Fahrt zur Nordostküste

Da wir uns bislang nur an der Südküste Madeiras aufgehalten hatten, planten wir an einem Tag einen Ausflug an die Nordküste. Die Straße dorthin führt durch den bekannten Ort Monte, hoch über Funchal gelegen. Aus irgendeinem Grunde verpaßten wir die Hauptzuwegung und befanden uns auf einmal auf einer schnurgerade nach oben führenden Straße. Bei den geographischen Verhältnissen Madeiras ließ dies nichts Gutes vermuten. Richtig, die Straße stieg mit einer so extremen Steigung nach oben, daß das Auto sie gerade noch im ersten Gang bewältigen konnte. Tückisch wurde es bei kreuzenden Querstraßen, die selbstverständlich waagerecht angelegt waren: man hing am Hang unterhalb der Querstraße, konnte nichts sehen und mußte die Straße nun überqueren. Hier bewahrheitete sich erneut, daß man auf Madeira nur ein Auto mieten soll, wenn man "Anfahren am Steilhang" aus dem Eff Eff beherrscht.

Jedenfalls erreichten wir Monte genau an der Stelle, wo die berühmten Korbschlittenfahrten stattfinden. Das 550 m über dem Meer gelegene Städtchen diente bereits im 18. und 19. Jahrhundert englischen Weinhändlern aus dem schwülen Funchal als Sommerfrische. Berühmtheit erlangte der Ort 1922, als hier der letzte österreichische Kaiser, Karl I., im Exil verstarb. 2014 hatte ich Gelgenheit, den Ort näher zu besuchen. Auffällig war der mit zahlreichen österreichischen und ungarischen Fahnen geschmückte Sarkophag des ehemaligen Imperators.

Wir folgten der Straße, die sich stetig höher schraubte. Dabei durchquerten wir ein ausgedehntes Waldbrandgebiet. Auffällig waren zahlreiche direkt an der Straße stehende Eukalyptusbäume, die mich an Australien erinnerten. Die Straße wand sich immer höher und bald befanden wir uns in regenverhangenen Wolken. Nach einiger Zeit passierten wir das Centro de Recepção e Intertpretação do Parque Ecológico do Funchal. Dieses ist ein umweltpädagogisches Zentrum des rund 10 km² großen Parks, der von Funchal aus bis auf eine Höhe von 1800 m reicht.

2014 entschloß ich mich zu einer Tour auf der 6 km langen, den Park durchquerenden Straße. Es handelt sich dabei um eine höchst empfehlenswerte Panaoramaroute, die die langsam aber stetig immer weiter hochschraubt und dabei diverse Vegetationsszonen durchquert. Die Ausblicke auf das tief gelegene Funchal und die Südküste sind spektakulär! Die Straße endet auf knapp 1800 m in einer mit Farn und Heide bewachsenen Hochebene, die man in den Subtropen so nicht vermuten würde.

Zurück auf der Hauptstraße einige Kilometer weiter, auf dem immerhin 1412 m hoch gelegenen Paso de Poiso, biegt links eine Straße ab, die zum Pico do Arieiro führt, mit 1818 m der dritthöchste Berg Madeiras. Wegen des Nebels und Regens folgten wir der Straße durch dichte Wälder nach Ribeiro Frio, einem kleinen Ortes inmitten eines Lorbeerwaldgebietes. Bei schönem Wetter lädt hier ein Umweltlehrpfad dazu ein, die üppige Flora der Insel kennenzulernen. Mich erinnerte die Vegetation durchaus an die Karibik.

Nach einiger Fahrtzeit bergab erreicht man die ersten Siedlungen. In den tief eingeschnittenen Tälern wird jeder Quadratmeter landwirtschaftlich genutzt: auf zum Teil winzigen Terrassen wird Ackerbau betrieben, an steilen Hängen läuft Vieh frei herum. Ziel unserer Fahrt war das direkt am Meer gelegene Porto da Cruz. Das kleine Städtchen lebt heute überwiegend vom Weinbau. Unbedingt besichtigen sollte man die in Sichtweite der Seepromenade befindliche Engenho do Porto da Cruz, eine der vier auf Madeira noch arbeitenden Zuckermühlen. Diese war zur Zeit unseres Besuches außer Betrieb (Erntezeit ist April/Mai), wurde aber gewartet. Die extrem freundlichen Arbeiter baten uns einzutreten und die wirklich museumsreifen Maschinen anzuschauen. Lohnenswert ist auch der Besuch der nebenan liegenden Probierstube. Von der Fabrik aus hat man einen wundervollen Blick auf die Steilküste. Dies war aber nur ein Vorgeschmack darauf, was sich kurz darauf bieten sollte. Folgt man der Straße an der Fabrik, hat man nach nur wenigen 100 m einen geradezu atemberaubenden Blick auf die schroffe Nordküste.

Zurück nach Funchal ging es bequem über die Schnellstraße. Beim Flughafen fiel uns auf, daß die Straße die auf Betonstelzen ins Meer gebaute Landebahn unterquerte. Der Anblick war schon gewöhnungsbedürftig!

