Exkurs: Zuckeranbau

Bis 1980 war Mauritius fast vollständig vom Zuckerexport abhängig. Heute steht die Zuckerindustrie an dritter Stelle hinter Textilindustrie und Tourismus bei der Erwirtschaftung des BIP. Trotzdem werden heute immer noch 70 % der LNF mit Zuckerrohr bebaut. Lohnend ist das dadurch, daß Mauritius als Mitglied des Commonwealth ungehinderten Zugang zum europäischen Markt hat und Zucker zu hohen EU-Preisen exportieren kann. Durch festgelegte Quoten führt das in schlechten Erntejahren zur perversen Situation, daß das "Zuckerland" selbst Zucker importieren muß. Um diesen Wahnsinn zu stoppen, laufen z.Zt. WTO Verhandlungen, die Zuckerrohrpreise auf Weltmarktniveau zu senken. Dies dürfte für Mauritius sowie andere Zuckerrohr-exportierende Staaten fatale Folgen haben, weil bislang kein Anreiz zur Diversifizierung der Landwirtschaft bestand. Hinzu kommt, daß fast 80 % der Flächen per Hand geerntet werden und somit viele Arbeitsplätze wegfielen.

Goodlands ist die größte Stadt des Nordens und gruppiert sich entlang einer Hauptstraße, auf der es hektische Betriebsamkeit gab. Wir suchten einen Parkplatz, was sich als sehr schwierig herausstellte, und gingen die Straße entlang. Wie überall in den Tropen gab es offene Geschäfte und Verkaufsstände auf dem Bürgersteig. Ganz auffällig war die Bevölkerung, die sich offenbar fast ausschließlich aus ethnischen Indern zusammensetzte. Insgesamt sind 70 % der mauritianischen Bevölkerung indischstämmig, so auffällig wie in Goodlands ist es aber selten. Nach der Befreiung der Sklaven schafften die Briten ab 1836 in großen Mengen Inder auf die Insel, um das Zuckerrohr zu ernten. Die einzelnen Bevölkerungsgruppen, die von den Franzosen als Sklaven verschleppten Schwarzafrikaner und Madegassen sowie die Inder haben sich kaum vermischt und auch heute noch kann man klar die Herkunft einzelner Menschen ablesen. Eine Urbevölkerung gab es übrigens auf Mauritius nicht. Jedenfalls dominierten die Saris der Frauen das Straßenbild von Goodlands.

In Poudre d'Or traute ich meinen Augen nicht: am Rande eines Zuckerrohrfeldes mitten zwischen Palmen stand eine typisch englische Kirche inklusive quadratischem Turm. Was für ein Anblick! Ungewöhnlich war für uns auch die Besichtigung eines großen Hindutempels bei Mon Loisir. Eigentlich wollten wir anders fahren, hatten aber bei der miserablen Beschilderung (Varianten: gar keine, in die falsche Richtung zeigend, zugewachsen oder nur von einer Richtung angebracht) den Weg verpaßt. Jedenfalls sahen wir den großen Tempel, auf dessen Zuwegung wir schon aus religiösen Gründen die Schuhe ausziehen mußten. Im Tempel selbst wurden wir von einem Priester begrüßt, der aus Südindien stammte und für zwei Jahre nach Mauritius geschickt worden waren. Leider sprach er nur sehr wenig Englisch, versuchte aber, uns die Fresken zu erläutern. Nachdem er eine Zeremonie für uns abgehalten hatte, durften wir auch photographieren.

Ärgerlich war die Fahrt nach Mapou. Im Reiseführer war auf "eines der schönsten Kolonialhäuser der Insel", dem Château de Villebague des Gouverneurs Mahé de Labourdonnias hingewiesen worden. Das Haus stellte sich als Privatbesitz und nicht zu besichtigen heraus. Hinzu kam, daß es total zugewachsen war und man nichts, aber auch gar nichts sehen konnte. Dafür hatte ich halsbrecherisch an der Straße geparkt!

Einen Tag nutzten wir zu einer Fahrt an die Ostküste. Durch die endlosen Zuckerrohrfelder, wo wir immer wieder die Schornsteine der alten verlassenen Zuckermühlen sahen, erreichten wir Poste de Flacq. Auf einer Landzunge befindet sich neben zig anderen Hotels auch das St. Géran, mit eines der besten Hotels der Insel. Wir nutzen die Gelegenheit, es zu besichtigen. Es stellte sich als viel größer und unpersönlicher als das Royal Palm heraus. Entlang der Küste mit pinienbestandenen Strandabschnitten ging es weiter nach Süden nach Trou d'Eau Douce. Hier wollten wir das ebenfalls zur Kette "Leading Hotels of the World" gehörende Touessrok besichtigen, wurden aber nicht hereingelassen. Man sei ausgebucht und könne keine Zimmer zeigen, war die Begründung. Dann eben nicht...

