Niagarafälle

Die Stadt Niagara Falls erinnerte mich schon von weitem in gewisser Weise an ein kleines Las Vegas. Der Kommerz war unsagbar. Wir stiegen im Sheraton Fallsview ab und bekamen, Vorsaison sei Dank, ein Traumzimmer im 17. Stock mit direktem Blick auf die Fälle. Selbst von dort oben konnte man das Donnern des Wassers hören.

Der nächste Tag begann sehr kühl und verhangen. Wir zogen unsere dicken Jacken an und fuhren mit der Zahnradbahn hinunter zum Besucherzentrum Table Rock, welches noch weiter ausgebaut wird. Trauben von Menschen drängten sich im Nieselregen der Fälle an der Bruchkante des Wassers. Ein spektakulärer Anblick! Von dort aus sahen wir auch die Ausflugsboote "Maid of the Mist" bis recht nah an die Fälle von unten fahren. Wo der Spaß daran lag, vor eine Wasserwand zu schauen und, trotz Regenumhängen, klatschnaß zu werden, erschließt sich mir nicht. Trotzdem fuhr Boot um Boot vor, die Leute starrten und knipsten 10 min lang, dann ging es retour. Ich hingegen starrte in eine andere Richtung: auf einmal tauchte eine große Reisegruppe von Altmennoniten auf, Großeltern, Eltern, Kinder, Behinderte. Die Frauen und Mädchen und den wadenlangen, einfarbigen Röcken mit Kopfhauben, die Männer alle mit Vollbart und schwarzen oder Strohhüten, dunklen Hosen und weißen Hemden. Die Gruppe sah zwischen den ganzen Touristen aus wie von einem anderen Zeitalter ins 21. Jahrhundert gebeamt. Da sie das gleiche Besuchsprogramm wie wir absolvierten (erst die kanadische, dann die US-amerikanische Seite der Fälle), hatte ich viele Gelegenheiten die sich später auflösende Gruppe zu beobachten. Zu meinem Erstaunen verwendeten sie moderne Kinderwagen, kehrten in Fast Food Lokalen ein und kauften kräftig Souvenirs. Irgendwie paßte das nicht zusammen.

Wir wanderten auf der kanadischen Seite der Fälle weiter, es wurde immer wärmer, wir waren viel zu warm angezogen und schwitzten bei 29 Grad unerträglich. Wir entschlossen uns, auf die US-amerikanische Seite über die Rainbowbridge zu gehen. Die Reisepässe hatten wir eingesteckt. Für Amerikaner und Kanadier reicht eine "picture ID". Nach dem Bezahlen von 50 Cent Zoll (!) durften wir die Brücke betreten. Der Blick von oben war schon sehr spektakulär. Auf der US-Seite erwartete uns die gewohnte Immigration. Da wir noch die grünen Einreisekarten hatten, ging es ohne das Abgeben von Fingerabdrücken unproblematisch weiter. Die direkt an den Fällen gelegene US-Seite besteht vornehmlich aus einem Park, durch den man schön wandern kann. Wir freuten uns bei der Wärme über die schattigen Wege. Es gibt eine Aussichtsplattform und die Möglichkeit, direkt an die American Falls zu gelangen. Die zugebaute kanadische Seite sah von hier aus schrecklich aus. Der Park ist recht groß und zieht sich bis zum Horseshoe Fall hin. Bis zu unserem Hotel war es Luftlinie nur ein Katzensprung, wir hingegen mußten die vielen Kilometer wieder zurücklaufen - inklusive erneuter Grenzüberquerung.

Am nächsten Tag ging unser Urlaub zu Ende. Die ca. 130 km zum Flughafen Toronto legten wir bei wenig Verkehr in nur 1 Stunde 20 Minuten zurück. Der Flughafen selbst war extrem gut organisiert und übersichtlich, die Business Lounge ganz hervorragend. In knapp 8 Stunden erreichten mir morgens sehr früh den Düsseldorfer Flughafen.

Resümee: Wir haben ca. 2.400 km zurückgelegt und sind durch verschiedene Welten gefahren. Die USA und Kanada sind unterschiedlicher als man das auf den ersten Blick meinen sollte. Die kanadischen Städtchen und Dörfer kamen mir insgesamt gepflegter vor als die US-amerikanischen, die Menschen diesseits und jenseits der Grenze, vor allem aber auch die Kanadier waren extrem freundlich. New York präsentierte sich von seiner gewohnt hektischen Seite, die kanadischen Städte sind sehr unterschiedlich: das historische Québec mit kleiner Altstadt, das lärmende, sehr hektische und mit Hochhäusern bebaute Montréal, Ottawa britisch beschaulich mit viel Flair und Straßencafés, das moderne und auch hektische Toronto mit Naherholungsgebieten direkt vor Downtown. Für die beiden Parks war es noch zu kalt, wiewohl uns das Wetter bei der ganzen Reise Probleme gemacht hat. Es war zu unbeständig und pendelte ständig zwischen kalt und warm. Französischkenntnisse sind in der Provinz Québec von großem Nutzen, da die Beschilderung (auch Straßenschilder!) durchgängig französisch ist. Die meisten Menschen dort haben zwar Englischkenntnisse aber mit Französisch kommt man besser durch. In Ontario spricht man Englisch mit amerikanischer Aussprache, schreibt aber British. Die Region ist wirklich eine Reise wert. Wir haben zumindest einen Eindruck der großen Städte erhalten. An und für sich sollte man sich pro Stadt drei Tage Zeit nehmen. Bei mehr Zeit wäre auch der Einschluß der Neuenglandstaaten mit Boston etc. und/oder eine Fahrt zum Unterlauf des St. Lorenz Strom sinnvoll.


Literaturempfehlungen:


- E. Berghahn, H. R. Grundmann, P. Thomas: Kanada Osten / USA Nordosten. Reisen zwischen Atlantik und Großen Seen, Westerstede 6. Aufl. 2006 (= Reise Know-How)
- O. Helmhausen: Kanada. Der Osten. München 2005 (= Polyglott on Tour)