Rundfahrt nach Stöng und zur Hekla

Von den lokalen Anbietern wurden häufig Fahrten bis zum Landmannarlaugar angeboten, aber mir war schnell klar, das wir das an einem Tag nicht schaffen könnten. Hinzu kam, daß der letzte Teil des Weges wohl auch nur für Allradfahrzeuge geeignet war. Also begnügten wir uns mit einer Tour nur bis hinter Stöng.
Los ging es über die bekannte Rindstraße 1 durch Lavafelder nach Hveragerði, der Gartenstadt Islands. Schon von weitem sah man die Dampfsäulen, die dort genutzt werden, um Treibhäuser für Gemüse und Blumen zu beheizen. Die weitere Fahrt nach Selfoss führt durch für Island grünes, landwirtschaftlich genutztes Gebiet. 15 Km hinter Selfoss zweigt die 30 ab und nach weiteren 20 Km die 32. Beide Straßen führen durch landschaftlich langweiliges Agrarareal. Fährt man nochmals 30 Km, erreicht man endlich die erste Attraktion der Tour, die etwas abseits der Straße liegt, den zweigeteilten Wasserfall Hjálparfoss. Ganz in der Nähe findet sich das Wasserkraftwerk Búrfell samt Werkssiedlung. Highlight der Gegend ist hingegen der rekonstruierte Wikingerhof þjóðveldisbærinn. Ganz in der Nähe bei Stöng hatte man schon 1939 bei Ausgrabungen die Rudimente eines wikingischen Hofes entdeckt, der 1104 bei dem Ausbruch des Vulkanes Hekla verschüttet wurde. Durch die Asche wurde er hervorragend konserviert und bildete die Vorlage für þjóðveldisbærinn. Leider war auch dieses Museum im Mai nicht geöffnet und konnte nur von außen betrachtet werden.
Nun wollten wir einige Kilometer weiter auch den mit 120 m Fallhöhe sehenswerten Wasserfall Háifoss besichtigen. Angeblich sollte die Schotterpiste auch für normale Autos befahrbar sein, was sich als blanker Unsinn herausstellte. Schon zu Beginn des Weges lagen dicke Steine und die Mittelpartie war so hoch, daß man mit dem Bodenblech auflief. Also fuhren wir durch eine Lavaschwemmlandschaft weiter entlang des Flusses þjórsá, den wir irgendwann überquerten und die 26 nach Süden nahmen. Die war eine gute befahrbare Schotterpiste und brachte uns am Fuße der Hekla vorbei. Dieser 1491 m hohe Kegelvulkan ist immer mit Eis bedeckt und der aktivste der isländischen Vulkane. Der letzte Ausbrüche datieren erst aus den Jahren 1980, 1981, 1991 und 2000! Wir konnten bei bestem Wetter die schneebedeckte Kuppe in der Sonne glänzen sehen. Die 26 führte schnurgerade nach Südwesten durch eine flache Aschelandschaft. Ich fühlte mich wie auf der Ralley Paris-Dakar. Die Staubwolke, die das Auto hinterließ, war atemberaubend. Überall sahen wir Meßstellen über Erdbebentätigkeit im Boden und nach 26 Km hatten wir endlich wieder die asphaltierte Straße erreicht. Zurück ging es durch zunehmend landwirtschaftlich genutztes Gebiet, auf vielen der ruppigen Grasflächen standen Herden von Isländerpferden, die uns neugierig nachschauten. Nach über 8 Stunden hatten wir endlich wieder Reykjavik erreicht.

