Unseren Urlaub Ende Oktober, Anfang November verbrachten wir im Städtchen Nerja, ca. 50 km von Málaga entfernt, direkt am Mittelmeer gelegen. Nach knapp drei Stunden Flug erreichten wir den Flughafen von Málaga, nahmen unseren Leihwagen in Empfang und fuhren über die bestens ausgebaute Autobahn nach Osten. Unser gebuchtes Hotel hob sich angenehm von den üblichen Betonklötzen an der Küste ab: sehr klein und familiär, hoch auf der Steilküste gelegen mit Blick auf den unten liegenden Strand.
Nerja blickt auf eine lange Siedlungsgeschichte zurück. In den überregional bekannten Höhlen von Nerja wurden Zeugnisse von menschlicher Besiedlung aus der Altsteinzeit gefunden. Dann siedelten die Römer und später die Mauren in der Umgebung. Der "Balcón de Europa" genannte Aussichtspunkt direkt im Ortszentrum mit Blick über das Meer wurde auf einer Festung errichtet, die zum Schutz gegen die Berber dienen sollte. Heute trifft sich dort "tout Nerja" zum Flanieren.
Daß die Stadt überwiegend vom Tourismus lebt, ist unübersehbar. Es gibt eine recht große Fußgängerzone, komplett überdacht mit Sonnensegeln, mit zahlreichen Restaurants und Touristenbedarf. Zur Zeit unseres Besuches waren in der ersten, noch sehr warmen Woche, die Außenrestaurants sehr gut besucht. Ab Anfang November, als das Wetter auch deutlich kühler und windiger wurde, wurde es in der Stadt merklich ruhiger.
Nur 6 km von Nerja entfernt liegt der kleine "weiße Ort" Frigiliana in den Bergen, herausgeputzt wie auf einer Postkarte. Nicht umsonst erhielt der Ort mehrfach die Auszeichnung „Schönstes Dorf von Andalusien“. Frigiliana war auch schon zu prähistorischer Zeit besiedelt, die ersten Häuser errichteten aber die Mauren.
Man sollte sich Zeit nehmen und festes Schuhwerk anziehen und in Ruhe das Barrio Mudéjar, den historischen Ortsteil besuchen. Hier findet man noch die typischen engen und mit Blumen und Verzierungen geschmückten Gassen und weißen Häuser, für welche die Region bekannt ist. Per Gemeindegesetz sind die Bewohner verpflichtet, ihre Häuser regelmäßig zu kalken.
An Fuße des Viertels liegt die Fabrik Fábrica Ntra. Sra. del Carmen, in der neben viel durchaus auch geschmackvoller Keramik auch der seltene Zuckerrohhonig verkauft wird. Auf der Rückseite befindet eine Bar und ein Museum mit alten Maschinen der Fabrik und man hat einem schönen Ausblick auf die Berge
Glücklicherweise hielt sich der Besucherstrom zur Zeit unseres Besuches sehr in Grenzen und man konnte sich in Ruhe umschauen. Ich darf mir allerdings nicht vorstellen, wie es dort zur Hochsaison aussieht, wenn buslandungsweise Menschen durch die engen Gassen gescheucht werden.
Maro liegt in Sichtweise östlich von Nerja ebenfalls direkt am Wasser und ist viel weniger touristisch. Ein kleiner Strand befindet sich abseits des Ortes. Zu ihm führt eine kleine Straße vorbei an Gemüsekulturen unter Folien. Von einer Erhöhung aus konnte ich beobachten, wie ein Mann mit einem Maultier ein kleines Stück Land umpflügte. Ein Bild wie aus einer anderen Zeit!
Außerhalb der Ortschaft in Richtung Nerja, erbaute man Mitte des 19. Jahrhunderts die Fabrik San Joaquín, die vom Acueducto del Águila mit Wasser versorgt wurde. Die Fabrikruine und das Äquadukt kann man von der Nationalstraße N-340 aus sehen.
Sehr empfehlenswert ist die Fahrt auf der Küstenstraße N-340 von Nerja nach Osten in Richtung Almuñécar. Auf der Strecke verläuft auch die Grenze zwischen der Costa des Sol und der Costa Tropical. Die Straße windet sich hoch über der Küste durch eine wilde und interessante Landschaft, die immer wieder atemberaubende Ausblicke über das Mittelmeer bietet.
Im krassen Gegensatz dazu steht der Ortsteil La Herradura. Der Sandstrand ist zwar riesig, aber die Strandpromenade ist gesäumt von häßlichen 08/15 Touristenunterkünften. Schöne, teilweise auch exklusive Bebauung findet man auf der südlich vorgelagerten Halbinsel.
