Reiseberichte zur Familienforschung in den Niederlanden 2008 - 2017

Bislang habe ich mehrere Reisen in die Niederlanden unternommen, um die Geschichte meiner niederländischen Vorfahren zu erforschen. Im August und September 2008 war ich in der Provinz Drenthe, 2010 in der Provinz Overijssel und 2017 in Friesland.

Meine Urgroßeltern mütterlicherseits waren beide Niederländer, die etwa im Jahr 1900 nach Münster ausgewandert waren. Da meine Urgroßeltern sehr alt geworden waren, konnte sich meine Mutter noch sehr gut an sie erinnern. Beide sprachen wohl nur rudimentär deutsch und mußten sich während des Dritten Reiches wöchentlich als Ausländer auf der Polizeistation melden. Dadurch, daß in den Niederlanden alle Zivilstandsregister digitalisiert und online (WieWasWie und AlleDrenten) gestellt sind, ist Familienforschung nicht sehr schwierig und man kommt schnell voran. Ziel meiner Ausflüge war es, mir die Orte anzuschauen, aus denen meine Vorfahren stammten und gegebenenfalls weitergehende Ergebnisse für meinen Stammbaum zu sammeln.

Drenthe: Dalen, Nieuw Amsterdam, Hoogeveen, Coevorden, Smilde und Assen

Übersichtskarte von Drenthe Da ein Großteil meiner Vorfahren aus der Provinz Drenthe stammt, gingen meine ersten Reisen 2008 dorthin. Von Münster aus führt der schnellste Weg nach Norden über die A 31 nach Meppen, von dort auf der E 233 nach Westen. Die Ländergrenze zwischen Deutschland und Holland ist im vereinigten Europa nur mehr durch Schilder gekennzeichnet. Direkt nach der Grenze verließ ich die autobahnähnliche Straße und fuhr in den Ort Klazienaveen. Hier lebten bis in die 1970er Jahre Nachkommen der Halbschwester meines Urgroßvaters, Johanna Ketzener. Klazienaveen ist ein typischer Ort aus der Zeit der Moorkultivierung. Parallel zur Hauptstraße verläuft einer der Hauptentwässerungskanäle der Region, die Verlengde Hoogeveense Vaart. Die abgebauten Moorflächen werden nunmehr agrarisch genutzt, entweder als Weidefläche für Vieh oder für Ackerbau, wobei Form und Größe der Felder die ehemaligen Torfabbauflächen widerspiegeln.

Weiter ging es auf der Hauptstraße bis zum etwa 5 km entfernten Ort Erica, in dem zahlreiche meiner Vorfahren gelebt hatten. 1882 starb dort Lambert Guit, der Vater meiner Urgroßmutter. Elf Jahre später Hendrik Bruinemeijer, der erste der in den Niederlanden geborenen und ursprünglich aus dem Münsterland stammenden Bruinemeijers. Erica ist ein recht überschaubarer Ort und relativ schnell hatte ich die katholische Kirche gefunden. Diese stellte sich aber als nicht historisch heraus und der niederländischen Gräberdatenbank (Graftombe) hatte ich entnommen, daß sich auf den angrenzenden Friedhof keine Gräber meiner Vorfahren befanden.

Ich fuhr auf der Hauptstraße nach Westen, diese wurde immer noch von dem Entwässerungskanal flankiert, auf dem an einigen Stellen Hausboote festgemacht hatten. Bei dem miserablen Wetter, es regnete in Strömen und war extrem windig und kalt, nahm ich mir nicht mehr Zeit, den Anblick zu genießen. Nächstes Ziel war der Geburtsort meiner Urgroßmutter, Nieuw Amsterdam. Direkt an der Hauptstraße sah ich eine sehr große, aus Backstein hergestellte Kirche liegen. Ein Schild wies sie als protestantische Kirche aus. Ich hielt auf dem angrenzenden Parkplatz und stellte fest, daß die Kirchentüren verschlossen waren. Trotz des schlechten Wetters sah ich auf einmal eine Person aus dem angrenzenden Haus auf mich zukommen. Der Mann sprach mich an und fragte, ob er mir helfen könne. Ich berichtete die Geschichte meiner Urgroßmutter, und daß ich auf ihren Spuren wandelte. Flugs hatte der Mann beim Haus des Küsters geklingelt und mir wurde von der freundlichen Frau des Küsters die Kirche aufgeschlossen. Baujahr der Kirche war 1928, also konnte meine Urgroßmutter hier nicht getauft worden sein. Der nette Herr verwickelte mich in ein Gespräch und lud mich sogar zu einem Kaffee in seinem Haus ein. Ich war völlig perplex, nahm die Einladung aber gerne an. Als ich ihm den Geburtsnamen meiner Urgroßmutter, Roelofje Guit, nannte, war die Überraschung komplett, denn er war auch ein direkter Abkömmling der Guits! Schnell stand sein Notebook auf dem Tisch und eine Familienchronik wurde geholt. In der Tat, wir entstammten denselben Familien! Das mußte doch mehr als Zufall sein. Da die Zeit voranschritt, mußte ich leider diesen netten Niederländer verlassen.
Nieuw Amsterdam ist ebenso wie die ersten beiden besuchten Orte eine relativ neue Gründung. Die Stadt entwickelte sich entlang des Kanals, hier findet sich auch heute noch eine schöne typisch niederländische Windmühle aus dem 19. Jahrhundert.

