline und Münze gerieten zunehmend unter städtischen Einfluß.
Ansatzpunkte für die politische und ökonomische Entwicklung der Stadt waren Burg und Kloster, Saline, Rathaus und Hafen. Als Produktionsstätte des raren Gutes Salz erhielt Lüneburg Gewicht in der Hanse, besonders in der Beziehung zum "Haupt der Hanse" Lübeck und als Mittlerin zwischen dem sächsischem und wendischem Quartier der Hanse.

In Folge des Lüneburger Erbfolgekrieges wurde 1371 die landesherrliche Burg auf dem Kalkberg sowie das nahe Kloster zerstört. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte eine wirtschaftliche und politische Blüte ein, die bis um 1600 währt: Kirchen, Rathaus, Glockenhaus und zahlreiche Bürgerhäuser werden neu oder umgebaut, die Stadt festigte ihre faktische Unabhängigkeit von ihrem Stadtherrn.

Das wirtschaftliche Gedeihen Lüneburgs im Rahmen der Hanse fand nach 1600 ein Ende. Der seit der Reformation wieder erstarkenden Fürstenmacht hatte die Stadt, auch politisch durch inneren Zwist geschwächt, nichts mehr entgegen zu setzen. Obwohl der 30jährige Krieg in Lüneburg weniger Unheil anrichtet als anderswo, lag die Stadtwirtschaft am Boden und die Stadtverfassung wurde 1639 im Sinne des Stadtherrn revidiert, der Ende des 17. Jahrhundert mit Kalkberggarnison und Schloß am Markt wieder in Lüneburg präsent ist.

Im 18. Jahrhundert beschleunigte sich der politische und ökonomische Niedergang der Stadt, die zudem im 7jährigen Krieg schwer litt und um 1800 kurzzeitig zum Reich Napoleons gehörte. Die Saline ging in landesherrlichen Besitz über.

Nachdem im 19. Jahrhundert mit einigem wirtschaftlichen Erfolg das Speditionswesen an die Stelle der Saline getreten war, kam allmählich eine politische und ökonomische Modernisierung in Gang. Die Bedeutung Lüneburgs als Verwaltungszentrum wuchs durch die Landdrostei von 1823, aus der 1885 - 19 Jahre nach der Annexion Hannovers durch Preußen - die Preußische Bezirksregierung hervorging, sowie Gerichte, die nach der Trennung von Justiz und Verwaltung 1852 entstanden.

Die 1000jährige Salzgeschichte endete 1980. Die Stadt wird gerne auch als "Rothenburg des Nordens" apostrophiert, denn die Stadt gehört zu den wenigen Städten Norddeutschlands, die ihren historischen Kern unzerstört durch den Zweiten Weltkrieg retten konnten. Allerdings haben die Vernachlässigungen der Bausubstanz bis in die 1960er Jahre hinein und die Schäden im Senkungsgebiet zu Lücken im historischen Stadtbild geführt. Zusätzlich sorgten in den 1950er und 1960er Jahren der Abriß maroder Gebäude und der Bau von Kaufhäusern mit "moderner" Prägung für Brüche in der Optik so mancher Straßenzüge. Seit Anfang der 70er Jahre wird Lüneburg aber sorgsam und liebevoll restauriert.

Die historische Altstadt mutete für mich wie eine Art Freilichtmuseum an. Insbesondere wurde mir vor Augen geführt, wie einst die Städte Ostpreußens mit ihrer Backsteinarchitektur ausgesehen haben müssen. Besonders bewegend war für mich der Anblick des aus dicken Kieselsteinen hergestellten Pflasters. Ein identisches Pflaster hatte ich an so mancher Stelle in Ostpreußen noch gefunden….