Der Strandbereich von Almuñécar selbst ist ebenfalls ziemlich verbaut, dafür lädt die Altstadt zu Spaziergängen ein. Über dem Ort liegt die maurische Festung Castillo San Miguel. In der Stadt findet sich ein großer Bereich mit Ausgrabungen aus phönizischer und römischer Zeit. Am Strand fällt die Statue von Abd ar-Rahman I. ins Auge. Er war Begründer der muslimischen Dynastie der Umayyaden, die Spanien beinahe dreihundert Jahre lang beherrschte. Der Legende zufolge soll er hier 755 erstmals andalusischen Boden betreten haben.
Wir nutzten die Gelegenheit, uns das Hinterland von Almuñécar anzuschauen, bei einer Fahrt Richtung Norden. Dabei durchquerten wir Plantagen für Avocado, Papaya und Mango. Ein netter Bauer erklärte uns die verschiedenen Standortansprüche dieser subtropischen Pflanzen. Da es sich im Talbereich um ein recht warmes Mikroklima handelt, können die Bäume auch den kühlen Winter Andalusiens überstehen.
Nur wenige Kilometer östlich von Almuñécar liegt Salobreña. Schon von der hoch über der Küste verlaufenden Straße sieht man den Burgberg mit dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden, maurischen Castillo und den schneeweißen Häusern, abenteuerlich auf den Berg gebaut. Als wir den Ort nachmittags erreichten, war er buchstäblich ausgestorben. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen, alle Geschäfte geschlossen. Auch im kühlen Spätherbst wird an der Siesta festgehalten. Durch die Ruhe und ein Schild, welches den Weg zum Castillo wies, ließen wir uns verleiten, der Straße mit dem Auto hoch auf den Berg zu folgen.
Es stellte sich als Kardinalfehler heraus. Die Straße, übrigens eine Einbahnstraße, wurde immer schmaler, wand sich extrem steil ansteigend um Hausecken. Wir wollten nur noch zurück, das ging wegen der Einbahnstraßenregelung aber nicht. Dann teilte ich der Weg, wir wählten die linke Abbiegung - und fuhren uns fest. Die Straße zwischen zwei Häusern war definitiv schmaler als unser ohnehin schon kleines Auto. Irgendwie konnten wir uns befreien und verfluchten die Idee, hier hochgefahren zu sein! Nun ging es den Berg wieder hinunter. Die Kupplung des Wagens stank mittlerweile entsetzlich. Die wunderschönen, blumengeschmückten Häuser konnten uns nicht mehr beeindrucken, ich betete nur noch für eine funktionierenden Bremse!
Endlich unten angekommen, fuhren wir zum Strand. Die Zuwegung ist verbaut mit Apartments und Hotels. Am Strand hat man von einem steinigen Halbinselchen einen wunderschönen Blick auf die Gegend. Von hier aus sieht man auch die alte Zuckermühle Azucarera de Salobreña Nuestra Señora del Rosario aus dem Jahre 1861, die bis zum Jahre 2006 in Betrieb war. Daran, daß in der Gegend über Jahrhunderte Zuckerrohr angebaut wurde, erinnern noch verwilderte Pflanzen im Hinterland des Strandes.
Einen ganz anderen Charakter als die Küste östlich von Nerja hat der Bereich westlich. Er ist deutlich weniger pittoresk und mehr bebaut.
Wir legten einen Stop in Caleta de Vélez ein. Neben einem Hafen findet sich ein extrem langer und breiter Sandstrand, der wie ausgestorben wirkte. Was müssen sich im Sommer hier die Menschenmassen drängen!
Etwas weiter östlich erreicht man Torre del Mar, umgeben von landwirtschaftlicher Nutzfläche. Wie fast alle anderen Orte der Region hat die Stadt phönizische und römische Wurzeln.
Bei Durchquerung der Stadt fiel uns rechts ein hoher, alter Schornstein auf. Wir hielten an und schauten uns die Gegend genauer an. Es stellte sich heraus, daß es sich um das Relikt einer alten Zuckerfabrik handelte. Nach der Schließung der alten Zuckerfabrik in den 1840er Jahren nutzte Manuel Domingo Larios y Larios die Gunst der Stunde. Sein Name ist noch heute in ganz Südspanien allgegenwärtig. Er errichtete eine neue Zuckerfabrik mit angeschlossener Schnapsbrennerei, deren Verwaltungsgebäude heute Torre del Mar als Bürgermeistersitz dient, und beschäftigte bald an die 400 Arbeiter auf seinen Plantagen und in seiner Fabrik. Torre del Mar zählte damals weniger als 1000 Einwohner und so arbeitete fast jeder im Ort für Larios. Diese Monopolstellung führte dazu, daß bis in die 1920er Jahre fast alle landwirtschaftlichen Betriebe in den Besitz von Larios übergingen.
