Unseren Weihnachtsurlaub wollten wir im Jahre 2002 wieder einmal in der Karibik verbringen. Wie schon 1997/98 bei unserem Urlaub auf Puerto Rico galten die gleichen Prämissen: kein All-inclusive-Hotel, möglichst keine deutschen Touristen - ebenfalls wieder ein schwieriges Unterfangen. Diesmal entschieden wir uns für die seit 1979 unabhängige, aber immer noch zum Britischen Commonwealth gehörende Insel St. Lucia in den Kleinen Antillen. .
Ebenfalls wie damals flogen wir in der ausgezeichneten Comfort Class der Condor ab Frankfurt und erreichten nach 9 Stunden unser Ziel: den Flughafen Hewanorra an der Südspitze der Insel gelegen. Weil der Flug eine 2stündige Verspätung hatte, landeten wir erst am Spätnachmittag, trotzdem war es etwa 28° C warm. Nach einer peniblen Kontrolle durch den in seiner Uniform noch sehr englisch wirkenden Immigration Officer konnten wir unser Gepäck in Empfang nehmen. Der für unseren Transfer vorab bestellte Kleinbus wartete schon auf uns und brachte uns in ca. 1,5stündiger Fahrt zu unserem Hotel. Glücklicherweise war es beim ersten Teil der Fahrt noch hell, so daß wir einen ersten Eindruck von der Insel bekamen: Bananenplantagen, kleine Orte, bewohnt von pechschwarzen Menschen und eine Passage über einen sehr hohen Berg beeindruckten uns. Als wir die Hauptstadt Castries durchquerten war es schon stockdunkel, wodurch allerdings das dort am Kai liegende, hell erleuchtete Kreuzfahrtschiff noch imposanter wirkte! Endlich hatten wir unser Hotel, das Royal St. Lucian in Rodney Bay erreicht, welches mich in der Architektur sofort an das Central Hotel in Hua Hin erinnerte. Wir wurden sehr freundlich begrüßt und konnten unsere Suite beziehen.
Den nächsten Tag nutzten wir zu einem Fußmarsch zu einem nahe gelegenen Shoppingcenter, welches uns vor allem durch seine hohen Preise beeindruckte. Weiter ging es entlang der Hauptstraße zum Hafen von Rodney Bay, der Rodney Bay Marina. Dort fanden wir ca. 250 Segelboote der unterschiedlichsten Größen vor, die gerade an der Atlantic Rally for Cruisers ARC von den Kanarischen Inseln nach St. Lucia teilgenommen hatten. Ein imposantes Bild! Im Hafen befand sich auch die Zoll- und Einwanderungsbehörde, zwei Banken sowie einige kleine Geschäfte.
Zurück in unserem Hotel wurden wir vom Hoteldirektor, einem Schotten, angesprochen, der gerne wissen wollte, warum bis vor einigen Jahren 65 % seiner Gäste aus Deutschland gekommen wären und heute so gut wie niemand. Am Ende unseres Urlaubes konnten wir ihm sagen, warum! Den Rest des Tages verbrachten wir am wunderschönen Sandstrand des Hotels. Da es sich um einen öffentlichen Strand handelte, wie überall auf St. Lucia, wurde man schon mal von fliegenden Händlern angesprochen. Gab man denen unmißverständlich zu verstehen, daß man keine Kaufabsichten hege, ließen sie uns schnell in Ruhe. Am Strand war übrigens "oben ohne" verboten, eine Touristin neben mir wurde vom Wachmann des Hotels auf diese Regel unmißverständlich aufmerksam gemacht. In den nächsten Tagen herrschten nach Aussage der Einheimischen extrem ungewöhnliche Windverhältnisse, die zu einer enormen Wellenbildung von bis zu 3 Metern führte. Ich konnte es nicht sein lassen und stürzte mich mit meinem body board in die Wellen. Die Situation war allerdings nicht gerade günstig zum Surfen. Der Wellen brachen sehr nah am Strand, der extrem hoch aufgeschwemmt war. Quintessenz: Wurde man von einer sehr starken Welle mitgetragen, schmetterte es einen auf den Strand - Sand in Ohren und Nase plus Abschürfungen inklusive. Trotzdem machte es unheimlich Spaß.
