Cody, Wyoming

Von Red Lodge gibt es eine Paßstraße, die direkt zum Yellowstone Park führt. Diese war aber jetzt, Ende Mai, immer noch nicht geöffnet. Der ganze Ort fieberte der Öffnung entgegen, weil damit auch die Touristen kommen. Z.Zt. unseres Besuches war Red Lodge höchst verschlafen - was aber auch seinen Charme ausmachte. Wir fuhren nun durch Sagebrush-Prärie, die schier kein Ende nehmen wollte. Nach sehr langer und extrem langweiliger Fahrt erreichten wir endlich die Stadt Cody - mit 8000 Einwohnern für die Gegend wirklich schon "groß". Ziel war das bekannte Buffalo Bill Historical Center mit fünf Museen. Das Firearms Museum stellt so ziemlich jede Waffe aus, die jemals in den USA hergestellt wurde; das Buffalo Bill Museum (nach ihm ist auch das Städtchen Cody benannt) ist dem berühmten Selbstdarsteller gewidmet; das naturkundliche Museum war ganz erstaunlich interessant gestaltet. Meine Hauptziele waren allerdings die Bildergalerie und das Indianermuseum. In der Galerie kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Wie es in den USA Tradition ist, hatten namhafte Sponsoren den Ankauf der wertvollsten Bilder möglich gemacht: hier sah ich die Originale von Remington, Miller, Catlin und Bodmer, die ich aus zahlreichen Publikationen kannte. Ich war schier fasziniert! Als außerordentlich gelungen muß man auch die Ausstellung zur Geschichte der Plainsindiander bezeichnen. Eindrucksvoll war nicht nur die Präsentation, sondern auch die Möglichkeit, indianische Originalstimmen zu bestimmten Austellungsgegenständen anzuhören. Diese Museen sind wirklich einen Besuch wert und man sollte entsprechend Zeit einplanen!

Yellowstone National Park, Wyoming

Wir verließen Cody durch den Shoshone Forest, die Landschaft veränderte sich stark und wir gewannen immer mehr an Höhe. Irgendwann erreichten wir den Eingang zum Yellowstone Nationalpark, den wie schon 1998 besucht hatten. Der gesamt Osteingang war eine gigantische Baustelle und man durfte nur hinter einem pilot car passieren. Nach Bezahlung der obligatorischen 25 $ Eintritt ging es höhenmäßig immer weiter. Irgendwann hatten wir bei 2600 m Höhe den Sylvan Paß erreicht. Hier lag an den Wegesrändern noch ca. 1 m hoch Schnee und es war rattenkalt. Später erreichten wir Lake Village, von dort war es nicht mehr weit bis zu unserem Hotel, dem Lake Yellowstone Hotel. Nur etwa einen Kilometer vom Hotel direkt an der Straße war ein Fahrzeugstau, der immer auf etwas besonders Sehenswertes schließen ließ - schließlich hatten wir schon einschlägige Erfahrungen in Kanada gemacht! Auch hier wurden wir nicht enttäuscht. Ein etwa zwei Jahre alter Grizzly bewegte sich in aller Seelenruhe auf den Wiesen entlang der Straße - zur höchsten Freude der Autofahrer, die sich reihenweise stauten. Auch ein Parkranger war mit von der Partie, um allzu übermütige Photographen zurückzuhalten. Der Jungbär hingegen ließ sich so gar nicht stören und fraß Gras, buddelte nach Wurzeln, warf der Menschenmenge ab und zu einen gelangweilten Blick zu. Der Ranger klärte uns darüber auf, daß die Bären in Kanada wegen der proteinhaltigeren Nahrung aus Lachs dort viel größer wÜrden, als die in den USA, die sich nur vom spärlichen Gras ernährten. Trotzdem bot "unser" Exemplar noch eine Show, indem er an einem Ast herumkletterte. Es war atemberaubend!

