Nach ausgiebigen Besichtigungen der Altstadt orientierten wir uns in Richtung des Stadtviertels, welches wir immer aus unserem Hotelzimmer sehen konnten: Condado. Über die Brücke Puente Dos Hermanos folgten wir der Avenida Ashford, der Hauptstraße Condados. Welch' ein Unterschied zu Viejo San Juan! Condado mit seinen zahlreichen Hochhäusern könnte durchaus auch ein Stadtteil Miami Beach' sein. Hotel reihte sich an Hotel, Restaurant an Restaurant und es gab zahlreiche Geschäfte, wobei sich die besten Hotels, allen voran das Condado Plaza, am westlichen Anfang der Avenida Ashford fanden. Zu unserer großen Überraschung hatten sehr viele Hotels, Geschäfte und Restaurants geschlossen, völlig unverständlich, denn die Weihnachtszeit ist die absolute Hochsaison in der Karibik. Absolut überwältigt waren wir vom enorm breiten und weißen Sandstrand Condados, der sich über Kilometer entlang der Küste zog.

Da es uns zu weit war, nach Condado Beach zum Schwimmen zu gehen, uns der kleine private Strandabschnitt unseres Hotels viel zu überlaufen war und zudem kaum Schatten bot, machten wir bald ganz in der Nähe ein öffentliches Balneario ausfindig. Der Weg dahin war zwar abenteuerlich und der Parkplatz vor dem Strand alles andere als sauber, der Strand selbst aber sehr schön und gar nicht voll. Zudem machte es uns Spaß, die Einheimischen zu beobachten.

Leider ließ ich mich durch die Einheimischen auch zu einer ziemlichen Dummheit verleiten. Überall auf der Welt war ich gut damit gefahren, dort zu body boarden, wo auch Einheimische im Wasser waren. Auch vor unserem Strand - allerdings außergewöhnlich weit draußen - sah ich nun Puertoricaner surfen. Ohne groß nachzudenken, die Wellen lockten, schnappte ich mir mein Board und paddelte in Richtung der surfenden Jungens. Schnell wurde mir klar, daß ich die Höhe der Wellen vom Strand aus unterschätzt hatte, nun hatte ich aber auch keine Lust, unverrichteter Dinge wieder das ganze Stück bis zum Strand zurückzupaddeln.

Also nahm ich einige Wellen, was auch gut klappte. Dann erwischte ich eine enorme Welle, die mich weit Richtung Strand mitriß - Stoppen wie gewohnt war unmöglich und ich wurde weiter und weiter getragen. Schlagartig wurde mir auch klar, warum die Jungen so weit draußen surften: bis auf eine schmale Passage (die ich benutzt hatte), war das dem Strand vorgelagerte Gebiet extrem flach und felsig. Und genau in diese flache Felsenzone wurde ich nun abgetrieben. Schrecklicherweise brachen sich nun in dieser Flachwasserzone auch noch die Wellen, so daß ein Hinausschwimmen zurück in tieferes Wasser unmöglich war. Ich paddelte um mein Leben, schlug mehrfach mit den Beinen auf dem Gestein auf, versuchte irgendwie parallel zur Küste zum Sandstrand zurückzukommen, meiner einzigen Rettung. Durch die Brandung hatte sich aber auch eine Unterwasserströmung gebildet, gegen die ich nun auch noch ankämpfen mußte. Schließlich bekam ich durch die Anstrengung auch noch einen Wadenkrampf. Nach über einer Stunde in Todesangst erreichte ich wieder den Strandabschnitt, von dem ich gestartet war. Für den Rest des Urlaubes verzichtete ich auf mein Body Board!!

Unsere Abende gestalteten sich sehr abwechslungsreich. Nach dem Abendessen gab es in unserem Hotel oft Livemusik, natürlich der unvermeidliche Salsa in atemberaubender Lautstärke. Auch in den großen Hotels in Condado spielten oft Livebands. Allerdings hatte man dort die amerikanische Unsitte des eiskalten Klimatisierens übernommen. Draußen herrschten abends oft immer noch 27° und die Räume waren auf 18° heruntergekühlt - dies und die unglaubliche Lautstärke bremsten doch unser Engagement.