Immer schon hatte ich vorgehabt, irgendwann auch einmal auf einem Isländer zu tölten. Islandpferde sind sogenannte 5-Gänger und beherrschen neben Schritt, Trab und Galopp auch Tölt und Rennpaß, beides sehr schnelle Gangarten.
An einem Nachmittag hatte ich dann über das Hotel eine Trailtour im benachbarten Hafnafjöður gebucht, Abholung inklusive. Ein extrem unfreundlicher Fahrer holte mich und noch einige andere Leute aus unserem Hotel ab und wir luden unterwegs noch andere Personen ein, was lange dauerte. Als wir schließlich mitten in Reykjavik waren, mußten wir ohne Erklärung von einem Kleinbus in den anderen wechseln. Auch dessen Fahrer war sehr muffelig.
Mit Verspätung kamen wir schließlich bei Íhestar an. Chaotisch die Ausgabe der Versichungserklärungen und Reitsachen. Schließlich wurden uns etwa 40 Leuten die Pferde zugeteilt. Isländer legen großen Wert darauf, daß ihre Tiere nicht als Ponys abqualifiziert, sondern als vollwertige Pferde anerkannt werden - trotz ihrer Ponygröße von durchschnittlich 1,35 m Stockmaß. Jeder Teilnehmer wurde über seine Reiterfahrung befragt und dann ein Tier zuteilt. Hier beging ich den absoluten Kardinalfehler, in dem ich sagte, ich ritte viel. Also wurde mir ein Wallach unaussprechlichen Namens zugeteilt, vermutlich das beste Tier, was sie für eine solche Tour zu bieten hatten. Begleitet wurden wir von zwei netten Mitarbeitern des Stalls, eine Deutsche ritt vorweg und ein Isländer kümmerte sich um die nachfolgenden Reiter. Ich ritt ziemlich hinten und merkte sofort, was für einen Feuerstuhl man mir zugeteilt hatte. Nicht nur, daß es dem Wallach nicht paßte, hinten zu laufen, auch der langsame Schritt war gar nicht nach seinem Geschmack. Ich, an englisch reiten gewöhnt, fand mich mit vorgestreckten Beinen auf einem flachen Islandsattel auf einer Tonne auf vier kurzen Beinen die nur eins im Sinn hatte: rennen! Dramatisch wurde es immer, wenn sich unser Begleiter bis zu uns nach hinten hatte zurückfallen lassen, um dann im schnellen Tölt nach vorne aufzuschließen. Das nahm mein Wallach jedes Mal zum Anlaß zu versuchen, hinterherzurennen.
Wir ritten über die Lavafelder entlang des Helgafell Vulkans über grobe Schotterpisten, die die beschlagenen Pferdchen problemlos meisterten. Dann teilte sich die Gruppe zu meinem Schrecken auch noch in einen langsame und schnelle. Dankend reihte ich mich in die langsame ein. Ich mußte nun nicht ausprobieren, ob der Wallach auch perfekt Rennpaß beherrschte! Das sah ich nämlich bei den Privatleuten, die uns auf den Reitwegen auf ihren Tieren entgegenkamen. Es war Samstag und entsprechend viel los. Ich hatte diese so knuddelig aussehenden "Isis" total unterschätzt. Auch viele Privatreiter hatten ihre liebe Müh, ihre Tiere im Zaum zu halten. Nun war mir klar, was man mit "spirited horse" meinte! Die große Stunde meines Wallachs schlug, als ein Teil unserer Gruppe zurückgefallen war und wir aufschließen mußten. Endlich konnte er mal richtig lostölten! Es ist zwar ein ruhiges Sitzen aber doch sehr gewöhnungsbedürftig. Um ehrlich zu sein war ich heilfroh, als wir nach etwa 1,5 Stunden wieder am Stall waren. Ich war auch das Staubschlucken leid.
Der Rücktransport war noch chaotischer als die Hinfahrt. Erst mußten wir über 30 Minuten warten, bis ein Bus kam, der erwies sich als zu klein. Nach weiterem Warten kam wieder ein zu kleiner Bus, der zumindest einen Teil der Leute mitnahm, der Rest mußte weiter warten. Das war extem ärgerlich und bei einem Komplettpreis von immerhin 4.600 ISK nicht akzeptabel. Die Betreuung durch die Begleiter beim Reiten hingegen war sehr gut. Hätte ich ein anderes, ruhigeres Pferd gehabt, hätte ich auch mehr Spaß gehabt.

