Ein ganzes Stück südlich von Phoenix liegt eine weitere von den Hohokam erbaute Attraktion der Region: Casa Grande. Die großen Ruinen von Casa Grande stammen etwa aus dem Jahre 1150 und sind sehr sehenswert. Die Kultur der Hohokam verschwand übrigens im 15. Jahrhundert, hinterließ aber zahlreiche Bauwerke und Kunstgegenstände in der Region.

Von Casa Grande aus entschloß ich mich zu einem sehr weiten aber wunderschönen Rundweg. Auf dem Highway 60 ging es erst nach Osten, vorbei an Bergbaustädten und Tagebauen, Kirchen im spanischen Kolonialstil und durch ausgetrocknete Flußbetten. Mitten in der Halbwüste sah ich dann ein Schild "Chain Gang Working Ahead". Hm, Kettensträflinge? Hier? Nach sicherlich zwei weiteren Kilometern sah ich dann am Straßenrand, wirklich in the middle of nowhere, einen Pickup stehen und mehrere Leute. Langsam fuhr ich vorbei. Das was ja unfaßbar! Im Straßengraben standen mehrere aneinandergekettete Leute in schwarz/weiß gestreifter Sträflingskleidung samt Strohhüten und machten den Graben sauber. Auf der Ladefläche des Pickups stand neben dem Dixieklo ein Polizist - natürlich mit Cowboyhut und verspiegelter Sonnenbrille - und - Gewehr im Anschlag! Die ganze Szenerie spielte sich bei ca. 40 Grad im Schatten und sicher an die 55 Grad in der Sonne ab. Ich konnte es nicht fassen, fuhr ein ganzes Stück weiter und hielt dann an, um mit der Kamera und Tele ein Bild dieser absonderlichen Szene zu machen. Da sah ich, wie der Pickup losfuhr und auf mich zukam und da weit und breit niemand sonst war, blieb ich neben dem Auto stehen. Der Wagen kam zu mir, die Tür ging auf und der Officer stellte sich dahinter, Gewehr in den Armen. Oh Gott, schon wieder Streß mit der Polizei! Wie zum Teufel ich auf die Idee käme, hier zu halten und Bilder zu machen, wurde ich aggressiv gefragt. Ich solle sofort den Film rausrücken, ich plane sicherlich die Freilassung der Gefangenen, alles schwere Jungs, wie mir versichert wurde. Was tun? Erst meine Ausrede, ich sei aus Deutschland, fänge Kettensträflinge total toll und wolle das auch meinen Freunden zeigen, erweichte den Officer. Mit einem "verschwinde so schnell wie möglich hier!" wurde ich in die Wüste geschickt.

Nach diesem Schock war ich froh, als ich endlich den Theodore Roosevelt Stausee sah. Vorher kam ich noch am ebenfalls von den Hohokam erbauten Tonto National Monument vorbei, einer in eine Felswand gebaute Steinsiedlung. Leider ließ es die Zeit nicht zu, diese zu besichtigen. Direkt an der Staumauer des Stausees sollte dann der Highway 88 wieder Richtung Phoenix führen, ich traute aber meinen Augen nicht - es handelte sich um eine Schotterpiste! Highway? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Mit Mietwagen ist es in den USA strengstens verboten, offroad zu fahren. Was tun? Den Weg zurück? Viel zu weit! Geradeaus? Ein Riesenumweg. Also doch den Highway mit dem sinnigen Beinamen "Apache Trail". Zugegeben, der Trail ist eine der landschaftlich schönsten Straßen, die ich je gefahren bin. Der Weg, Straße ist echt zuviel gesagt, schlängelt sich am Ufer des Salt River entlang, jede Kurve bietet einen neuen Ausblick auf den Fluß und die pittoreske Landschaft. Nach 22 Meilen (!) dann endlich wieder Asphalt unter den Reifen und die Wild West Kneipe "Lost Dutchman", in der ich mir erst mal eine Erfrischung gönnte. Alles in allem hatte diese Tour immerhin 8 Stunden gedauert!

Immer schon hatten wir uns vorgenommen, einmal auch zum Grand Canyon zu fahren, aber uns war klar, wie weit das für eine Tagestour war. Also krochen wir früh aus den Federn und fuhren schon um 5.30 Uhr von Scottsdale los nach Norden über den Highway 17. Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, den Schlenker über die 179 zu den Roten Felsen von Sedona zu machen. Da wir irgendeine Abfahrt verpaßten, führte uns ein nicht asphaltierter Weg oben durch die Berge, wodurch sich phantastische Ausblicke auf die Felsformationen eröffneten! Auf der langen Fahrt nach Norden merkten wir auch schon, daß wir verschiedene Vegetationszonen durchfuhren, irgendwann wurden die riesigen Saguaro Kakteen entlang des Highways immer seltener, dann sah man Büsche, später richtige Bäume, in Flagstaff handelte sich um große Wälder. Dort bogen wir dann auch auf die 180 ab in Richtung des Grand Canyon Headquarters, welches wir dann gegen 13 Uhr erreichten, d.h. die Fahrt von Scottsdale hatte satte 7,5 Stunden mit nur einem Stop gedauert.