Unweit von Nieuw Amsterdam liegt der Geburtsort meines Urgroßvaters, das Dorf Dalen. Bei diesem Besuch vor Ort war es für mich unschwer vorstellbar, wie sich meine Großeltern kennengelernt hatten, denn Luftlinie trennen die Orte nur wenige Kilometer. Dalen ist allerdings im Gegensatz zu Nieuw Amsterdam ein sehr altes Eschdorf, welches bereits 1225 urkundlich erwähnt wurde. Sofort springt auch einem heutigen Besucher die unterschiedliche Historie der beiden Orte ins Auge. Ist Nieuw Amsterdam eine längliche Siedlung entlang des Kanals, so ist Dalen hingegen fast wie ein westfälisches Dorf strukturiert: Kirche und Friedhof im Zentrum und darum die Bauernhäuser gelegen. Am Rande des Ortes beginnt die landwirtschaftliche Fläche, deren Felder aber unregelmäßige Formen haben und nicht die Streifenflur der ehemaligen Torfabbaugebiete. Besonders auffällig waren in Dalen noch die zahlreichen wunderschönen reetgedeckten Bauernhäuser. In einem von diesen, dem Kozakkenhove aus dem 18. Jahrhundert, übernachtete ich. Die überaus freundlichen Besitzer des Hauses, selbst historisch sehr interessiert, beschafften mir Literatur über die Geschichte Dalens, die mir sehr weiterhalf.

Hauptattraktionen von Dalen sind die beiden wunderschön restaurierten Windmühlen Jan Pol und De Bente, beide vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Ausgesprochen sehenswert ist auch die hervormde Kirche von 1824, deren Anfänge aus dem 14. Jahrhundert datieren. Viel Zeit nahm ich mir auch beim Besuch des angrenzenden Friedhofs. Im Gegensatz zu Deutschland finden sich auf niederländischen Friedhöfen zahlreiche steinalte Gräber, die nicht eingeebnet werden.

Nur 5 km von Dalen entfernt, direkt an der deutschen Grenze bei Emlichheim, befindet sich die historische Stadt Coevorden. 1036 zum ersten Mal erwähnt lag die Stadt strategisch äußerst günstig an dem Weg von Münster nach Groningen. Seit dem 16. Jahrhundert wurde Coevorden zu einer stark befestigten Festungsstadt ausgebaut.

Bei meinen beiden Besuchen herrschte leider miserables Wetter, es war kalt und goß in Strömen. Trotzdem versuchte ich eine kleine Stadtbesichtigung. Vom zentralen Platz in der Stadt zweigen fingerförmig einige Straßen ab, die heute als Fußgängerzone dienen. Sehr eindrucksvoll waren einige historische Gebäude, so unter anderem ein noch aus dem Dreißigjährigen Kriege datierendes Haus mit Inschrift in lokalem Dialekt. Auch die protestantische Kirche aus dem Jahre 1641 war sehr sehenswert. Direkt am Rande der ehemaligen, nunmehr teilweise restaurierten Befestigungsanlagen, steht das sogenannte Kastell aus dem 13. Jahrhundert. Von außen wunderschön restauriert hatte es offenbar bis vor einiger Zeit ein Restaurant beherbergt. Coevorden spielt in meinem Stammbaum insofern eine Rolle, als daß der Stammvater der Ketzeners, Georg, von Franken kommend dorthin gegen 1807 auswanderte. Er heiratete die aus Coevorden stammende Johanna Meijer und alle Kinder wurden ab 1808 in Coevorden geboren.

