Leba / Łeba

Leba wurde bereits 1862 zum Ostseebad ernannt, nachdem ein großer Hafen gebaut worden war und nahm wirtschaftlichen Aufschwung. Die Stadt war auch zur Zeit meines Besuches ein typischer Seeort mit Kindervergnügungen, billigen Andenkenständen, Außengastronomie, Pensionen und diversen neuen Hotels. Es waren zahlreiche Gäste unterwegs und ich mochte mir nicht ausmalen, was für ein Trubel hier in der Hochsaison herrschte. Nachdem ich endlich einen zentralen Parkplatz für mein Auto gefunden hatte, ging ich auf den Pier und schaute auf das aufgewühlte Meer, denn mittlerweile war das Wetter erneut umgeschlagen. Ein ganzes Stück entfernt sah ich direkt oberhalb des Strandes ein überregional bekanntes Haus mit prägnanter Silhouette aus Kaisers Zeiten: das ehemalige Kurhaus Leba und heutige Hotel Neptun. Der Weg dorthin (mit dem Auto) führt durch den weniger schönen Teil der Stadt, nämlich verfallene sozialistische Urlaubsdomizile und Campingplätze. Das historische Hotel hingegen hoch auf einer Düne oberhalb des Strandes mit phantastischem Blick machte einen sehr guten Eindruck.

Schlawe / Schławno

Leider hatte sich das Wetter in der letzten Nacht erneut verschlechtert und begrüßte mich mit 14 Grad und Nieselregen. Wie ärgerlich! Also mußte ich eine Tour zusammenstellen, bei der ich viel im Auto saß. Ich entschloß mich zu einem Ausflug an die nordwestlich gelegene Küste.
Da mich die Route sowieso an Schlawe (Schławno) vorbeiführen würde, entschloß ich mich zu einer kurzen Stippvisite in dieser Kreisstadt, welche in der Weimarer Republik zu einem kleinen Industriezentrum herangewachsen war. Die Stadt wurde am Ende des 2. Weltkriegs zu weit über der Hälfte zerstört, was heute noch durch ein bauliches Sammelsurium, gerade auch um die (schön renovierte) Kirche herum, zu sehen ist. Erstaunlicherweise haben doch eine Reihe historischer Bauten das Inferno überstanden, so das Stadtamt, Teile der Stadtmauer mit zwei gotischen Toren, das Postamt und eine Industriellenvilla. Einen Eindruck vom "früheren" Schlawe erhält man entlang der Einfallsstraße von Stolp aus, die mit alten Einfamilienhäusern gesäumt ist, die allesamt in einem sehr schlechten baulicher Zustand waren.

Rügenwaldermünde und Rügenwalde (Darłówko und Darłowo)

Weiter ging es an die Küste nach Rügenwaldermünde (Darłówko), in dem 1814 das erste Seebad Preußens errichtet wurde. Ich ging bei starkem Wind an der mit Tetrapoden befestigten Mole entlang, betrachtete den pittoresken Leuchtturm und die Fußgängerbrücke über die hier ins Meer mündende Wipper/Wieprza. Leider war unmittelbar neben der Brücke ein postmodernes Hotelgebäude errichtet worden. Historisch war hingegen das unweit gelegene Hotel Apollo direkt an der Strandpromenade.

Ich kehrte um und fuhr zum nur drei Kilometer entfernten Rügenwalde (Darłowo), aus dem tatsächlich ursprünglich die gleichnamige Teewurst stammt. Der 2. Weltkrieg verschonte Rügenwalde und so präsentiert sich das Städtchen mit quasi intakter historischer Bebauung inklusive des Schlosses der pommerschen Herzöge. Für mich sehr erstaunlich war die Tatsache, daß sich die alte Bebauung in durchweg keinem guten Zustand befand. Nur hier und dort sah ich Ansätze zu zögerlichen Renovierungen. Wo blieb das Geld aus dem Tourismus? Fließt das ausschließlich nach Rügenwaldermünde?

Eigentlich geplant aber dann doch nicht realisiert habe ich einen Ausflug in das ganz in der Nähe gelegene Rügenwalde-Bad, welches 1936 zu Rügenwalde eingemeindet wurde und aufgrund seines Schießplates für schwere Artillerie große Bekanntheit erreichte. Dieser Schießplatz mit den dazugehörigen Gebäuden und einem Militärflugplatz erreichte fast die Größe einer Kleinstadt und die größten in der Wehrmacht - und weltweit - eingesetzten Geschütze wurden hier getestet. Dabei handelt es sich um die beiden Eisenbahn-Sondergeschütze "Schwerer Gustav" und "Dora", ausgestattet mit 80-cm-Kanonen.

Heute noch im Gebrauch der polnischen Luftwaffe ist der Militärflughafen, in Strandnähe und am Strand finden sich Bunker und andere Gebäude, die allerdings nur nach einem längeren Fußmarsch erreichbar sind, weshalb ich auf den Besuch verzichtete und stattdessen über die Straße 203 direkt nach Stolpmünde (Ustka) fuhr.