Am ersten Samstag in unserem Urlaub nahmen wir ein Taxi zur 9 km entfernten Hauptstadt Castries, da im Reiseführer von einem pittoresken Markt berichtet wurde. Wieder einmal bekamen wir einen Einblick in das Preisniveau auf der Insel. Die halbstündige Fahrt kostete 40 EC $ (1 EC = Eastern Caribbean Dollar, ca. 0,90 DM). Wahnsinn. Der Markt findet hauptsächlich in einer noch aus Kolonialzeiten stammenden, direkt am Hafen gelegenen Markthalle statt. Man bekam einen hervorragenden Einblick in die auf der Insel angebauten Früchte: Bananen, Maniok, Cassava, Ingwer, Muskatnüsse, Orangen, Limonen und vieles mehr. Besucht wurde der Markt in erster Linie von Einheimischen, die sich mit Lebensmitteln eindeckten. Allerdings befand sich zur Zeit unseres Besuches auch kein Kreuzfahrtschiff im Hafen. Gegenüber dem Lebensmittelmarkt befand sich ein Markt für Kleidung und Kitsch aller Art, wo wir aufdringlich zum Kauf aufgefordert wurden.
Nach dem Marktbesuch besichtigten wir die Stadt, in der unglaubliche Geschäftigkeit herrschte. Wieder fiel uns die pechschwarze Hautfarbe der Einheimischen auf. Mischlinge sah man so gut wie gar nicht, einige ganz wenige Leute hatten augenscheinlich indische Ahnen. Offensichtlich handelte es sich bei der Bevölkerung zu ca. 95 % um die reinrassigen Nachkommen von aus Afrika importierten Sklaven. Umgangssprache war Patois, ein französischer Dialekt, von dem man auch bei guten Französischkenntnissen nur einzelne Worte versteht. Amtssprache ist Englisch in gewöhnungsbedürftiger Aussprache.
Unser erster Gang führte uns zum Stadtzentrum, dem Derek Walcott Square. Walcott ist wohl der berühmteste St. Lucianer, denn er erhielt 1992 den Literaturnobelpreis. Auf dem Platz befand sich eine Büste des Dichters, imposanter war allerdings ein auf dem Gelände befindlicher 400 Jahre alter Samaan-Baum, der in der Wärme angenehmen Schatten spendete.
An der Westseite des Platzes befand sich die im viktorianischen Stil gehaltene Öffentliche Bibliothek, gegenüber die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis, Sitz der Erzdiözese der östlichen Karibik. Das Innere der Kirche wurde mit farbenfrohen Szenen aus der Bibel für den Besuch des Papstes 1985 bemalt und erinnerte mich in der Farbgestaltung an die bunten Kirchen auf Zypern. Interessant war der Besuch der Gassen hinter der Kathedrale, in denen an jenem Samstag das pralle karibische Leben tobte. Sehr gewöhnungsbedürftig waren die tiefen, offenen Regenwasserkanäle entlang der Bordsteine, über die man zum Überqueren der Straßen immer springen mußte. Hier sahen wir auch die ersten noch aus der Kolonialzeit stammenden Holzhäuser mit ihren typischen geschnitzten Giebelverzierungen.
Auf dringende Empfehlung unseres Reiseführers wollten wir nunmehr unbedingt zum am Pointe Seraphine gelegenen Shoppingdorf, in welchem man angeblich sehr günstig "Duty Free" einkaufen könne. Die 5minütige Fahrt dorthin kostete uns 6 EC $! Ein glatte Unverschämtheit aber ein günstigeres Taxi war nicht zu bekommen. Der Besuch des Shoppingdorfes war der Flop des Tages. In Ermangelung von Kreuzfahrtkundschaft waren wir die einzigen Besucher in diesem im mediterranen Baustil errichteten "Dorf". Verkauft wurde überwiegend Jadeschmuck aus Kolumbien, Rum und (Sommer-) Kleidung. Eine kurze Männerhose, wohlgemerkt kein Designerstück, sollte sage und schreibe 238 EC $ kosten! Völlig entnervt verließen wir das Dorf und durften wieder 40 EC $ für die Rückfahrt zum Hotel bezahlen.
In Anbetracht dieses Erlebnisses verbrachten wir die nächsten Tage am Strand, wo sich die Touristen in ca. 50 % Amerikaner und 50 % Briten teilten. Deutsche sah man quasi nicht. Ab und an kamen Wagenladungen voll mit Kreuzfahrttouristen auf Landgang, sehr schön erkenntlich an den in identischen Farben gehaltenen Handtüchern. Nach 2-3 Stunden mußten alle zum Glück immer wieder zurück auf das Schiff. Abends war täglich bei uns im Hotel Liveunterhaltung - allerdings trotz wunderschöner offener Räumlichkeiten spielten die Gruppen fast ausschließlich vor leeren Rängen. Ganz anders sah es in unserem nebenan gelegenen All-inclusive-Schwesternhotel Rex St. Lucian aus. Dort gab es auch allabendliche Unterhaltung aber die Räumlichkeit war bestens besucht, weil die Gäste die Getränke dort nicht bezahlen brauchten. In unserem Hotel zogen es viele Gäste vor, im Supermarkt gekaufte Getränkte auf den Terrassen oder Balkonen zu trinken oder in eine der nahe gelegenen offenen Restaurants oder Kneipen zu gehen, in denen das Preisniveau niedriger war. Einzig gut besucht in unserem Hotel war das 5-Sterne-Restaurant "Chic", angeblich einem der besten in der Karibik. Leider hatte man sich dort die amerikanische Art des Servierens angewöhnt: quasi mit der einen Hand wird die Vorspeise abgeräumt und mit der anderen das Hauptgericht serviert. Das Essen war allerdings in der Tat sehr gut.