Nachdem wir über eine Stunde den Grizzly beobachtet hatten, erreichten wir unser nächstes Quartier, das Lake Yellowstone Hotel, angeblich das beste Hotel im Park. Wir logierten in einer doch sehr einfachen "Cabin" und waren heilfroh, daß bei den Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt die Heizung funktionierte! Leider mußten wir im Haupthaus des Hotels feststellen, daß dieses doch eher auf Massentourismus abgestimmt war. Im Restaurant bemühte man sich um Stil, was aber nicht wirklich gelang. Dort fielen uns schon die sehr jungen Bediensteten auf. Wie sich herausstellte, handelte es sich fast ausschließlich um Collegestudenten, die sich Geld für das Studium hinzuverdienten. Auch an vielen anderen touristischen Stellen, die wir besuchten, wurden wir fast ausschließlich von Studenten bedient. Noch enttäuschender als das Abendessen war hingegen das Frühstück. Obwohl der Frühstücksraum noch nicht einmal zu 50 % ausgebucht war, mußten wir aus unerfindlichen Gründen 40 Minuten warten, bis wir gesetzt wurden. Das alles, um von einem Frühstücksbüffet zu essen, was seinen Namen nicht ansatzweise verdiente. Dann waren die paar Sachen, die überhaupt angeboten wurden, auch noch so gut wie weggegessen. Das war höchst ärgerlich, weil die Übernachtung in dem Hotel alles andere als preiswert ist. Schleierhaft ist mir, warum es für das Hotel so eine lange Warteliste gibt.... Versöhnt wurden wir - trotz des dunklen Himmels und des eiskalten Windes - durch den traumhaften Blick über den riesigen Lake Yellowstone.

Wir entschlossen uns, den nächsten Tag den großen Yellowstone Loop zu fahren. Kaum waren wir aus Lake Village hinausgefahren, sahen wir wieder eine Menschentraube an der Straße. Der Grizzly von gestern hatte über Nacht die Straßenseite gewechselt und trollte sich nun in aller Seelenruhe in Sichtweite der Besucher auf der Suche nach Nahrung herum. Wir fuhren gegen Norden entlang des Yellowstone Rivers, vorbei an den uns schon von unserem Besuch 1998 bekannten Mud Vulcano und Sulphur Caldron. Im Hayden Valley auf der linken Seite auf einer saftigen Wiese sahen wir dann auch die ersten Bisons im Park. Einige standen mit ihren kleinen Kälbchen dicht an der Straße und boten ein wunderschönes Bild. Bis hin zum Ort Canyon Falls sahen wir verstreut immer wieder Bisonherden. Ein Bison stellte sich mitten auf die Straße und machte gar keine Anstalten, sich von dort fortzubewegen - sehr zum Amüsement der Touristen! Über Norris fuhren wir dann durch die ehemals abgebrannten und nun schon wieder kräftig nachgewachsenen Lodge Pole Pine-Wälder. Ab und zu sahen wir auch verstreute, scheue Mule Deer. Ich erinnerte mich an die Straße nach Madison, entlang deren Feuchtwiesen wir 1998 große Mengen an Wild gesehen hatten. Somit fuhren wir die Strecke diesmal auch wieder und wurden nicht enttäuscht: wir sahen zahlreiche Bisonherden, eine Gruppe Hirsche, Kanadagänse und dann noch aus relativer Nähe einen Kojoten auf Beutefang. Natürlich durfte auch diesmal ein Stop am Old Faithful Geysir nicht fehlen, der allerdings gerade eruptiert war und wir keine Lust hatten, weitere 92 Minuten bis zur nächsten Eruption zu warten. Rund um den Geysir war so viel Betrieb wie immer und wir fuhren weiter Richtung West Thumb, eine Straße, die sich immer höher schraubte und schließlich auf 2500 m über NN weiterführte. Auf 2600 m überquerten wir dann die kontinentale Wasserscheide. Hier war es noch sehr kalt, die Seen waren mit Eis bedeckt und an den Straßenrändern lag hoch Schnee, der im strahlendem Sonneschein wunderschön glänzte. Es boten sich phantastische Ausblicke in Schluchten und auf den Yellowstone Lake.

