Feldkommandostelle Hochwald

Als nächstes ging es zur sogenannten Schwarzschanze, Deckname "Feldkommandostelle Hochwald", Heinrich Himmlers 1941 (!) erbautes Hauptquartier während des 2. Weltkriegs, welches wenig erfolgreich 1945 von deutschen Truppen gesprengt wurde.
Es ist verwunderlich, daß man an der Straße bei Possessern (Pozezdrze) nur ein kleines Hinweisschild findet zu der ehemals großen Anlage aus neun Objekten, die seinerzeit sogar über einen eigenen Gleisanschluß verfügten. Bei meinem Besuch gab es nur einen kleinen Parkplatz mit sehr kleinem Hinweisschild zum Bunker. Vor allem fehlte ein Übersichtsplan über das gesamte Areal. Ärgerlicherweise wurde der Besucher insofern auch über die Länge des Anmarschweges im Unklaren gelassen (sicherlich 15 Minuten sehr schnelles Gehen).

Endlich hatte ich den Hochbunker erreicht, deutlich war sichtbar, daß man eine Sprengung versuchte, bei der sich das Dach des Bunkers wohl hob und einen Riß durch das Gebäude verursachte. Aber diese Bunker sind wohl für die Ewigkeit gebaut… Ich konnte nicht wiederstehen und ging - ausgerüstet mit Taschenlampe - in den Bunker. Gespenstisch im Licht leuchteten die von den Eisenträgern hängenden Stalaktiten. Rundherum war das ganze Gelände überwuchert und nichts mehr erkennbar…
Ein Tip zur Besichtigung: will man sich den langen Gehweg sparen, kann man direkt an der Hauptstraße Angerburg - Lötzen an einer kleinen Haltestelle parken und ein kurzes Stück Waldweg gehen. Die Haltestelle vorher im Navi definieren.

Walisko / Wolisko

Nach diesen Eindrücken stand der Besuch der Wisentzuchtstation in der Borkener Heide (Puszcza Borecka) auf dem Programm. Zum Glück standen hier überall Schilder, da die Zuwegung weit in den Wald hinein führte. An der Straße fand ich schöne Ausblicke auf Sümpfe mit Spuren von Bibern.
Den Eingang zur Forststation Wolisko bildete ein schönes Holztor. Neben dem sehr großen Gehege stand eine hölzerne Aussichtsplattform, von der aus man die fünf Tiere, ein Bulle, vier Kühe und ein Kalb beobachten konnte. Die Wisente sahen zwar exakt so aus, wie ihre Verwandten in Amerika, die Bisons, waren aber doch deutlich kleiner.

Neben den Tieren im Gehege existiert seit 1977 eine frei lebende Herde von 80-90 Tieren im Wald, die bei Zaunreparaturarbeiten entkamen. Diese können bejagt werden. "Spaß" an dem mehr als zweifelshaften Vergnügen halbzahme Tiere zu schießen, hatte der ehemalige König Juan Carlos von Spanien - aber der hat ja auch bei anderen Dingen, wie man gerade 2020 erfuhr, keine Skrupel.

Wolfsschanze

Die letzten Tage hatte ich mich immer vor einem Besuch der Wolfsschanze gedrückt, zu schlimm waren die Berichte in Reiseführern und einem Film, den ich im Fernsehen gesehen hatte. Demnach herrschten am ehemaligen Führerhauptquartier geradezu Wild-West Zustände: Rundfahrten mit altem Kriegsgerät zwischen den Ruinen, ein Schießstand und reihenweise selbsternannte, aufdringliche Fremdenführer. Ich war also auf das Schlimmste gefaßt und wurde eines Besseren belehrt: die ganze Anlage wurde aktuell komplett umgestaltet, ein Großteil, wie das Eingangsgebäude und der Parkplatz, waren schon fertig. Und die Eintrittspreise wurden augenscheinlich auch gesenkt: für nur umgerechnet 5 € konnte man den Wagen parken und das Gelände besichtigen. Arbeiter waren dabei, Rundwege zu pflastern und Gras einzusäen. An allen Gebäuden standen viersprachige Schilder mit sehr guten Erläuterungen.
Da man keinen Lageplan am Eingang erhielt, ist es sinnvoll, sich vorher eine Kopie aus dem Internet zu besorgen, um den Überblick über das ausgedehnte Areal zu behalten.
Ab 1940, nach Einstellung der Arbeiten am Masurischen Kanal, wurden riesige Bautrupps mit der Errichtung des Führerhauptquartiers und des OKW eingesetzt. Später ließ sich auch Himmler seinen eigenen Bunker, die Schwarze Schanze, bauen und weitere Anlagen in der weiteren Umgebung folgten. Das Lazarett der Wolfsschanze befand sich übrigens in meinem Wohnort in den ehemaligen Karlshöfer Anstalten.