Die gewonnene Zeit nutzten wir zur Besichtigung der Stadt Bel Air, wo auch entlang der Hauptstraße das Leben pulsierte. Wie schon bei Poudre d'Or gab es eine typisch englische Kirche im Stadtzentrum. Über eine schmale Straße fuhren wir entlang des Montagne Blanche Richtung Camp de Masque. Zu unserer Verwunderung wurde hier neben dem allgegenwärtigen Zuckerrohr auch in größeren Mengen Ananas angebaut! Weiter im Norden bei Bon Accueil brauchten wir einige Zeit, bis wir die schmale Straße finden sollten, um zum Reservoir La Nicolière zu gelangen. Die Route war wunderschön, weil man oben in den Bergen durch schöne Wälder fuhr - eine echte Abwechslung zum dauernden Zuckerrohr! Rechts abgebogen wand sich die Straße dann in abenteuerlichen Haarnadelkurven hinunter zum Wasserreservoir, oberhalb dessen einige Einheimische picknickten. Sofort wurden wir sehr freundlich angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Das Reservoir selbst war im mauritianischen Hochsommer nur noch zu 45 % gefüllt. Es dient, neben zahlreichen anderen auf der Insel, nicht nur zur Trinkwasserversorgung, sondern auch ganz wesentlich zur Bewässerung vieler Zuckerrohrfelder. Immerhin 20% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Insel wird bewässert. Von einem Aussichtspunkt beim Reservoir hatten wir einen phantastischen Ausblick auf den Osten der Insel bis zur Küste.

Der Nordwesten der Insel

Die bekannteste touristische Attraktion der Insel ist der Botanische Garten von Pamplemousses, den ich einen Tag alleine besuchte. Gouverneur Pierre Poivre hatte die Idee, den Gewürzmonopolhandel der Holländer zu brechen und pflanzte alle für ihn erreichbaren Gewürze und Pflanzen in Pamplemousses an. Er war so erfolgreich, daß in der Tat Ende des 18. Jahrhunderts das Monopol der Holländer geknackt war. Heute ist der Botanische Garten einer der bekanntesten der Welt und nur hier bekommt man noch einen Eindruck von der ursprünglichen Vegetation der Insel, bevor die gigantischen Ebenholzbäume der Plantagenwirtschaft und dem Schiffsbau geopfert wurden. Am meisten photographiert ist wohl die Wasserlilie Victoria regia mit ihren riesigen Blättern.

Der Eintritt zum Garten ist erstaunlicherweise kostenfrei, am Eingang befindet sich aber ein Überdach, unter dem lizensierte Guides auf Kunden warten. Da die Beschriftung der Pflanzen schlecht ist, sollte man bei weitergehendem Interesse so einen Guide zu einem festgesetzten Tarif engagieren. Ich hatte darauf aber keine Lust und betrat alleine den Garten. Prompt wurde ich mehrfach von unlizensierten Guides auf Kundenfang angesprochen (was streng verboten ist). Um die Einhaltung der Regel zu kontrollieren, patrouillieren zahlreiche Polizisten im Garten. So dauerte es nicht lange, bis ich von einem Polizisten auf Mountainbike angesprochen wurde - vorgeblich, um mich vor den unlizensierten Guides zu warnen. Eigentlich nutzte er aber nur die Chance, sich mit der allein gehenden Touristin zu unterhalten. Es entspann sich ein freundliches Gespräch über die Geschichte der Insel, die Weltpolitik im allgemeinen und besonderen. Jedenfalls erbot sich der nette Polizist indischer Herkunft und muslimischem Glaubens dann, mir den Garten persönlich zu zeigen. Als "Bezahlung" erbat er meine Adresse! Das war schon sehr lustig.