Stolpmünde / Ustka

Stolpmünde wurde - wie der Name es sagt - an der Mündung der Stolpe in die Ostsee erbaut und ist heute das größte Seebad zwischen Kolberg und Sopot. Aus diesem Grunde versuchte ich erst gar nicht, auf dem rechten, stadtseitigen Ufer, einen Parkplatz für mein Auto zu ergattern. Stattdessen fuhr ich auf der gegenüberliegenden Seite immer weiter nach Norden, was erstaunlicherweise funktionierte und wo ich direkt an der Marina parken konnte. In der Hochsaison ist das mit Sicherheit nicht möglich! Schon von weitem hörte ich laute Rumtata-Musik. Was war denn hier los? Bald stieß ich auf große Reklameschilder zur Batterie Blücher. Richtig, hier war im Zuge des Pommernwallbaus 1937 eine Küstenbatterie errichtete worden, die überregional groß beworben wurde. Ich ging in Richtung der Schilder und der Musik - und traute meinen Augen nicht: direkt neben den eingezäunten Bunkern (Eintritt zahlen!) war ein Bierzelt aufgebaut worden, wo eine Kapelle lautstark zum Entzücken der zahlreichen Besucher spielte. Daneben standen alte deutsche Geschütze und Zelte, in denen Militaria verkauft wurde. Das war ja mal eine ganz besondere Kulisse!

Ich ging zurück zum Hafen, in dem tatsächlich noch zahlreiche Fischerboote lagen sowie ein supermodernes SAR-Schiff festgemacht hatte. Wie auf Bestellung kehrte gerade eine Piratenschiffkopie von einer Ostseerundfahrt in den Hafen zurück. Eigens für die Einfahrt wurde die moderne Fußgänger Drehbrücke am historischen Leuchtturm geöffnet. Auf den Geschmack gekommen, entschloß ich mich doch zu einer Stippvisite auf der anderen Flußseite. Dort steht gegenüber der Kirche, völlig unpassend für den Ort, das Kino Delfin, dessen Fassade von 1936 der der Berliner Reichskanzlei ähnelt. Ansonsten machte das Städtchen einen herausgeputzten Eindruck und man konnte sich gut vorstellen, wie voll es hier im Sommer war.

Am letzten Tag meines Urlaubs hieß es Abschiednehmen aus Stolp, was mir bei 12 Grad und Nieselregen leicht gemacht wurde. Bis Köslin (Koszalin) führte die Straße nach Westen über die Dörfer, danach begann eine gut ausgebaute Autobahn, auf der ich flott voran kam. Ich schmiedete schon Pläne, einen Zwischenstop in Stettin (Szczecin) einzulegen, welches ich ja sowieso passierte. Die Idee zerschlug sich dann, als ich vor der Stadt in einen riesigen Stau geriet. Dieser wurde durch eine Großbaustelle an der Autobahnkreuzung A 6 und S 10 ausgelöst. Entnervt nach einer guten Stunde Stop and Go entschloß ich mich, doch direkt nach Berlin durchzufahren. Ich machte noch eine Stippvisite am Brandenburger Tor und schaute mir kurz das gerade fertiggestellte Humboldt Forum an, welches bei meinem letzten Besuch 2019 noch im Bau war. Die Nacht verbrachte ich in meinem gebuchten Appartement in dem mir aus nunmehr zig Aufenthalten gut bekannten Viertel Reinickendorf.

Fazit der Reise

Die von mir zusammengestellte Rundreise war sehr abwechslungsreich. Landschaftlich ist die Region sehr attraktiv, denn durch die letzte Eiszeit wurde ein abwechslungsreiches Gelände von Seen, Hügeln, Wäldern und flachem Arealen geschaffen. Gleichzeitig finden sich viele Dörfe und Städte, die auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken. Im östlichen Teil des Reisegebietes wirkte der Deutsche Orden und errichtete Gebäude in Backsteingotik. Ansonsten sind heute für den aufmerksamen Betrachter immer noch die durch den 2. Weltkrieg verursachten Bauschäden ablesbar. In ganz kurzem Abstand finden sich Orte quasi ohne Zerstörungen und oftmals sehr gut renovierten Zustand und Orte, die regelrecht von den direkten Kriegseinwirkungen oder den anschließenden Brandstiftungen zerstört wurden. Die Baulücken wurden in den 1960er und 70er Jahren kurzerhand durch funktionelle Plattenbauten ersetzt, die in keiner Weise in die gewachsenen Orte passen. Seit einigen Jahren wird ganz augenscheinlich versucht, den Anblick der Bauten durch den Aufsatz oder Vorsatz von historisierenden Elementen zumindest abzumildern. Ohne Ausnahme waren in allen von mir besuchten Orten die Kirchen, egal ob groß oder klein, nach allen Regeln der Kunst vorbildlich restauriert.
Seit dem Beitritts Polens zur EU sind gigantische Geldmengen in das Land geflossen und wurden in den flächendeckende Ausbau der Straßen und anderer Infrastruktur sowie in die Restaurierung von öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Museen und diverse Sehenswürdigkeiten gesteckt. Private Häuser sind zu vielleicht 50 % komplett renoviert, quasi alle haben aber bereits neue Dächer und Fenster.
In der Reiseregion stehen unzählige Herrenhäuser und Paläste, von denen eine ganze Anzahl bereits renoviert wurde oder gerade in Renovierung befindlich ist. Andere erlitten das Schicksal wie die in Ostpreußen, sie überstanden den Krieg, wurden Staatsgüter und gingen sehr häufig danach durch Brandstiftung in Flammen auf.


Literaturempfehlungen:

- Micklitza, André: Polnische Ostseeküste, 10. Aufl. 2020 (Trescher Verlag)
- Monzer, Frieder, Dydytch, Lena: Rund um Posen, Thorn und Bromberg, 2. Aufl. 2017 (Trescher Verlag)

Nützliche Links:

- Polska niezwykla Interaktive Karte für ungewöhnliche Besichtigungsorte in Polen
- Dwory i Pałce Polski Beschreibung polnischer Herrenhäuser und Paläste