Die gesamte Anlage gliederte sich in drei Sperrkreise und umfaßte an die 100 Objekte, einen Bahnanschluß und Flughafen sowie einen breiten Minengürtel samt Stacheldrahtzaun. Die Bunker hatten riesige Ausmaße und Deckenstärken bis zu acht Meter. Völlig irrwitzig ist die Tatsache, daß im Sommer und Herbst 1944, einer Zeit, in der ein Großteil der deutschen Städte bereits in Schutt und Asche lagen, der Ausbau der Gebäude noch weiter vorangetrieben wurde. Als Hitlers Bunker endlich fertiggestellt war (er hatte vorher im sog. Gästebunker gewohnt) bewohnte Hitler seinen Bunker nur noch 12 Tage! Er selbst verließ das Hauptquartier endgültig am 20.11.1944, als die Rote Armee weniger als 100 Kilometer entfernt war - und bezog den Führerbunker unter der Reichskanzlei in Berlin.

Am 24.1.1945 versuchte die Wehrmacht, die Gebäude zu sprengen - was bei den massiven Gebäuden aber nur teilweise gelang und eine bizarre Landschaft aus Beton hinterließ.
Nicht vergessen darf man, daß hier am 20.7.1944 das gescheiterte Attentat von Graf von Staufenberg auf Hitler stattfand. Von der Besprechungsbaracke ist nur noch die Bodenplatte erhalten. In einem Gebäude wurde aber eine sehenswerte Ausstellung zum Attentat gezeigt.
Nach Verlassen der Anlage entschloß ich mich, nicht zurück nach Karlshof (Karlowo) zu fahren, sondern in die andere Richtung. Dort sah man links der Straße die Bahnlinie, die den Sperrkreis 1 von 2 und 3 trennte. Die Gebäude, auch riesige Bunker, des Sperrkreises 2 waren frei zugänglich. Ich nahm einen erst mit Betonplatten, dann Feldkieseln gepflasterten Weg durch den Sperrkreis 3 , heute ein Wald. Eine wildromantische Strecke, allerdings nur im 1. Gang befahrbar. Der Weg schlängelte sich über zig Kilometer durch den Wald und vorbei an einem einsamen See. Man erreichte später die Hauptstraße nach Lötzen (Giżycko).

Mertenheim / Martinany

Beim Dorf Mertenheim (Martinany) kündete an der Straße rechter Hand ein Schild von einem Bunker. Ich hatte darüber im Reiseführer gelesen. Im Privatgarten einer Familie steht der einzige intakte Bunker in der gesamten Gegend. Er war bis in die 1970er Jahre durch eine Scheune getarnt und deshalb nicht abgerissen worden. Ich hatte Glück: die Besitzerfamilie mit dem etwas englischsprechenden Sohn saß auf der Veranda und letzterer führte mich für 5 Zloty Eintritt in das Gebäude. Alle Metallgegenstände hatte man demontiert, ansonsten war der Bunker noch im Originalzustand - inkl. der deutschen Inschriften.

Lötzen / Giżycko

Nun fuhr ich weiter nach Lötzen (Giżycko) und besichtigte die Festung Boyen. Diese wurde, wie auch die Festung Küstrin, ab 1844 aus Millionen von Ziegelsteinen sternförmig im vaubanschen Stil erbaut - eigentlich seinerzeit schon aus der Zeit gefallen.
Eine herausragende Stellung nahm die Festung im 1. Weltkrieg ein. Im August 1914 stand hier der Führer der Streitkräfte in Ostpreußen Paul von Hindenburg einer übermächtigen russischen Armee gegenüber und durch sein Geschick konnte die Feste gehalten werden. Im 2. Weltkrieg von 1942-45 befand sich in der Festung die Abwehrdienststelle von Admiral Canaris, insbesondere wurden hier gefangene russische Soldaten verhört. Das Gelände wurde 1945 dann kampflos geräumt und blieb dadurch unzerstört. In einem der Gebäude befand sich eine sehenswerte, teilweise deutschsprachige Ausstellung zur Geschichte der Region.
Leider regnete es mittlerweile in Strömen. Ich schaute mir noch die bekannte Drehbrücke über den Lötzener Kanal an, der den Mauersee (Mamry) mit dem Löwentin See (Niegocin) verbindet. An der alten Brücke befanden sich die Fragmente der alten Ordensburg, heute in ein Hotel integriert.
Weiter fuhr ich in Richtung des Jachthafens, einer ziemlich verbauten Gegend. "Verschlimmbesserte" kaiserzeitliche Gebäude wechseln sich ab mit modernen Bauten, touristische Infrastruktur nicht der schönsten Art. Lötzen ist eben schon seit Kaisers Zeiten ein bekanntes Touristenziel. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wieviel Betrieb hier in den Sommermonaten herrscht! Jedenfalls war ich froh, hier nicht, wie ursprünglich geplant, mein Quartier genommen zu haben, sondern im beschaulichen Karlshof (Karlowo).

