Ein Tagesausflug nach Kauai

Zwischen 1993 und 2008 war ich bislang insgesamt sechs Mal auf O'ahu, um dort Urlaube zu verbringen. 1995 flog ich von dort aus zu einem Tagesausflug nach "Big Island" Hawaii und 2004 besuchte ich Maui. Am vorletzten Dezembertag des Jahres 2007 stand nun ein Tagesausflug nach Kauai an. Praktischerweise konnte man nunmehr von Deutschland aus die interhawaiianischen Flüge buchen, das war früher nicht möglich gewesen. Somit konnten wir ganz entspannt dem Reisetag entgegensehen.

Gar nicht mehr entspannt war ich allerdings morgens vor der Abreise im Hotel. Da es für das Valet-Personal immer 20 Minuten dauerte, bis sie unser Auto lieferten, hatten wir wohlweislich den Wagen am Tag vorher vorbestellt. Was natürlich um 6 Uhr morgens nicht vor unserem Hotel stand war unser Auto und von dem Valet war weit und breit nichts zu sehen. Der hilfsbereite Bell Boy versuchte zu retten was noch zu retten war. Nach zig Telefonaten und Warterei, derweil uns die Zeit davonlief, erschien schließlich ein Manager und wir bekamen die Erlaubnis, mit einem Taxi zum Flughafen zu fahren.

Buchstäblich auf die letzte Minute erschienen wir am Schalter von Aloha Airlines. Nach einem akribischen Sicherheitscheck, selbst für den 30 Minuten-Flug muß man die Schuhe ausziehen, ging es in der vollbesetzten Maschine los. Um 8 Uhr morgens erreichten wir den erstaunlich großen Flughafen von Lihue. Ganz im Gegensatz zu Maui, wo sich die Mietwagenstation direkt neben dem Terminal befand, wurden wir hier mit einem Bus abgeholt und konnten unser ebenfalls vorab gebuchtes Auto entgegennehmen.

Hauptziel unserer Reise sollte natürlich "die" Attraktion der Insel sein, der Waimea Canyon, auch apostrophiert als "Grand Canyon of the Pacific". Leider ließ uns auf Kauai, wie auch schon auf O'ahu, das Wetter im Stich. Es war ziemlich kühl und oft auch regnerisch. Auf recht gut ausgebauten Straßen fuhren wir nach Westen, teilweise bot sich ein Blick auf die grün bewachsenen, leider jetzt regenverhangenen, hohen Berge. Bei Hanapepe erreichten wir die Südküste, die an dieser Stelle, zumal bei dem Wetter, einen wilden, unberührten Eindruck machte. Wir durchquerten Waimea, verpaßten aber dort den Abzweig zum Canyon und fuhren weiter bis Kekaha und nahmen dort die Straße ins Landesinnere. Die Koke'e Road wandt sich stetig den Berg hoch, bald passierten wir die ersten Aussichtspunkte über den Canyon. Da das Wetter immer schlechter wurde, wollten wir aber schnellstmöglich das Ende der Straße erreichen. Diese wurde, gerade auf den letzten 10 km, extrem schlecht. Hier mußten wir feststellen, daß auch Kauai nicht frei von militärischen Anlagen ist. Direkt an der Straße liegt eine große Lauschstation der Amerikaner, die von hier aus den gesamten pazifischen Raum kontrollieren. Mehrmals im Jahr beschränken sich die Militärs allerdings nicht nur auf Lauschen, dann wir die gesamte Westküste gesperrt, weil Testraketen ins Meer gefeuert werden.
Nach 1,5 Stunden Fahrt von Lihue aus hatten wir endlich den Pu'u Kila Lookout über die berühmte Na Pali Nordküste erreicht. Das Panorama war in der Tat spektakulär, von hier aus fallen die Steilklippen 1200 m bis auf den Meeresspiegel hinab. Das Wetter in der Höhe war bei Nieselregen allerdings sehr ungemütlich. Dies störte die zahlreichen auf der Insel herumlaufenden Hühner nicht, die angeblich Nachkommen der Djungle Fowl sind, die die tahitanischen Einwanderer mit auf die Insel brachten.