Am ersten Weihnachtstag konnten wir dann endlich unseren Mietwagen am Flughafen in Castries in Empfang nehmen. "Als Weihnachtsgeschenk", wie die nette Avis-Angestellte sagte, bekamen wir einen Wagen 3 Kategorien größer als gebucht und brandneu. Der schicke Nissan hatte gerade einmal 18 Meilen auf dem Tacho! Da wegen des Feiertages glücklicherweise kaum Verkehr herrschte, konnte ich mich in Ruhe wieder an den Linksverkehr gewöhnen. Nach den Urlauben in Zypern und Irland im Sommer hatte ich nun schon eine gewisse Routine, trotzdem waren die Straßenverhältnisse gewöhnungsbedürftig. Mitten in an und für sich recht gut asphaltierten Straßen klafften enorme Schlaglöcher oder Tiere sprangen unvermittelt auf die Fahrbahn. Das Fahren auf der Insel ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven, wobei man trotzdem positiv bemerken muß, daß die Einheimischen sehr rücksichtsvoll mit autofahrenden Touristen umgingen.
Unsere erste Tour mit dem "eigenen" Wagen führte uns zum Pigeon Point, den wir vom Hotelstrand immer sehen konnten. Pigeon Island diente schon im 16. Jht. Piraten als Ankerplatz, später errichteten die Briten Befestigungsanlagen, die wir gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes von 13 EC $ besichtigen konnten. Als erstes kletterten wir auf den Aussichtspunkt Fort Rodney, von dem sich ein sagenhafter Blick auf Rodney Bay, die Südküste St. Lucias bis über das Meer hin nach Martinique bot. Unvergeßlich! Im Park selbst gab es eine Ausstellung über die diversen Kämpfe zwischen Briten und Franzosen im 18. Jht. in der Region sowie Offiziersunterkünfte etc. zu sehen.
Auf dem Rückwerg zum Hotel wollten wir das ganz in der Nähe liegende All-inclusive-Hotel Sandals besichtigen, was uns extrem schwer gemacht wurde. Wir wurden von Wachmann zu Wachmann geleitet, an der Rezeption deponiert, bis sich endlich jemand für eine Führung fand. Unser Eindruck: ein sehr schönes Resort, allerdings völlig von der Außenwelt abgeschottet. Wir fühlten uns wie Eindringlinge.
Am nächsten Tag stand eine weite Tour an die Südostküste der Insel nach Soufriere auf dem Programm. Da es sich um den 2. Weihnachtstag handelte, war wenig Verkehr zu erwarten. Los ging es morgens gen Süden. Mit vereinten Kräften ging es durch Castries, was in völliger Ermangelung von Hinweisschildern nicht gerade einfach war. Südlich von Castries durchquert man eines der wenigen flachen Gebiete der Insel, in dem sich ein Gewerbegebiet sowie die Müllkippe der Insel befand. Danach ging es in atemberaubenden Serpentinen mit enormen Steigungen parallel zur Küste weiter. Hin und wieder boten sich phantastische Ausblicke über das karibische Meer. Zu sehr konnte ich aber nicht schauen, da ich mich so sehr auf das Fahren konzentrieren mußte.
Nach 1,5stündiger Kurverei kamen wir endlich in Soufriere an und ich brauchte dringend ein Erholungspause. Wir fanden direkt am Hafenkai eine Parkmöglichkeit und wurden durch unglaublich laute Musik begrüßt. Am Pier hatten 2 Katamarane festgemacht, die sich gegenseitig ohrenbetäubend beschallten. Das eine Boot war beladen mit Einheimischen in karibischer Festkleidung, das andere mit weißen Touristen. Alle hatten sich offenbar schon an dem guten Bounty Rum der Insel berauscht und die Stimmung war überschwenglich. Wir hingegen schauten uns die Häuser an, die ihre beste Zeit schon vor Jahrzehnten erlebt hatten. Die viktorianischen Gebäude waren überwiegend aus Holz gefertigt und wunderschön verziert. Auffällig war die für den Ort sehr große, typische englische Steinkirche. Unangenehm nahmen wir die offenen Abwasserkanäle entlang der Bordsteine zur Kenntnis, durch die eine graue, sehr nach Abwasser aussehende Flüssigkeit floß, die allerdings nicht roch. Heute wohnen in Soufriere noch etwa 9000 Einwohner, zu französischer Zeit war es sogar die Hauptstadt der Insel.