Schloß Eichmedien / Nakomiady

Der nächste Tag weckte mich mit strahlendem Sonnenschein. Das wollte ich ausnutzen und fuhr die ca. 10 Kilometer nach Süden zum Schloß Eichmedien (Nakomiady), dem Reiseführer zufolge einem der am besten restaurierten Schlösser in ganz Polen.
Das Barockschloß war nach dem Ende der sozialistischen Zeit nur noch ein mehr als baufälliges Gemäuer, bis es ein Warschauer Ende der 1990er Jahre zur Verwirklichung seines Lebenstraumes auserwählte und liebevoll bis ins Detail wiederherstellte. Mit ihrem Wissen unterstützten ihn dabei die Nachfahren der ehemaligen Besitzerfamilie von Redecker, deren Familienmausoleum sich im Schloßgarten befindet.
Im Gebäude selbst ist ein Schloßhotel untergebracht. Der alte englische Landschaftspark wurde restauriert und eine Barockgartenanlage samt Küchengarten angelegt. Auf dem Gelände befand sich auch eine Keramikmanufaktur, wo man den Angestellten bei der Arbeit an Repliken traditioneller Keramiken - besonders Kachelöfen - zuschauen konnte. Selbstverständlich konnte man auch ausgesprochen hübsche (kleine) Dinge erwerben.

Immer weiter nach Süden führte mich mein Weg, Ziel war die Autofähre bei Wiersba (Wierzba) zwischen Spirding- und Beldahnsee inmitten des masurischen Landschaftsparks. Die Straße zur Fähre führte über mehrere Kilometer auf einem Sandweg durch den Wald, was etwas irritierend war. Auf das alte Fährvehikel paßten gerade mal drei Autos und los tuckerte die Fähre entlang eines Stahlseils zur anderen Seite. Bei schönstem Wetter an diesem Samstag passierten viele Motor- und Segelboote die Engstelle.

Popiellnen / Popielno

Auf der anderen Seite war es vielleicht noch 1 Kilometer und man erreichte das zoologische Forschungszentrum der polnischen Wissenschaftsakademie. Seit 1955 wurden hier auf dem alten Gutshof Popiellnen (Popielno) Biber, Wisente und Wildpferde gezüchtet und ausgewildert. Begonnen hatte das Experiment aber bereits 1936, als ein polnischer Wissenschaftler begann, den Tarpan, ein Anfang des 19. Jahrhunderts ausgestorbenes europäisches Wildpferd zurückzuzüchten. Während der deutschen Besatzung wurden viele der Tiere nach Deutschland überführt, um das Experiment weiterzuverfolgen. Die britischen Besatzer schickten nach dem Krieg die Tiere wieder nach Polen zurück, wo die Zucht des Koniks in Białowieża begann und dann nach Masuren verlegt wurde. Gezüchtet wurden und werden die Tiere in zwei Gruppen: freilebend im Wald und auf dem Gelände der Station.
Schön anzusehen war auch die direkt nebenan gelegene Marina von Popielno und einige typische masurische Holzhäuser.

Nikolaiken / Mikołajki

Der Rückweg führte mich durch "den" touristischen Hotspot der Gegend, Nikolaiken (Mikołajki), gelegen an der Wasserenge zwischen Talter Gewässer und Nikolaier See. Selbst am Tag meines Besuches bei sehr mäßigem Wetter waren Menschenmengen unterwegs. Am Marktplatz und drumherum dominierten Souvenierstände und Restaurants das Bild. Es gab einen großen Jachthafen, mehrere häßliche, recht neue Hotels und natürlich die Ausflugsdampfer der Weißen Flotte. Ich möchte lieber nicht wissen, was hier im Hochsommer los ist!
Tip am Rande: jeder Parkzentimeter des Städtchens ist kostenpflichtig oder es herrscht Parkverbot. Direkt am großen Ziegelgebäude der alten Mühle (nun Disko) steht ein Biedronka Supermarkt mit kostenfreien Parkplätzen zur Verfügung.