Eines Abends kamen wir spät von einer Tour nach Condado zurück in unser Hotel, als wir noch Musik in der Lobby hörten. Neugierig gingen wir zur Bühne, um die sich einige wenige Zuschauer gruppierten und trauten unseren Augen und Ohren nicht - dort sang José Feliciano! Er, geborener Puertoricaner, war auf Privatbesuch im Caribe und augenscheinlich von Gästen gebeten worden, für sie "ein Ständchen" zu bringen!

Alternativ besuchten wir des öfteren - wirklich nur zum Schauen! - das Kasino im Condado Plaza Hotel. Eines sehr späten Abends wurden wir dort Zeuge, wie ein sog. High Roller Unsummen Geldes an einem Roulettetisch verspielte. "Zur Belohnung" warf er immer seiner viel jüngeren Freundin Chips in das Dekolleté!

Manchmal fuhren wir abends häufiger mit dem Taxi über die Schnellstraße Ave. Baldorioty de Castro zum gerade eröffneten Ritz Carlton Hotel. Ein phantastisches Hotel mit breitem Sandstrand, allerdings mit einem eklatanten Manko: es liegt direkt am internationalen Flughafen, innerhalb des Hauses hörte man zwar nicht, außerhalb, auch eben am Strand, war man einer permanenten Beschallung ausgesetzt. Das Ritz verfügte über eine kleine Bar, an der ein Pärchen abendlich zu Pianomusik sang. Da wir meist die einzigen Gäste waren, freundeten wir uns mit den beiden netten New Yorkern an und hatten eine Menge Spaß.

Eines Abends hatten wir ein sehr unschönes Erlebnis. Wir aßen in Condado im wunderschönen Chart House Restaurant, dem einzigen unklimatisierten Restaurant der Gegend. Es war in den 1920er Jahren erbaut worden und hatte lange Jahre als deutsche Botschaft gedient. Zu der Zeit hatten man von dem offenen Balkon noch einen Ausblick aufs Meer, heute verstellte das neu erbaute Marriott Hotel den Blick.
Wir saßen jedenfalls auf dem Balkon und aßen, als ich aus Richtung des Marriott ein Geräusch hörte, welches ich sofort als Schuß identifizierte. Mein Freund wollte davon nichts wissen und sprach von "verspäteten Silvesterböllern". Ich hingegen insistierte, behielt auch recht, denn nach wenigen Augenblicken heulten von allen Seiten Polizeifahrzeuge und Krankenwagen heran, die auf der Einfahrt des Marriott stoppten. Wir saßen wie in einer Loge und verfolgten das Schauspiel.
Nach Abschluß des Essens wollte ich nun doch wissen, was dort passiert war und wir gingen zum Marriott. Meine - auf Spanisch - gestellte Frage an einen herumstehenden Hotelangestellten, was denn los sei, beantwortete er, es sei nichts los. Wohlgemerkt, rechts und links standen Polizeiautos! Auch ein weiterer Angestellter rückte nicht raus mit der Sprache. Schließlich fragte ich eine puertoricanische Touristin: die meint nur lapidar "Ach, eine Auseinandersetzung im Mafia- und Drogenmilieu. Jemand wollte nicht bezahlen und da wurde ihm durchs Bein geschossen. So was kommt hier häufiger vor." Wir waren sprachlos! Wir hatten nur 200 m von dem Vorfall auf dem Balkon wie auf einem Präsentierteller gesessen und hätten gut einen Querschläger abbekommen können! Später erfuhr ich, daß Puerto Rico Haupteinfalltor für Drogen aus der Karibik in die USA sind, da man ab Puerto Rico keine Zollformalitäten mehr erledigen muß. Wir jedenfalls waren kuriert, dieser Vorfall in Kombination mit den vielen Polizeiwagen, die im Einsatz an unserem Hotel vorbeirauschten, ließen die Insel doch in einem besonderen Licht erscheinen.