Vom Parkeingang ging es dann parallel zum Canyon nach Osten. Überall waren gut ausgebaute Aussichtspunkte angebracht, von denen man aus den einfach unbeschreiblichen Ausblick auf dieses Naturwunder genießen konnte. Auch wenn ich Bilder schon -zig Mal im Fernsehen gesehen hatte, dieses war live und nicht in Worte zu fassen! Wir konnten uns gar nicht sattsehen und losreißen, mußten immer wieder anhalten. Wahnsinn.

Es nutzte nichts, hinter dem Desert Viewpoint erreichten wir dann auf der 64 die riesige Navaho Indianerreservation, die größte in den Vereinigten Staaten. Auf dem Teil, den wir durchfuhren, unterschied sie sich nicht von den anderen Reservationen, die ich bislang gesehen hatte: armselige Trailerbehausungen in der Halbwüste. Nur hier und da hatten Navahofrauen an der Straße Stände aufgebaut, in denen sie den traditionellen Türkis-Silberschmuck anboten. Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit statt der erlaubten 65 Meilen machten wir uns wieder auf den langen Heimweg nach Scottsdale.

Da mich immer auch schon die Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner interessiert hatte, nutzte ich auch die Gelegenheit zum Besuch der in der Nähe von Phoenix gelegenen Reservationen. Direkt östlich an das Stadtgebiet Scottsdales schließt sich die Salt River Pima Maricopa Reservation an. Einige Straßen enden direkt an der Reservatsgrenze, die McDowell Road und der Highway 87 führen aber in das Reservationsgebiet hinein.

Man fährt in eine andere Welt. Die typisch amerikanische Bebauung hört schlagartig auf und gibt Raum für offenes Gelände, auf dem verstreut Trailer stehen. Der Stamm bemüht sich zwar durch die Errichtung eines Geschäftes für Tabakwaren (die auf Reservationen steuerfrei verkauft werden können) sowie eines arts and crafts centers Geld in die Kasse zu bekommen, wie es auf der Reservation aussieht, scheint dies aber nicht richtig zu funktionieren. Das ganze Areal macht einen verkommenen, ärmlichen Eindruck. Finanziell besser gestellt ist augenscheinlich die Fort McDowell Mohave Apache Reservation. Hier wurde direkt an die Reservatsgrenze eine Spielhalle gebaut, die immer gut besucht war. Offenbar wurde das Geld gut angelegt, jede Familie im Reservat verfügte über ein schmuckes Einfamilienhäuschen, es gab eine neue Schule und Kultureinrichtungen. Alles stand in keinem Vergleich zur sehr ärmlichen Salt River Reservation.

Im völligen Kontrast zum urbanen Phoenix stand auch die im Süden gelegene Gila River Reservation, die ausschließlich aus knochentrockener Halbwüste bestand. Rechts und links der Straße sah man vereinzelt Siedlungen, die auch nur einen ärmlichen Eindruck hinterließen. Direkt an der Reservatsgrenze sah ich einen "Handelsposten", Meilen davor und Meilen danach waren keine Häuser auszumachen. Schon im Mittag, als ich am Posten vorbeifuhr, sah ich eine Gruppe junger indianischer Männer mit ihren schrottreifen Pickups stehen und Alkohol trinken. Offenbar ging es schon "hoch her", so daß ich mir ein Anhalten verkniff.

An einem Tag wollten wir ein Rodeo auf der entfernten San Carlos Apache Indian Reservation besuchen, verkalkulierten uns aber total bei der Entfernung. Als wir endlich an der Arena ankamen, war das Rodeo schon beendet. Wir fuhren aber noch in den Ort hinein, wo kräftig gefeiert wurde. Essenstände, Livemusik und jede Menge Menschen auf der Straße bestimmten das Bild. Wir waren die einzigen Weißen und wurden "gemustert". Die Reservation bot das gewohnte, trostlose Bild. Die Behausungen bestanden aus alten Trailern mit Plumpsklo vor der Tür. Der einzige Supermarkt in dem Städtchen gehörte natürlichen Weißen. Allerdings hatte der Stamm an der Reservatsgrenze am Highway 70 auch ein Spielkasino gebaut. Allerdings liegt dieses viel zu peripher, um richtig erfolgreich zu sein.