Den Rückweg nach Grand Baie wollte ich nicht wieder den Motorway fahren, sondern die Straße an der Küste entlang. Meiner sehr guten Karte nach gab es eine Verbindungsstraße von Pamplemousses nach Westen - für mich blieb sie unauffindbar. Immer wieder kam ich auf das Gelände einer Zuckerfabrik bzw. in die Wohngebiete der Angestellten. Entnervt fuhr ich den Motorway dann ein Stück nach Süden bis ich den Abzweig über Arsenal fand, wo ich dann durch Zuckerrohrfelder schließlich die Bucht von Balaclava, angeblich eine kreolische Verballhornung von "black lava", fand. Hier wollte ich die laut Reiseführer "malerischen Ruinen" des ehemaligen Pulverlagers der Kolonie oberhalb der Flußmündung anschauen. Sie blieben unauffindbar versteckt zwischen den Hotelanlagen des Maritim und Oberoi. Auch hier stimmte meine Landkarte von 2001 nicht mehr mit den Gegebenheiten vor Ort überein, zudem war nirgends auch nur ein Hinweisschild auf diese doch angeblich so wichtige Sehenswürdigkeit zu finden. Schade... Entschädigt wurde ich durch den großen öffentlichen Beachpark neben dem Oberoi, von dem aus ich den hohen Wellengang am nah vorgelagerten Riff betrachten konnte. Erstaunlicherweise sah ich niemanden surfen. Vielleicht war das hier doch nicht so ungefährlich....

Also fuhr ich weiter nach Norden in Richtung des bekannten Urlaubsortes Trou aux Biches. An der Strandstraße fanden sich zahlreiche Beachparks und erst bei Trou aux Biches war der Blick auf das Meer verbaut. Ich nutzte die mir noch verbleibende Zeit zu einem Abstecher nach Triolet, vor allem bekannt durch seinen großen Hindutempel. Der Ort zog sich in schon bekannter Manier entlang einer Hauptstraße mit sehr geschäftigem Leben. Um nicht direkt zum Hotel zurückzufahren, entschloß ich mich zu einem Umweg über Pointe aux Canonniers, dem unserem Hotel gegenüberliegenden Teil der Bucht von Grand Baie. Die Bebauung wurde sehr dicht, Haus, teilweise villenartig, reihte sich an Haus, nur an einer Stelle unterbrochen durch einen Beachpark. Man fühlte sich schon direkt an die Situation an der Côte d'Azur erinnert. Die Straße wurde immer enger und schlechter und zog sich hin. Ich war fast schon versucht, umzudrehen, fuhr dann aber doch weiter. Dann erreichte ich plötzlich wieder einen kleinen unbebauten Strandabschnitt - exakt am Eingang der Buch gegenüber unserem Hotel. Interessiert hielt ich an und schaute mich um. Auf einmal wurde ich von einem Einheimischen angesprochen, der mit seinem Auto auch an dem Strand stand. Er stellte sich als Paul vor, der für den MBC (Mauritian Broadcasting Service) arbeitet. Es entspann sich ein ungeheuer interessantes Gespräch, in dem sich Paul als höchst kompetenter Gesprächspartner herausstellte. Er war gerade aus China zurückgekommen ("wir werden uns alle über die noch wundern"), war aber auch in Madagaskar gewesen ("unvorstellbare Armut") als auch im französischen Réunion ("die leben alle von Subventionen - dort arbeitet keiner"). Er selbst versuchte über den Großhandelsverkauf von Batterien zusätzliches Geld zu verdienen. Als Hindu schimpfte er über die Moslems, die angeblich ein "Batterienverkaufskartell" bildeten. Ganz so problemlos stellte sich das Zusammenleben der Religionen also doch nicht dar. Wir redeten und redeten, so daß Paul mich zu einem Getränk einlud. In seinem Auto ging es zu einer Straßenkneipe von Bekannten von ihm und ich erfuhr viele Infos über die Insel. Angefangen vom Niedergang der Textilindustrie (viele Designerfirmen wie Boss hatten sich wegen der niedrigen Löhne auf Mauritius angesiedelt und gehen jetzt zum nahegelegenen Madagaskar, weil die Löhne dort noch niedriger sind), von der Energiegewinnung durch Bagasse (dem Pflanzenabfall aus der Zuckerindustrie) und Solarenergie, sprachen wir über den zunehmenden Tourismus auf der Insel und die vielen dafür nötigen Importe. Paul bestätigte voll und ganz den Eindruck, den ich von den Einheimischen bislang gewonnen hatte: sehr kommunikativ ohne aufdringlich zu sein, sehr freundlich und interessiert - kurz: höchst angenehm. Ganz spät nachmittags kehrte ich nach dieser netten Begegnung wieder ins Hotel zurück.