Rastenburg / Kętrzyn

Nun endlich wollte ich mir auch einen Eindruck von Rastenburg (Kętrzyn) verschaffen.
Die Stadt ist natürlich auch eine Gründung des Deutschen Ordens (1329) und mit heute 28.000 Einwohnern sehr überschaubar. Nachdem sie am Ende des 2. Weltkriegs in Flammen aufging, wurden zahlreiche Sehenswürdigkeiten zerstört, aber wieder aufgebaut. Prägnant sind u.a. die gotische Wehrkirche, die Ordensburg, die Rathäuser und eine Freimaurerloge. Direkt an die Ordensburg angrenzend wurden einige kriegsbedingt entstandenen Freiflächen mit Plattenbauten besetzt. Gleichzeitig wurde ebenfalls in direkter Nachbarschaft der Burg ein Jugendstilgebäude phantastisch restauriert. Daneben finden sich z.B. in der Bahnhofsgegend noch zahlreiche Gebäude aus deutscher Zeit, allerdings in schlimmem Zustand. Wieder als Gestüt dient auch das alte Landgestüt, welches früher eines der führenden Gestüte in Ostpreußen war. Ebenfalls werden die zahlreichen alten Schulten in Rastenburg heute auch weiterhin als Schulen genutzt.

Heilsberg / Lidzbark Warmiński

Wegen des schönen Wetters an einem Tag entschloß ich mich zur Besichtigung diverser, weiter entfernt liegender Städte. Erstes Ziel war die ca. eine Autostunde entfernt im Ermland liegende Stadt Heilsberg (Lidzbark Warmiński). Auf dem Weg dahin veränderte sich die Landschaft merklich. Man verläßt das sehr hügelige Masuren und fährt in das viel flachere Ermland.

Heilsberg war die Residenzstadt der Fürstbischöfe von Ermland und die mächtige Bischofsburg nach der Marienburg das bedeutendste Bauwerk der Deutschritter im Ordensland. Direkt angrenzend an die Burg bauten die Kirchenfürsten im Stil der Ordensritterburgen ein Kastell samt Vorschloß und Wassergräben und Bergfried. Die gesamte Anlage wurde nach Zerstörungen in 2. Weltkrieg restauriert und erneut in den Jahren 2015-16 mit Geldern aus Island, Norwegen und Liechtenstein und präsentierte sich in einem phantastischen Zustand. In den Gemäuern befand sich das Ermländische Museum. Sehenswert war auch das imposante Hohe Tor aus dem 14. Jahrhundert und die nahe gelegene ehemalige evangelische Kirche nach Entwürfen von Schinkel. Um 1400 wurde auch die mächtige gotische Hallenkirche Stankt Peter und Paul fertiggestellt, dessen Turm 70 m hoch ist. Ansonsten befand sich die Altstadt in einem durchwachsenen Zustand. Einige Häuser aus deutscher Zeit waren restauriert, andere in bedauernswertem Zustand. Mitten in die Stadt wurden zudem früher Plattenbauten gesetzt.

Auf meinem Weg zum nächsten Ziel kamen mir zahlreiche russische LKW entgegen, die wohl beim großen Grenzübergang Bezledy-Bagrationowsk in Polen eingereist waren. Für LKW-Verkehr war der Grenzübergang geöffnet, für Privatverkehr coronabedingt immer noch geschlossen. Es mutete schon merkwürdig an, auf dem Verkehrsschildern der Umgebung zu lesen: Kaliningrad: 70 km.

Gallingen / Galiny

Nun führte mich mein Weg Stück für Stück wieder zurück Richtung Rastenburg. Unbedingt gesehen haben muß man in dieser Gegend den ehemaligen ostpreußischen Herrensitz Gallingen (Galiny), der dem Grafen von Eulenburg aus einem der bedeutendsten Adelsgeschlechter des Kaiserreiches gehörte.

Keine Frage, das im neogotischen Geschmack umgestaltete Schloß war hübsch. Was die Anlage aber so sehenswert machte, ist das Gesamtensemble. Hier stand Schloß, Schloßpark und vor allem Dingen ein völlig intaktes Vorwerk zusammen und vermittelte den Eindruck einer solchen historischen Gesamtanlage. Im Schloß befand sich ein Hotel und das Vorwerk diente als Reiterhof.
Schön war auch die unweit gelegene Kirche mit Treppengiebel.