Am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes nahmen wir dann noch an einer Walbeobachtungsfahrt teil. Zwei Mal hatten wir das schon auf Hawaii mitgemacht und auch Buckelwale gesehen, was mich faszinierte. Nun starteten wir um 9 Uhr mit einem Motorkatamaran vom alten Hafen in Reykjavik bei strahlendem Sonnenschein aber kühlem Wind. Das Schiff war unheimlich stark motorisiert und schnell befanden wir uns in der Buch vor Reykjavik. Schon nach kurzer Zeit bei völlig flacher See und damit optimalen Sichtbedingungen sahen wir den ersten Schweinswal, den mit ca. 2 m Länge kleinsten Wal vor Island. Weiter ging die Fahrt mit gedämpftem Tempo und angestrengtem Schauen. Da waren sie! Die ersten Zwergwale - mit 10 m Länge und 10 Tonnen Gewicht nun wirklich keine Zwerge! Die Tiere waren extrem zutraulich und ließen sich von dem Schiff kaum irritieren. Irritiert war ich hingegen, weil der Kapitän immer direkt auf die Wale zufuhr. In den USA gibt es ganz strenge Bestimmungen über den Abstand, der zu den Walen eingehalten werden muß - hier scheinbar nicht. Insgesamt sahen wir an verschiedenen Stellen wohl an die 10 Wale ruhig ihre Bahnen ziehen. Im Gegensatz zu den größeren Buckelwalen blasen sie keine Föntäne aus und springen wohl auch selten aus dem Wasser. Trotzdem war es wunderschön, diese majestätischen Meeressäuger schwimmen zu sehen. Höchst ärgerlich in diesem Zusammenhang ist, daß Island im letzten Jahr wieder mit dem angeblich "wissenschaftlichen" Fang von Walen begonnen hat und im nächsten Jahr womöglich wieder zu kommerziellen Walfang zurückgreifen will. Wo das Fleisch landete, sahen wir jetzt schon: in zwei Restaurants fand sich Wal auf der Speisekarte! Man kann nur hoffen, daß sich die Angestellten der Whalewatching Industrie gegen diesen Irrwitz durchsetzen können. Der Grund für die Wiederaufnahme ist nämlich die totale Überfischung der isländischen Gewässer und die bevorstehende Fischknappheit.
Auf der Rückfahrt zum Hafen bekam ich dann doch noch meine geliebten Papageientaucher zu sehen, wir umrundeten nämlich Puffin Island, wo Tausende gerade nisteten. Die drolligen Tierchen befanden sich auch auf dem Wasser in unmittelbarer Nähe unseres Schiffes und konnten gut beobachtet werden. Diese Tour hatte sich wirklich gelohnt. Vorteilhaft war auch, daß das Schiff viel kleiner war als in Hawaii.

In der zweiten Urlaubswochen warfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Es fing damit an, daß große Teile des vor dem Hotel gelegenen Parkplatzes abgesperrt wurden, dann wurde am Eingang ein roter Teppich ausgerollt und Polizeiwagen fuhren auf. In den Tagen zuvor waren mir beim Frühstück schon die vielen Inder aufgefallen, die sich dort auf einmal einfanden. Ich hatte sie für einfache Businessreisende gehalten. Dann erfuhren - und sahen! - wir, um was es eigentlich ging. Im Nordica trafen sich der isländische und indische Präsident zur Unterzeichnung eines Handelsabkommens! Große Aufregung an mehreren Tagen, Bodyguards, schwere Limousinen, indische Öllampen im Foyer. Inder in voller Paradeuniform, Sikhs mit Turban, eine Art Guru mit Rauschehaar und -bart, Leute mit der Bezeichnung "Presidents Staff" am Ärmel... Trotzdem konnten wir und die wenigen anderen Touristen bis auf Tuchfühlung an die beiden Präsidenten heran, die z.T. auch im Foyer entspannt saßen. So was wäre bei dem amerikanischen Präsidenten wohl nicht möglich gewesen! Nach einigen Tagen und großer Medienaufregung war der Spuk vorbei. Was für ein Erlebnis.