Teton National Park, Wyoming

Nach längerer Fahrt mit zahlreichen Zwischenstops erreichten wir den Grand Teton National Park und die Jackson Lake Lodge, wo wir auch eine Cabin bezogen, die aber um Klassen besser war, als im Yellowstone Park. Auch das Hotel war erheblich besser. Vom ausgezeichneten Restaurant hatten wir einen unbeschreiblichen Blick auf die hohen, schneebedeckten Berge der Teton Range, die von der Abendsonne beschienen wurden. Aber auch hier war es noch, trotz der Sonne, sehr kalt. Am Hotel bettelte ein Ground Squirrel die Touristen an und nicht weit entfernt konnten wir in einem kleinen See einen Biber beim Bau seiner Burg beobachten. Phantastisch!

Am nächsten Tag ging es bei strahlendem Sonnenschein durch ein Traumpanorama nach Südwesten. Durch Wälder ging es über eine auf ca. 3000 m Höhe gelegene Kammstraße Richtung Dubois. Überall lag noch Schnee und man sah die Spuren der hier wohl zahlreich vertretenen Snowmobilfahrer. Irgendwann veränderte sich die vorher so pittoreske Landschaft und es wurde spärlicher und viel trockener. Auch die Außentemperaturen stiegen merklich. Das Fahren wurde sehr langweilig und wir waren froh, nach etwa 90 Km in Dubois, einem kleinen Ort, das recht neue Bighorn Sheep Interpretive Center besichtigen zu können. Hier wird sehr anschaulich das Leben und der Lebensraum dieser Tiere vorgestellt, die in den Bergen bei Dubois nach Wiederansiedlung wieder vertreten sind. Interessant war auch die Ausstellung über die früher dort lebenden Sheepeater-Indianer, deren Leben um die Schafe zirkelte, so wie das Leben der Prärieindianer um den Bison.

Wind River Indian Reservation, Wyoming

Die Landschaft wandelte sich in eine rollende Sagebrush-Prärie ohne Baumbestand. Irgendwann verkündete ein Schild, daß wir die Wind River Reservation erreicht hatten. Das Reservat war eigentlich 1868 für die Schoschonen gegründet worden, 1877 ließ Häuptling Washakie dann zu, daß auch die traditionellen Feinde der Schoschonen, die Arapahos, auf das Reservat ziehen durften. Diese sollten von der Regierung eigentlich zu den zahlreichen anderen Indianerstämmen in der berüchtigte "Indianerterritorium" Oklahoma abgeschoben werden. Washakies Generosität bewahrte sie vor diesem Schicksal.

Das Reservat stellte sich im Westen als völlig unwirtlich dar: trocken und bis auf Büffelgras weitgehend vegetationslos. Wir bogen von dem Highway 26 nach Süden auf den Highway 286 ab, wo wir nach endlosen Kilometern den alten Militärstützpunkt Fort Washakie erreichten. Hier liegt auf einem Friedhof der schon erwähnte Häuptling Washakie, an den ein Denkmal erinnert. Der Ort an sich ist völlig trostlos und verfügt neben den üblichen BIA-Einrichtungen (Bureau of Indian Affairs) auch über eine Schule, eine Tankstelle, einen Laden und einige Häuser. Trotzdem ist er einer der Hauptorte auf dem Reservat. In Ermangelung von jeglicher Beschilderung war es schwierig, die Straße nach Ethethe zu finden. Rechts und links standen wieder die unvermeidlichen Holzhäuser und Trailer mit Autowracks im Vorgarten. Landwirtschaft war bei dem trockenen Klima scheinbar nicht möglich. In Ethete fanden wir einen Hinweis auf die Führerin der Lewis & Clark Expedition 1804-06, der Schoschonin Sacajawea. Diese war von den Mandan entführt worden und an einen französischen Pelzhändler verkauft worden, der sie als eine seiner Geliebten nahm. Aufgrund ihrer Sprach- und Ortskenntnisse war sie von der Expedition, die vom Missouri bis an den Pazifik und wieder zurück führte, angeheuert worden. Sie sprach Schoschoni, übersetzte in Mandan, was ihr Mann verstand, der übersetzte in Französisch, was ein anderer Teilnehmer der Expedition verstand, der dann in Englisch übersetzte. Man fragt sich heute, was bei diesen Übersetzungsmarathons wohl am Ende herausgekommen ist... Jedenfalls fanden wir in Ethete nicht den Weg zum Grab. Hinzu kommt, daß die hier 1884 beerdigte Person umstritten ist. Die Standing Rock Lakota behaupten ebenfalls, Sacajawea, oder wie man dort sagt, Sakakawea, sei 1812 dort beerdigt....