Da die Straße vom Aussichtspunkt aus nicht weiterführt, muß man zwangsweise den gleichen Weg wieder zurück fahren. Hierfür nahmen wir uns ausgiebig Zeit, um an den diversen Aussichtspunkten anzuhalten. Leider machte uns auch hier meistens das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Trotzdem war augenscheinlich, wie der Canyon zu seinem Spitznamen gekommen war: die Ähnlichkeit mit dem Grand Canyon in Arizona liegt wirklich auf der Hand, und man vergißt, daß man sich auf einer kleinen Insel inmitten des Pazifik befindet. Dadurch, daß wir recht früh unterwegs waren, umgingen wir auch die Touristenströme, die sich mit Autos und Bussen sonst hier tummeln. Bei unserer Rückfahrt kamen uns erst die ersten Busse entgegen. Auf der Rückfahrt in Richtung zur Küste eröffneten sich immer wieder schöne Ausblicke, bei denen auch die zahlreichen Zuckerrohrfelder in Küstennähe auffielen.

Bei schönem Wetter kann man auch die 25 km von Kauai entfernt liegende "verbotene Insel" Ni'ihau sehen. Diese befindet sich seit 1860 in Privatbesitz und gilt als Enklave des alten Hawaii: die etwa 200 Einwohner sind überwiegend reinblütige Hawaiianer, die hier ohne Elektrizität, Telefon und Fernsehen leben. Fremde dürfen die Insel nicht besuchen und sogar amerikanische Beamte bedürfen einer Sondergenehmigung.

An der Mündung des Waimea Rivers machten wir einen Stop, vor fast genau 230 Jahren, am 19. Januar 1778 landete hier Captain James Cook als erster Europäer auf den Hawaii-Inseln. Was haben sich diese in der Zwischenzeit verändert! Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses findet sich ein interessantes Relikt, welches mit einem deutschen Namen verbunden ist, das "Russian Fort Elisabeth". 1815 tauchte, von Alaska kommend, ein russisches Schiff vor Kauai auf. Führer der Expedition war Georg Anton Scheffer, ein deutscher Arzt in Diensten des Zaren. Kurzerhand und völlig eigenmächtig unterzeichnete Scheffer mit dem König von Kauai einen Schutzvertrag und errichtete ein Fort. Plötzlich hatte Rußland eine Kolonie in der Südsee, von der der Zar nichts wußte! Dies stellte 1816 Otto von Kotzebue, ebenfalls ein Deutscher in russischen Diensten, bei einer Expedition gegenüber dem König klar. Scheffer wurde nur ein Jahr später vertrieben und siedelte nach Brasilien über.

Weiter ging es auf der uns schon bekannten Straße zurück nach Lihue, mit nur etwa 6000 Einwohnern die Inselhauptstadt. Das Städtchen entstand als Camp einer Zuckerrohrplantage und von der Geschichte des Ortes zeugt heute noch die große Zuckermühle, in der von 1878 bis zum Jahr 2000 Zuckerrohr verarbeitet wurde. Unser Ziel lag aber auf einem Hügel gegenüber, die kleine "Lutheran Church", im 19. Jahrhundert von Deutschen erbaut. Man soll es nicht glauben, aber auf der Insel gab es eine größere deutsche Kolonie, deren Angehörige vor allem im Zuckerrohrgewerbe als Manager und Aufpasser tätig waren. Höchst interessant ist der Besuch auf dem an die Kirche angrenzenden Friedhof mit seinen zahlreichen deutschen Gräbern. Auch Paul Isenberg, der 1858 nach Kauai kam und später ein höchst einflußreicher Mann wurde, liegt hier begraben.