In der ersten Ferienwoche war unser Hotel schon Hauptdrehort für eine isländische Fernsehproduktion gewesen. Kabel und Scheinwerfer überall, draußen, im Foyer, der Bar. Dann erkoren sie ausgerechnet auch noch das unserem Zimmer gegenüberliegende Zimmer als Drehort aus! Einen Tag lang war der Flur abgedunkelt, Strippen gezogen und die Produktionshelfer ließen uns nur nach Gegencheck über das Handy in unseren Raum. Es war schon amüsant anzusehen, was für ein Aufwand für eine solche Produktion betrieben wird!

Nach zwei Wochen war der Urlaub auch zu Ende. Ich hätte auch nicht mehr gewußt, was man sich noch hätte anschauen können. Alles Erreichbare hatten wir gesehen. Der Rückflug bescherte uns sogar einen 3,5stündigen Aufenthalt in Frankfurt, wo die Lufthansalounge mal wieder total überbelegt war. Mir ist schleierhaft, warum die nicht erweitert wird. Hervorragend hingegen war die Iceland Air Saga Lounge in Keflavik mit Computern und einem richtigen Büffet. Interessant war beim Rückflug der Blick aus dem Fenster. Aus der Höhe bei klarem Himmel sah man die zahlreichen Ölplattformen in der Nordsee! Bedingt durch den Zeitverschiebungsverlust von weiteren zwei Stunden kamen wir erst Abends im schwül-stickigen Westfalen an...

Fazit der Reise: Island liegt in schnell erreichbarer Nähe Kontinental-Europas. Es handelt sich um ein riesiges Land, dessen Dimensionen man bei Touren nicht unterschätzen sollte. Es ist ein sehr karger Charme, den die Insel umgibt: riesige, mit braunem Moos bewachsene Lavaflächen, Steinwüsten oder Ascheflächen bis an den Horizont, erloschene Vulkane verschiedenster Größe und Form. In Meernähe der Versuch der Menschen, dem Land Weideflächen für Tiere oder gar Ackerbau abzugewinnen. Im Landesinneren hohe, schneebedeckte Berge und Gletscher, oft auch Seenlandschaften. Bäume, und sind sie noch so klein, bilden eine Attraktion. Man versucht an vielen Stellen aufzuforsten. Im Gegensatz dazu die Agglomeration Reykjavik mit Stadtautobahnen und Touristeneinrichtungen. Island muß sich in den letzten 10 Jahren enorm entwickelt haben. Immerhin wurde die Ringstraße um die Insel erst 1974 fertig gestellt, heute gibt es Museen en gros, und seien sie noch so klein. Die Beschriftung ist durchgängig zweisprachig.
Isländisch selbst ist eine höchst komplizierte und sehr schwer auszusprechende Sprache, weil sich Schrift und Aussprache nicht decken und es verschiedene, nur im Isländischen vorkommende Laute gibt. Die meisten Isländer, mit denen wir zu tun hatten, waren weder besonders freundlich noch unfreundlich, eher "neutral". Jedenfalls überschlug man sich nicht im Umgang mit Touristen, des öfteren merkte man eine gute Portion Nationalstolz.
Reykjavik verfügt erstaunlicherweise über eine große Ansammlung von Weltklasse Gourmet-Restaurants. Ich muß allerdings sagen, daß das extrem hohe Preisniveau sich auf Urlaubfreuden negativ auswirkt. Island ist das zweitteuerste Reiseland der Welt nach Japan, da alles importiert wird. Weiterhin sollte man vielleicht erst nach Island und dann nach Kanada, die USA und / oder Hawaii fahren. Viele Attraktionen fand ich nicht so enorm eindrucksvoll und Kanada landschaftlich abwechslungsreicher. Irgendwann hat man sich die Lava auch sattgesehen. Manche Sehenswürdigkeiten, für die man Stunden gefahren war, waren dann nur noch nach zusätzlichen Fußmärschen erreichbar. Das ist in amerikanischen oder kanadischen Nationalparks etc. anders organisiert. Zwei Wochen Reykjavik sind zu viel, da man in seinem Aktionsradius beschränkt ist. Besser wäre eine Rundreise gewesen.


Literaturempfehlungen:


- Quack, Ulrich, Island. Tipps für individuelle Entdecker, Dormagen, 5. Aufl. 2004 (= Iwanowski's)
- Veit, Wolfgang, Island, München 2004 (= Polyglott)