Besucht habe ich auch die in Drenthe liegende Stadt Hoogeveen. 1625 begann man hier mit dem Torfabbau. Zu diesem Zwecke wurde auch die Hoogeveensche Vaart angelegt, der Kanal, an dem auch Nieuw Amsterdam, Erica und Kazienaveen liegen. Ein Großteil der Vorfahren meiner Urgroßmutter, die Prins, Ebelties und Ter Braak stammten aus Hoogeveen, viele allerdings aus dem südlich angrenzenden Torfabbaugebiet Hollandsche Veld, wobei sogar die Hausnummern überliefert sind. Hoogeveens Innenstadt hat einen merkwürdigen Charakter, auffällig ist die völlig überdimensioniert wirkende Hauptstraße. Das rührt daher, daß hier ursprünglich die Hoogeveensche Vaart begann. Erst im 20. Jahrhundert wurde dieser Teil des Kanals zugeschüttet und darauf die Hauptstraße angelegt. Von dieser Zeit zeugen noch die kleinen, nunmehr rechts und links der Hauptstraße gelegenen ehemaligen Fischerhäuschen.
Nicht weit entfernt liegt der durch eine autobahnähnliche Schnellstraße abgetrennte Vorort Hollandscheveld. Mithilfe einer mitgenommenen historischen Karte konnte ich die ehemalige Struktur dieses Bereiches recht gut rekonstruieren. Die frühere Erschließungsstraße zu den Torffeldern hatte ihre Streckenführung nicht verändert. Zu ihren Seiten stehen auch heute noch einige historische Bauernhäuser, mit Reet gedeckt und liebevoll restauriert. Hinter den Häusern sieht man die schmalen Streifen der ehemaligen Torffelder, heute als Grünland genutzt. Diese Gegend, auf der ich nun stand, hatten meine Vorfahren kultiviert! Direkt angrenzend an das alte Torfabbaugebiet liegt der Ortsteil Hollandscheveld mit der Kirche von 1851, die einige meiner Vorfahren noch erlebt haben dürften.

Interessant war auch der Besuch in Smilde, bei Assen liegend, denn alle Guits stammten ursprünglich aus diesem Ort. Dieser erstreckt sich über 17 km und teilt sich in drei Ortsteile: Bovensmilde (Nordosten), Hijkersmilde und Hoogersmilde (beide südwestlich). Wie schon Hoogeveen oder Nieuw Amsterdam erstreckt sich der Ort entlang eines Kanals, hier die Drentse Hoofdvaart. Noch extremer als wie bei Nieuw Amsterdam erkennt man die Struktur des ehemaligen Torfabbaugebietes. Eine Häuserreihe zieht sich entlang es Kanals, dahinter beginnen riesige Grünflächen, die auch heute noch von Entwässerungsgräben durchzogen sind. Auch hier begann der Torfabbau zu Beginn des 17. Jahrhunderts und war höchst erfolgreich. Zeugnis davon liefert die im Jahre 1780 erbaute, für den Ort ziemlich überdimensionierte hervormde Kirche. Ich besuchte bei strömendem Regen den Friedhof von Smilde und war erneut über die teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gräber erstaunt. Namen meiner Vorfahren las ich nicht, diese konnten sich vielleicht nur Holzkreuze leisten, die die Jahrhunderte nicht überstanden haben.

Einige Stunden verbrachte ich auch im nahegelegenen Assen, diesmal bei großer Wärme und strahlendem Sonnenschein. Ziel war das in Assen gelegene Drents Archief, "der" Ort für historische Forschungen in der Provinz Drenthe. Sehr freundlich und professionell wurde ich empfangen und in kürzester Zeit wurden mir die gewünschten Kirchenbücher im Original vorgelegt. Zu meinem Bedauern existiert auch in den Niederlanden eine Sonderregelung für katholische Kirchenbücher. Das von mir gewünschte Buch ist zwar im Drents Archief vorhanden, darf aber nur ausgeliehen werden, wenn vorher bei der entsprechenden Kirchengemeinde ein Antrag gestellt wird. Ob dieser genehmigt wird, ist nicht vorhersehbar. Konkret ging es bei den Recherchen um meinen Urgroßvater, dessen Konfession nirgendwo überliefert ist. Da seine Geburt im entsprechenden protestantischen Kirchenbuch von Dalen nicht zu finden ist, war er augenscheinlich katholisch. Auch in Münster besuchte er nach Erinnerung meiner Mutter die katholischen Gottesdienste.