Wir jedenfalls hatten wieder in Ermangelung von Schildern ein gehöriges Problem, die Straße nach Riverton zu finden. Hier sah man vereinzelt Landwirtschaft und neuere, gepflegtere Häuser wechselten sich mit sehr unschönen ab. An einer Stelle fanden wir auch noch eine Original Blockhütte aus den Anfängen der Reservation, die aber nicht mehr bewohnt wurde. Nach sehr langer Fahrt erreichten wir den Highway nach Riverton. Kurz davor befindet sich die 1884 gegründete Jesuitenmission St. Stephen's Mission. Hier leben in erster Linie Arapaho und die heute noch existente Schule war früher Internat. Im Missionsgebäude ist das im Reiseführer großmundig angekündigte "American Indian Heritage Center" untergebracht. Hierbei handelt es sich nur um einen Raum, in dem einige Photos und Kunstgegenstände der Arapaho ausgestellt sind. Für uns wurde extra aufgeschlossen. Ich traute meinen Augen nicht, als ich an der Wand ein gesticktes, großrahmiges Bild mit der Unterschrift in Fraktur: "Jesus, der göttliche Kinderfreund" sah. In einer Bibel war ein Totenbildchen auf Deutsch eingelegt. Das machte mich neugierig und ich fragte die Frau, die uns aufgeschlossen hatte und nun den kleinen Geschenkebereich betreute. Leider war sie nicht sehr auskunftsfreudig und sagte nur, daß früher viele deutsche Nonnen im Internat unterrichtet hätten. Nun würden die Schüler per Bussen gebracht.... einige der Schüler sahen wir draußen mit einem Lehrer in brütender Hitze Golf spielen üben. Interessant war auch die neben dem Missionsgebäude errichtete Kirche mit Fenstern im traditionellen Arapaho-Muster. Innen dienten Trommeln als Taufbecken und Altar und die Wandbemalung war eindeutig indianisch. Ich fragte mich, ob es diese Ausstattung auch schon zur Zeit der deutschen Nonnen gegeben hatte...

Wir fuhren weiter nach Riverton - einer sehr großen Stadt mit aller erdenklichen Infrastruktur und über 9.000 Einwohnern. Ich war mehr als erstaunt, eine solche Stadt auf einem Reservat vorzufinden. Auch fielen mir die vielen Weißen im Stadtbild auf. Im nachhinein erfuhr ich den Grund. Riverton lag auf sogenanntem "surplus-land", war somit nicht Reservatsgelände, obwohl mitten darin gelegen. 1887 hatte die US-Regierung eine neue Idee, Indianer weiter auf den Weg des Weißen Mannes zu zwingen. Jedem Familienoberhaupt wurden nach dem Dawes Act 160 acres (64 ha) Land zugewiesen. Aller Grund und Boden der Reservation, der nach dieser Aufteilung (deshalb auch "Indian General Allotment Act") "übrig" war, wurde an weiße Siedler verkauft. Insgesamt wurde so fast die Hälfte des gesamten Reservatslandes (240.000 qkm) fÜr weiße Besiedlung freigegeben. Das Gesetz ist heute noch einer der Gründe, weshalb die Bodenverhältnisse auf Reservaten extrem zersplittert und höchst kompliziert sind. Teilweise sind heute 50 % und mehr des Reservatslandes im Besitz von Weißen. Jedenfalls stellte Riverton weit und breit das einzige Oberzentrum dar.

Durch Halbwüste ging es weiter in den Wind River Canyon, eindrucksvoll mit seinen Steilhängen. Ich konnte mir vorstellen, wie vor über 100 Jahren die Indianer diesen Schleichweg als Durchgang durch die Berge und zu den heißen Quellen von Thermopolis benutzt hatten.