Isenberg und weiteren Deutschen ist auch breiter Raum in dem sehr schönen Kauai Museum an der Rice Street im Ortszentrum eingeräumt. Das Museum ist nicht sehr groß aber ausgesprochen sehenswert. Man gewinnt einen ausgezeichneten Eindruck von der Historie der Insel und selbst einen kleinen Museumsladen gibt es.

Von Lihue fuhren wir den recht befahrenen Highway 56 nach Norden, wo wir bei Wailua den gleichnamigen Fluß überquerten und dann nach links abbogen. Einige Kilometer weiter hielten wir an, um uns den etwa 12 Meter hohen Opaeka'a Wasserfall anzuschauen. Von der anderen Straßenseite aus hatte man einen sehr schönen Blick über den Wailua River. Wir bogen nach links ab und folgten dem steilen Weg hinunter ins Tal zum Kamokila Hawaiian Village, der Rekonstruktion eines traditionellen Dorfes, welches man gegen einen geringes Eintrittsgeld besuchen kann. Die einzelnen Gebäude und Pflanzen sind erläutert und man kann sich gut vorstellen, wie die Hawaiianer etwa bis 1820, als ihr religiöses System abgeschafft wurde, lebten.
Auf dem Rückweg zurück zur Küste schauten wir uns die Überreste des Poli'ahu Heiau an, eines Tempels aus der frühen Zeit der tahitianischen Einwanderer. Das gesamte Tal war früher eines der wichtigsten Siedlungszentren und auch Sitz des Inselkönigs.

An der Küste angekommen, wandten wir uns weiter nach Norden. Der Highway führt entlang kleiner Wohngebiete und Shopping Malls, erst nach Kapa'a ändert sich die Landschaft. Auf der Landseite finden sich Wiesen und Plantagen, die Seeseite besteht teilweise aus Sandstränden, teilweise auch aus Klippen. Da das Wetter immer noch nicht besonders schön war, brandeten die Wellen mit großer Heftigkeit an das Ufer. Mittlerweile fing es an Dunkel zu werden und es wurde allerhöchste Zeit, zurück zum Flughafen zu fahren. Dort erfolgten völlig problemlos die Autorückgabe und das Einchecken. Der Rückflug in mittlerweile völliger Dunkelheit zwischen den beiden Inseln machte uns erneut den Unterschied klar: vom kleinen, spärlich beleuchteten Lihue zur angestrahlten Metropole Honolulu.

Fazit: Auf einer Tagestour bekommt man einen ganz guten Eindruck von Kauai, wenngleich auch die Zeit knapp wird. Das große Problem Kauais - wie auch Mauis - ist, daß es keine Rundstraße gibt. Es war völlig unmöglich sich den Waimea Canyon anzuschauen, ausführlich die Südküste zu besuchen und noch die Straße zum nördlich gelegenen Hanalei zu nehmen. Der Canyon ist wirklich fantastisch und unbedingt eine Reise wert, wenngleich wir ihn auch nur regenverhangen gesehen haben. Die Ortschaften ähneln denen auf Maui und Hawaii, die Landschaft hat aber schon einen eigenen Charakter. Lustig ist die Tatsache, daß sämtliche Schilder auf Kauai die Entfernungsangaben sowohl in Meilen als auch Kilometern angeben!


Literaturempfehlungen:


- Allen, Helena G.: The betrayal of Liliuokalani. Last queen of Hawaii 1838-1917, Honolulu 1982 (Hochinteressante Biographie der letzten hawaiianischen Königin)
- Müller, Katja: Hawaii. Köln, 2. Aufl. 2001 (= DuMont Reisetaschenbuch)
- Nelles, Günter (Hrsg.): Hawaii. München 2. Aufl. 1993 (= Nelles Guides)
- Riedel, Burkhart et al.: Hawaii. München 1999 (Polyglott Reiseführer)
- Teuschl, Karl: Hawaii. Ostfildern, 9. Aufl. 2006 (= Marco Polo)
- Teuschl, Karl: Hawai'i. Köln, 2. Aufl. 2006 (= Vista Point)