Leider blieb zu einer weitergehenden Besichtigung von Assen keine Zeit mehr. Das war sicher bedauerlich, denn die Umgebung des Archivs machte einen sehr gepflegten und attraktiven Eindruck.
Nächstes Ziel der Reise war das auf halbem Wege zwischen Assen und Emmen gelegene Freiluftmuseum "Ellert en Brammert" bei Schoonnord. Bei immer noch traumhaftem Wetter machte der Rundgang durch das riesige Areal ausgesprochen Spaß. Die zahlreichen Gebäude vermitteln einen hervorragenden Eindruck über das frühere Leben in der Provinz Drenthe. Plaggenhütten, Arbeiterhäuser, Bauernhaus, Schule, Kirche, Schmiede etc. zeugen eindrucksvoll vom schweren Leben in früheren Jahrhunderten. Geradezu erschreckend war eine Photoausstellung im letzten Gebäude vor dem Ausgang. Hier waren Photographien in ausgestellt, die das Leben der Torfgräber in den Moorabbaugebieten Drenthes bis in die 1930er Jahre dokumentierten. Diese Photos stellten auch das Innere der Plaggenhütten dar, die im Museum zu sehen sind. Für heutige Menschen ist die Lebenssituation dieser Großfamilien inmitten der riesigen Moore unvorstellbar. Vor meinem geistigen Auge sah ich auch meine Vorfahren diese schwere Arbeit verrichteten und unter solchen ärmlichen Bedingungen leben.

Overijssel: Gramsbergen, Avereest, Ommen, Hardenberg

Übersichtskarte von Overijssel An einem Feiertag im extrem kalten Mai des Jahres 2010 entschloß ich mich, mir die Gegend in den Niederlanden anzuschauen, in die mein westfälischer Vorfahre Hermann Heinrich Brünemeier Anfang des 19. Jahrhunderts ausgewandert war. Um die Strecke nachzuvollziehen, die er als sogenannter Hollandgänger von Lengerich/Westf. aus genommen hatte, fuhr ich nach Ibbenbüren. Dort folgt die Trasse der heutigen A 30 der alten Postroute nach Westen nach Rheine. Ich fuhr von dort aus weiter nach Nordhorn, wo ich wiederum auf die Streckenführung einer alten Postroute traf, heute die B 403. Über Uelsen geht es auf einer schnurgeraden Straße durch das hügelige Waldareal der Wilsumer Berge direkt in Richtung der niederländischen Grenze. Unmittelbar an der Grenze ändert sich die Landschaft: man schaut von den Hügeln auf die ehemaligen Torfgebiete, die heute agrarisch genutzt werden.

Durch diese tischflachen Flächen, vorbei an einer Windmühle von 1861 bei Radewijk, ging es nach Gramsbergen. Über die Frühgeschichte Gramsbergens ist nicht viel bekannt. Vermutlich wurde der Ort im 13. Jahrhundert gegründet und hatte auch 1748 nicht mehr als 342 Einwohner. Stadtrechte erhielt das Dörfchen 1816. Das war knapp 20 Jahre, bevor meine Ururgroßmutter Femmigje Bruinemeyer dort geboren wurde.
Der kleine Ort stellte sich als wunderschön heraus mit einer Kirche, die das Datum 1776 trät, im Mittelpunkt. Das verwundert, denn 1777 kam es im Dorf zu einem verheerenden Brand, dem zwei Drittel aller Gebäude zum Opfer fielen. Die Struktur des Ortes entspricht also einem gewachsenen Dorf und nicht einer geplanten Veenkolonie. An mehreren Straßen befinden sich hervorragend restaurierte, historische Gebäude. Mehrere Cafés und sogar ein Museum, welches bedauerlicherweise auf den heutigen Feiertag geschlossen hatte, ließen darauf schließen, daß man hier auch auf Tourismus eingestellt ist. Ich war mehr als positiv überrascht!

Über eine schnurgerade Straße mit der für Veenkolonien typischen Randbebauung ging es weiter Richtung Avereest. Bewußt wählte ich hinter dem Ort Lutten eine Nebenstraße, die teilweise an einem Kanal entlang führte. Streckenweise war dieser Kanal aber bereits zugeschüttet worden. Am Ende der Straße, in Dedemsvaart, stand ich unvermittelt vor einem Freilichtmuseum. Es handelt sich um die circa 1820 an dem Kanal Dedemsvaart errichteten Kalköfen. Der Baron van Deden hatte hier die Initiative ergriffen. Aus der Region wurde der abgebaute Torf auf Schiffe verladen und zur Küste gebracht. Auf dem Rückweg brachten die Schiffe Muscheln mit, die dann in den Öfen zu Muschelkalk gebrannt wurden. Dieser Kalk wurde nicht nur in der Bauindustrie verwendet, sondern in hohem Maße auch zur Bodenmelioration, denn der Boden unter den abgetorften Flächen war sehr sauer.