Der Landkreis und die Stadt Lüneburg verzeichneten nach dem Krieg einen enormen Bevölkerungszuwachs. Im Jahre 1956 betrug die Einwohnerzahl des Landkreises 67.063. Zu den 35.085 Alteingesessenen kamen 23.468 Vertriebene, davon stammten allein 6.782 Ostpreußen. Das Wort von "Klein-Ostpreußen" in der Lüneburger Heide war damals ein geflügeltes Wort. Die Stadtbevölkerung selbst wuchs von 37.000 Einwohnern (1939) auf mehr als 60.000 im Jahre 1950 - ein Drittel davon waren Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten.

Nicht umsonst findet sich das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg. Zu meinem großen Bedauern war es zur Zeit meines Besuches wegen Umbaumaßnahmen geschlossen.

Leider hatte ich nur wenige Stunden Zeit für eine Besichtigung dieser höchst attraktiven Stadt. Viel mehr hätte ich mir noch anschauen können. Bedauerlicherweise änderte sich das Wetter im 15-Minuten-Takt und auch für einen Besuch des Salzmuseums hatte ich nicht genügend Zeit.

Blick über die Ilmenau auf Alten Kran, Lüner Mühle (links, 1576) und Abtsmühle (rechts, 1908). Der Alte Kran wird urkundlich schon 1346 erwähnt. Mit seiner Hilfe wurden im Mittelalter das Salz und andere Waren auf Schiffe gehoben und verladen. Im Innern des Krans befinden sich zwei hölzerne Treträder, die von Menschen, in der Regel Sträflinge, bedient wurden. Im Fluß liegt ein sogenannter Ewer, ein etwa 18 Meter langes Flußschiff mit wenig Tiefgang.
Rathaus. Die ältesten Teile des Rathauses entstanden um 1230. Von da an wurde es entsprechend der Bedürfnisse über die Jahrhunderte erweitert.
Gebäude an der Ecke Am Ochsenmarkt / Am Marienplatz. Rückseite des Rathauses.
Senkungsgebiet Auf dem Meere. Die Häuser dieses Bereiches stehen über dem Lüneburger Salzstock, der vom Grundwasser abgelaugt wird. Dadurch senkte sich die Erdoberfläche über dem Salzstock allmählich. Nach Intensivierung durch erhöhtes Soleabpumpen ab Mitte 19. Jahrhundert erreichte die Senkung an wechselnden Stellen 3–5 cm/Jahr (heute bis 3 mm). Es entstand das so genannte „Senkungsgebiet“.
Türdetail im Senkungsgebiet.
Görgesstraße
Am Sande. Heutige IHK. Der Renaissancebau aus dem Jahr 1548 mit seinem dekorativen Doppelgiebel hat in seiner über 400jährigen Existenz verschiedenste Funktionen erfüllt: er diente als Brauhaus, Gastwirtschaft, Einzelhandelsgeschäft und Staatsbank.
Alter Kran und Altes Kaufhaus. "Dat Heringshus" wurde es ursprünglich genannt: Dank des Salzes war der gewinnbringende Ostseehering ein bedeutendes Handelsgut. Händler transportierten das Lüneburger Salz über die Ilmenau nach Lübeck und brachten auf dem Rückweg Heringe mit. Sie wurden zusammen mit Stinten in dem Alten Kaufhaus verkauft. 1742 erhielt das Kaufhaus seine barocke Fassade.

Freilichtmuseum Cloppenburg

Auf dem Rückweg nach Hause legte ich noch einen Stop im Freilichtmuseum Museumsdorf Cloppenburg ein.

Haupthaus des Hofes Haake in Cappeln (Landkreis Cloppenburg). Baujahr 1793.
Dorfkirche aus Klein Escherde (Landkreis Hildesheim), erbaut 1699.
Tenne eines niederdeutschen Hallenhauses
Kokerwindmühle aus Edewecht (Landkreis Ammerland), erbaut 1879.
Gaststätte Dorfkrug. Haupthaus des Hofes Meyer zu Lahr aus Goldenstedt, erbaut 1780/1816; Giebel des Wirtschaftsteils von Hof Enneking aus Oldorf (Landkreis Vechta), errichtet 1747.