Nach diesem Vorfall hatten wir die Nase voll und wollten raus aus der Stadt. Da wir ohne Kreditkarte kein Auto mieten konnten (in den USA gegen Hinterlegung eines Deposit sonst möglich), waren wir auf eine organisierte Tour angewiesen. Wir entschieden uns für einen Tagesausflug zum vielgepriesenen Regenwald von El Yunque.
Los ging es am frühen Morgen zum 55 km östlich von San Juan gelegenen Nationalpark. Der Hinweg führte uns entlang der Nordküste auf einer schmalen Küstenstraße. Wir war mehr als enttäuscht: die Orte und Häuser machten einen schludrigen, verkommenen Eindruck, überall fanden sich wilde Müllkippen, hier sah alles eher nach 3. Welt als nach amerikanischem Commonwealth aus!
Der Park hingegen enttäuschte uns nicht. Üppige Tropenvegetation, Wasserfälle und phantastische Blumen bestimmten das Bild. Unser Weg führte uns, mit zahlreichen Zwischenstops, zum Yokahu Aussichtsturm, von dem man erst einmal die Ausmaße des Parks begriff und bei guten Witterungsbedingungen einen Ausblick bis zu den Virgin Islands hat.
Zurück ging es nachmittags dann leider über eine Schnellstraße nach San Juan, nur unterbrochen durch einen Zwischenstop an einem ländlichen Colmado, einem puertoricanischen Tante Emma Laden.

Gegen Ende unseres Urlaubes entschlossen wir uns noch zum Besuch der weltberühmten Bacardi-Rumbrennerei. Sie liegt im Stadtteil Cataño, auf der der Altstadt von San Juan gegenüberliegenden Bucht. Wir wählten die Anreise mit der Fähre, eine Fahrt, die uns einen phantastischen Blick auf El Morro gewährte. Leider war die Flaschenabfüllanlage zur Zeit unseres Ankommens nicht mehr im Betrieb, trotzdem war der Besuch des Geländes mehr als sehenswert - und das nicht nur wegen kostenloser Verkostungsmöglichkeiten der verschiedenen Bacardi-Rumsorten.
Ich wußte z.B. nicht, daß Bacardi ursprünglich von Kuba kam, seit 1937 aber auch auf Puerto Rico produzierte. Seit 1971 konnte der Bedarf an Zuckerrohr nicht mehr nur durch die Plantagen auf Puerto Rico gedeckt werden, sondern es muß Rohr aus anderen Karibikinseln eingeführt werden.

Unser Fazit der Reise: Puerto Rico ist durchaus eine Reise wert und eine sehr gute - wenn auch sehr teure - Alternative zu anderen, überlaufenen Karibikinseln. Der Lebensstandard ist für eine Karibikinsel (gesponsort durch amerikanische Subventionen) sehr hoch, es gibt viele Sehenswürdigkeiten und wenn einen die Einheimischen als Nicht-Amerikaner identifizieren, sind sie sehr nett. Man sollte allerdings unbedingt über Grundkenntnisse des Spanischen verfügen! Das Wetter war während unseres Aufenthaltes sehr durchwachsen. Es war zwar sehr heiß, häufiger aber bedeckt oder regnerisch. Regenzeug sollte also im Koffer nicht fehlen! Für einen Aufenthalt würde ich allerdings das Mieten eines Autos empfehlen, um einen besseren Eindruck von der Insel zu gewinnen. Die Kriminalität ist zwar nicht offensichtlich, aber, wie unserer Beispiel zeigt, durchaus vorhanden.


Literaturempfehlungen:


- Caldwell, Chris, Ames, Tad (Hrsg.): Puerto Rico, Hongkong 1996 (Apa Guides)
- Schmitz, Norbert: Puerto Rico, Köln, 2. Aufl. 1996 (= DuMont Reisetaschenbücher)