Als sehr sehenswert stellte sich der Besuch der Kolonialvilla Eureka heraus. Die Villa liegt nicht weit vom Motorway bei Moka (südlich von Port Louis) inmitten eines 47 ha großen tropischen Gartens. Nach Zahlung eines happigen Eintrittspreises betraten wir das aus dem Jahre 1830 stammende Herrenhaus, was einen Hauch von kolonialem Flair vermittelte. Das aus Hartholz bestehende Haus war von Engländern im französischen Stil erbaut worden und ist eines der wenigen Gebäude der Insel, das Zyklonen und anderen Unwägbarkeiten widerstanden hat. Besonderheit des Hauses sind die 109 Türen, die in Zeiten noch nicht existierender Klimaanlagen für angenehme Temperaturen sorgten. Im Haus finden sich noch original Möbel aus der Zeit, ein kleines Restaurant und in den benachbarten Häusern der ehemals Bediensteten wird Kunsthandwerk verkauft. Wir machten uns bei der Hitze die Mühe, den steilen Trampelpfad zu dem vorbeifließenden Flüßchen mit Wasserfällen und Gartenpavillon zu unternehmen.

Durch diese positiven Eindrücke entschlossen wir uns, die im Reiseführer angepriesene Domaine les Pailles zu besichtigen. Sie liegt direkt südlich von Port Louis und sollte eine Art nachgebautes Freilichtmuseum sein. Wir wurden aus der Anlage nicht recht schlau. Man konnte auf den riesig dimensionierten Parkplatz fahren, wurde aber nirgends aufgefordert, Eintritt zu bezahlen. Wir sahen auf dem riesigen Gelände verstreut zig Restaurants sowie ein große (Veranstaltungs-?) Halle. Von der angeblich fahrenden Eisenbahn sahen wir nur die Schienen, unter einem Abdach döste ein Pferd vor einer Kutsche. Endlich erreichten wir die Attraktion, wegen der ich dort eigentlich hingewollt hatte: eine nachgebaute Zuckermühle. Tatsächlich hatte man auch einen Ochsen angespannt und es lag einiges an Zuckerrohr herum. Der Ochsentreiber fragte uns nach unserer Eintrittskarte, die wir nicht hatten. Wo sollte denn der Verkauf gewesen sein? Wir hatten nichts gesehen. Nein, ohne Karte könnte er uns die Mühle nicht vorführen. Ich war stinksauer, denn zurück zum Eingang, wo es angeblich Karten geben sollte, war es durch die Gluthitze sicher 15 Minuten zu laufen - ein Weg. Die angeblich vorhandene Rumdestillerie und das Maskenmuseum suchten wir erst gar nicht. Den großen Parkplätzen nach zu schließen muß auf dem Gelände zu irgendeiner Zeit richtig was los sein. Als wir dort waren, war weit und breit kein Tourist zu sehen und der Besuch ein riesiger Flop.

Sehr informativ war die Besichtigung der Zuckerfabrik l'Aventure du Sucre in Beau Plan bei Pamplemousses, direkt an dem Motorway gelegen und gut ausgeschildert. Komischerweise wurde sie in keinem Reiseführer erwähnt und wir wurden nur durch die Schilder an der Straße aufmerksam. Eigentlich hatten wir nur eine Ausstellung über die Geschichte der Zuckerherstellung erwartet und waren über den Eintrittspreis von 250 Rupees (ca. 8 Euro) erstaunt, wurden dann aber eines Besseren belehrt. In einer riesigen Halle wurde die ganze Geschichte der Insel in extenso vorgestellt, inklusive der Geschichte der Sklaverei und Einwanderung. Die Geschichte des Zuckers und die Zuckerherstellung war nur ein Bestandteil der Exposition. Neben alten Maschinen war sogar ein Verladekahn aufgebaut. Vor und in der Fabrik standen alte Dampfloks, die die Zuckerrohrwaggons von den Feldern gezogen hatten. Groß prangte darauf ein Schild: hergestellt in Berlin! Für den Besuch der multimedialen Ausstellung sollte man ausreichend Zeit einplanen. Zucker ist nach wie vor Hauptwirschaftsfaktor und hat der Insel sein Gesicht verliehen. Nach einem Besuch der Ausstellung versteht man viele Gegebenheiten auf Mauritius, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art, viel besser.