In dem kleinen Heimatmuseum kam ich schnell ins Gespräch mit den netten Angestellten, denen ich meine Familiengeschichte schilderte. Vom Museum aus führt einer Hauptstraße, typisch für eine Moorsiedlung, entlang eines Kanals.

Avereest hat eine zweigeteilte Geschichte. In dem Bereich, wo in Oud (Alt) Avereest bereits 1236 eine Kirche gegründet wurde, schauten Sandhügel aus dem umgebenden Moor heraus. Hier entstand folglich die erste Siedlung. Während in Friesland bereits im 16. Jahrhundert mit der Moorkultivierung begonnen wurde, folgten Drenthe und Groningen im 17. Jahrhundert und das nördliche Overijssel erst Anfang des 19. Jahrhunderts. 1808 wurde mit der Anlage des dafür notwendigen Kanals, der Dedemsvaart begonnen. 1827 wurde nach zahlreichen - vor allem finanziellen - Schwierigkeiten der Endpunkt Ane bei Gramsbergen erreicht. Anfang 1819 heiratete in Avereest der immerhin schon 33jährige Hermann Heinrich Brünemeier aus Lengerich Annegien Klaas Prins, die aus dem unweit gelegenen Hoogeveen stammte. Die Gemeinde Avereest war erst im Jahr zuvor aus dem Schoutambt Ommen ausgegliedert worden. Da zu dieser Zeit in Avereest noch kein Torfabbau betrieben wurde, steht zu vermuten, daß Brünemeier beim Graben des Kanals beschäftigt war.

Ich bog bald vom Hauptkanal nach links ab und folgte der schmalen Straße entlang des Ommer Kanals, der durch die typischen ehemaligen Moorgebiete führte. Gesäumt wurde die Straße von einigen Bauernhöfen in deren Hinterland sich die riesigen, blockartigen Landwirtschaftsflächen erstrecken.

Bald war die Stadt Ommen erreicht. Ommen liegt an der Overijsselschen Vecht auf einer kleinen Anhöhe. Die Stadt kann auf eine lange Historie zurückschauen, denn sie erhielt bereits 1248 Stadtrechte. 1492 wurde eine Brücke über die Vecht geschlagen. Bis 1795 umfaßte das Schoutambt Ommen auch die späteren Gemeinden Avereest und Den Ham. 1818 erfolgt die Aufteilung der Gemeinde Ommen in die Gemeinden Avereest, Stad Ommen und Ambt Ommen.

Hermann Heinrich Brünemeier, oder wie er sich in den Niederlanden nannte, Harm Hendrik Bruinemeyer und seine Frau sind dann 1824 nach Ommen gezogen. Der Baron van Dedem steckte zu dieser Zeit in ernormen Geldschwierigkeiten beim Bau des Kanals, den er ein Jahr später an das Reich verkaufen mußte. Dies mag auch als weiteres Indiz dafür gelten, daß Brünemeier im Kanalbau beschäftigt war.

Auf der dem Stadtzentrum gegenüberliegenden Seite des Flusses, auf dem heute zahlreiche private Ausflugsboote liegen, fiel sofort eine historische Windmühle von 1806 ins Auge. Leider befindet sich dahinter ein ausgesprochen häßliches Neubaugebiet im Stile von Plattenbauten. Im Zentrum der Altstadt von Ommen steht sich eine recht große Kirche, deren Ursprünge im Jahr 1238 liegen. Die Häuser aus der umliegenden Fußgängerzone stammen meiner Einschätzung nach eher aus der Zeit 1900, als daß sie älter sind. Da wegen des Feiertages alle Geschäfte geschlossen waren und auch wegen der Temperaturen von nur 8° war es recht ruhig in der Stadt. Direkt am Fluß, gegenüber der Windmühle, fiel ein großes historisches Gebäude ins Auge, in dem heute das nationale Zinnfigurenmuseum untergebracht ist.

Der Heimweg führte mich über Hardenberg, "dem" späteren Hauptort für die Hollandgänger. Auch Hardenberg liegt an der Overijsselschen Vecht, aber weil die Altstadt Fußgängerzone ist, hatte ich keine Möglichkeit mehr zur Besichtigung, da die Zeit drängte. In nur wenigen Minuten Fahrt war wiederum die Grenze nach Deutschland erreicht.