Auf der Rückfahrt nach Nerja am Abend machten wir Rast in einer Chiringito, einer rustikalen Strandbar. Wir trauten unseren Augen nicht, als zwei Reiter auf andalusischen Pferden gemütlich am Strand direkt vor unserer Nase herritten!
Natürlich darf bei einer Reise nach Andalusien auch ein Besuch Málagas nicht fehlen. Die 50 km von Nerja auf der Autovía del Mediterráneo waren schnell überwunden und ein Parkplatz in Sichtweite des Hafens in einem Parkhaus gefunden.
Málaga ist nach Sevilla die zweitgrößte Stadt in Andalusien (ca. 560.000 Einwohner), Hauptstadt der Provinz Málaga und die sechstgrößte Stadt Spaniens. Málaga wurde von den Phöniziern gegründet, dann römisch und schließlich von den Mauren 711 erobert.
Die Sehenswürdigkeiten der Stadt sind recht schnell aufgezählt. Direkt in der Stadt befindet sich die Kathedrale Catedral de la Encarnación, die von den christlichen Eroberern ab 1528 über der Großmoschee erbaut wurde. Sie wird auch La Manquita ("die Einarmige") genannt, da der zweite Turm aus Geldmangel nie vollendet wurde.
Unweit davon befinden sich die Ruinen eines aus der Zeit des Römischen Reiches stammenden Amphitheaters, die teilweise besichtigt werden können. Darüber liegt am Berg die Die Alcazaba, eine maurische Festung aus dem 11. Jahrhundert, die auf den Resten einer phönizischen Palastanlage für die maurischen Könige von Granada errichtet und im 14. Jahrhundert weiter ausgebaut wurde. Eine Doppelmauer schuf ursprünglich die Verbindung zwischen dem Palastbereich der Alcazaba und der oberhalb der Festung bestehenden Burganlage des Castillo de Gibralfaro.
Sehenswert ist auch das Geburtshaus des Malers Pablo Picassos und der Paseo Parque. Der Innenstadtbereich besteht aus einer großen Fußgängerzone, die zum Bummeln einlädt. Umgeben ist der Innenstadtbereich leider durch ziemlich unansehnliche Hochhäuser.
Granada ist von Nerja aus über eine nagelneue Autobahn in gut einer Stunde zu erreichen. Der strahlende Sonnenschein beleuchtete die schneebedeckte Sierra Nevada auf dem Weg dorthin. Der Verkehr in Granada war chaotisch, das Navi führte uns mehrfach in die Irre und da wir eigentlich schon zu spät in der Stadt angekommen waren, parkten wir das Auto in der Innenstadt und fuhren mit dem Taxi hinauf zur Alhambra. Deren Besuch ist auf 6600 Personen pro Tag beschränkt und aus diesem Grunde sollte man - womöglich schon langfristig vorher - eine Eintrittskarte vorbestellen. Wir hatten auf Grund der vorgerückten Jahreszeit Glück und konnten direkt Eintrittskarten kaufen.
Über die Alhambra ist so viel geschrieben worden, daß sich weitere Kommentare erübrigen. Die Anlage präsentierte sich bei strahlendem Sonnenschein aber kühlen 12 Grad (Granada lieg hoch in den Bergen) von ihrer allerbesten Seite. Im Nasridenpalast war der berühmte Löwenbrunnen bereits restauriert, andere Bereiche aber noch für weitere Arbeiten gesperrt.
Den Rest des Tages nutzten wir zu einer Besichtigung der Altstadt.
Da unser Rückflug erst am Abend ging, mußten wir uns die Zeit vertreiben. So fuhren wir zum nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernten Traumziel des Massentourismus seit den 1950er Jahren: Benalmádena und Torremolinos. Sehr treffend beschrieb ein Redakteur der "Zeit" die Gegend: "Die Stadt des Massentourismus ist das, wovor Individualreisende Angst haben. Massenhaft Menschen in monströs hohen Massenverfrachtungsbetonkäfigen mit Sonnenschirmmassen an Massenstränden." Zwar waren jetzt im November die Sonnenschirme eingeklappt und die Sonnenliegen aufgestapelt, die entsetzlich häßlichen Hotelburgen aber waren weithin sichtbar und verschandeln die Landschaft. Man braucht schon viel Phantasie, um sich vorzustellen, auf was für eine lange Siedlungsgeschichte die Gegend zurückschaut. Zur Zeit unseres Besuches glichen die Orte fast einer Geisterstadt. Man sah nur wenige Menschen, überwiegend Rentner, die hier überwintern.