Die amerikanischen Regierungen haben auch hier im Süden des Landes mit ihren Ureinwohnern ganze Arbeit geleistet. In dieser sowieso schon sehr lebensfeindlichen Gegend wurden die Indianer in die unwirtlichsten Bereiche gepfercht. Die Größe der Reservationen täuscht über ihre wirtschaftliche Nutzbarkeit hinweg, Streit gibt es über die Einnahmen der Spielkasinos, deren Legalität immer wieder vor Gerichten angefochten wird.

An einem Tag planten wir dann auch einen Ausflug nach Mexiko, da die Grenze für amerikanische Verhältnisse nicht so weit entfernt war. Bis zum Grenzort Nogales benötigten wir auf dem Highway 10, vorbei an Tucson, dann doch gute 3,5 Stunden. Nogales erinnerte mich irgendwie an ein tropisches Berlin: ein riesiger Grenzübergang, den wir zu Fuß überquerten, weil wir unseren Leihwagen nicht mit nach Mexiko hineinnehmen durften. Komischerweise wurden wir überhaupt nicht kontrolliert und schoben uns mit Unmengen anderer Leute über die Grenze. Dahinter tobte des pralle Leben: hunderte kleine Geschäfte, ein wahnsinniger Verkehr und mehr als aufdringliche Verkäufer, die sich auf uns stürzten. Das war in der Tat eine Grenze zwischen erster und dritter Welt! Nach einer guten Stunde hatten wir die Nase voll und gingen wieder zurück zur Grenze. Diesmal wurden wir bei der "Einreise" in die USA aber aufs genaueste geprüft. Mit deutschen Pässen hatte der Grenzbeamte auch wohl nicht so oft zu tun.

Auf dem Rückweg nach Hause entschlossen wir uns, einem Umweg über Tombstone zu fahren, "der" Geisterstadt der USA. Diese restaurierte Westerntown bietet wirklich noch ein originales Flair der 1880er Jahre und ist äußerst sehenswert. Besonders zu empfehlen ist der Besuch des Friedhofs, der auf den Grabkreuzen Inschriften wie "Hanged by Mistake" zeigt!

Dann machten wir in unserem Urlaub 96 auch noch die sehr nette Bekanntschaft von Amerikanern. Mein Lebensgefährte trägt einen ungewöhnlichen Nachnamen und eine Familie mit genau dem Nachnamen fand ich im umfangreichen Telefonbuch Phoenix'. Kurz entschlossen kontaktierten wir die Leute, die sich als sehr aufgeschlossen erwiesen. In der Tat - ihre Eltern waren aus Deutschland eingewandert und möglicherweise waren wir über 10 Ecken verwandt. Wie lustig. Während der Urlaube 1996 und 97 trafen wir uns mehrmals mit ihnen, gingen aus und machen ein Barbecue. Durch sie bekamen wir einen guten Einblick in das Leben in dieser von künstlicher Bewässerung abhängigen Gegend.

Leider gingen beide Male die 14 Tage Urlaub viel zu schnell um. 1996 flogen wir dann von Phoenix nach Los Angeles und von dort mit Air New Zealand zurück nach Deutschland, das zweite Mal mußten wir von Phonix nach Las Vegas zurückfliegen, bevor es mit Condor wieder nach Köln ging.

Fazit der Reisen: Die Zeit hat nicht gereicht! Las Vegas alleine ist schon eine Reise wert und man vertrödelt einen Tag mit der langen Fahrt nach Phoenix. Die Hotels in Scottsdale sind hervorragend und bieten einen guten Ausgangspunkt für Besichtigungstouren in die Umgebung. Für eine Besichtigung des Grand Canyons sollte man sich aber einen anderen Ausgangspunkt suchen oder mit dem Wohnmobil fahren. Die Entfernungen in der Region sind enorm, sehr schnell verschätzt man sich total! Zudem war es zu den Zeiten, als wir da waren, schon extrem heiß: in Scottsdale hatten wir täglich 40 Grad im Schatten, abends "kühlte" es sich dann auf etwa 30 Grad ab. Es handelt sich zwar um absolut trockene Hitze, aber auch die ist für Besichtigungen nicht zu unterschätzen. Die Region ist unheimlich reich an landschaftlichen Attraktionen, von denen ich eine gute Auswahl, aber längst nicht alle, gesehen habe. Für mich waren es sicher nicht die letzten Besuche!


Literaturempfehlungen:


- Bosley, Deborah et al.: Kalifornien und Westküste USA [für Nevada und Grand Canyon]. Berlin, 4 Aufl. 1997 (= Stefan Loose Travel Handbücher)
- Rocksstroh, Werner: USA - Der Südwesten. Köln 1979 (= du Mont)
- Teuschl, Karl: USA - Der Südwesten. München 1995 (= Merian live)
- Walker, Stevn L.: The Southwest. A pictoral history of the land and its tribes. Scottsdale 1993