Am darauf folgenden Tag entschlossen wir uns bei traumhaft klarem Wetter, zu den Felsen zu fahren, die wir am Tag zuvor aus der Ferne gesehen hatten. Mit dem Auto ging es über die Schnellstraße Richtung Nordosten, wobei die Schnellstraße dort in eine normale Straße übergeht. Bald schon erreicht man den Miradouro an der Ponta do Rosto mit geradezu traumhaftem Ausblick auf die bizarren Felsformationen der Nordküste - ein absolutes Bilderbuchpanorama. Nicht empfehlen kann ich den kurzen Gang auf eine nahe gelegene Anhöhe hoch über dem Meer, die einen noch spektakuläreren Ausblick bietet, denn, wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei dem gesamten Areal oben loses Vulkanmaterial, welches keine Stabilität bietet.

Etwa fünf Autominuten entfernt endet die Straße an der Baía de Abra, einer weitläufigen Bucht, in der die Käfige einer Fischzuchtanstalt ausliegen. Von hier aus kann man zum Endpunkt der Halbinsel Ponta de São Lourenço wandern.

Den Rückweg nutzen wir zu einem Stop in Machico, einer Kleinstadt, die als älteste Siedlung der Insel gilt. Man kann mit dem Auto direkt bis ans Meer fahren und den dort an der Einmündung des kanalisierten Ribeira do Machico aus groben Steinen bestehender Strandabschnitt. Auf der anderen Seite des Flusses wurde goldgelber Sand aus Marokko an den Strand geschüttet, und nicht umsonst herrschte hier lebhaftes Treiben. Entlang des gesamten Strandes befindet sich eine Promenade. Diese wird überblickt durch das Forte de Nossa Senhora do Amparo, einer im Jahre 1706 entstandenen Festung, die Schutz vor den ständigen Piratenangegriffen aus Marokko und Algerien bieten sollte.

Palheiro Gardens

Unbedingt einen Besuch wert ist Palheiro Gardens, etwa 8 km östlich der Innenstadt Funchals auf einem Hügel gelegen.

Seit 1801 gehörte das Grundstück zuerst dem Grafen von Carvalhal. Hier baute dieser ein Jagdschloß mit einer Einfahrt, die auch heute noch von 200 Platanen gesäumt wird und er importierte exotische Bäume aus der ganzen Welt. Im Jahr 1885 wurde das Anwesen von John Blandy, dem Madeiraweinhersteller, erworben. Die Familie setzte die Entwicklung der Gärten Anfang des 20. Jahrhunderts fort und es war Mildred Blandy, die viele Pflanzen, darunter auch die schwierig zu kultivierenden Proteas (Zuckerbüsche) aus Südafrika einführte.

Der in mehrere Bereiche unterteilte, hervorragend gepflegte Garten ist unglaublich beeindruckend und vermittelt einen guten Eindruck von all den Pflanzen, die in dem milden Klima gedeihen können. Verteilt in der ganzen Blumenpracht finden sich 200 Jahre alte Bäume. Vor einigen Monaten hatte der Park offensichtlich Glück im Unglück, denn bis an die unmittelbare Grundstücksgrenze war vom Tal herauf ein Waldbrand hochgezogen. Einige an der Grenze stehende Bäume waren verkohlt, ein Überspringen auf den Garten an sich war augenscheinlich verhindert worden.

1997 wurde das Haus des Grafen renoviert und in ein Hotel umgewandelt, welches heute als Casa Velha do Palheiro bekannt ist. Das Hotel ist Mitglied der Relais & Chateau Kette. Wir hatten Glück und der Durchgang vom Garten zum Hotel war geöffnet, so daß die wir letzteres auch besichtigen konnten.

Fahrt zur Nordwestküsteküste und durch das Inselzentrum

Nachdem wir 2013 vornehmlich den Osten der Insel erkundet hatten, sollte es 2014 der Westen sein. Eine Tour führte uns entlang der Südküste nach Ribeira Brava und von dort nach Norden Richtung São Vicente. Bei Terra Grande verließen wir die Hauptstraße, um über eine landschaftlich reizvollere Nebenstrecke weiterzufahren und einen langen Tunnel zu vermeiden. Auf der anderen Seite der hohen Berge im Landesinneren bot sich an einer Stelle ein wundervoller Ausblick auf São Vicente und die Nordküste. Bald erreichten wir auch das Städtchen mit seiner schönen Altstadt. Lohnenswert ist die Besichtigung der Kirche und der nebenan liegenden Treppengasse. Beeindruckend ist der Bereich, wo der Ribeira de São Vicente ins Meer fließt: hier findet sich ein grobkiesiger Strand und steil darüber aufragende Felsen.

Wir bogen nach links (= Westen) ab und folgten der Uferstraße mit ihren zahlreichen Tunneln. Die im Reiseführer noch als geöffnet beschriebene Estrada Antiga, die direkt an der Steilküste entlangführt, ist inzwischen komplett wegen Steinschlaggefahr gesperrt. Dies verwundert wenig in Anbetracht der abenteuerlichen Lage auch der neuen Straße. So atemberaubend die Steilküste des Nordens ist, so sehr stellt sie Verkehrsplaner vor eine echte Herausforderung!

Wir jedenfalls genossen die phaszinierenden Ausblicke, die die Straße bietet und fuhren weiter zum Örtchen Seixal, um am Pier und den teilweise künstlich angelegten Felsenpools einen Zwischenstop einzulegen.
Nächster Halt war an der Küste bei Ribeira da Janela. Hier imponieren direkt vor dem (Fels)Strand bizarre Felsklippen im Meer, die sicher eines "der" Photomotive Madeiras darstellen. Gleichzeitig erinnern sie an den fragilen Vulkanuntergrund der Insel, der hier der Erosion preisgegeben ist. Um so verwunderlicher ist es immer wieder zu sehen, wie dicht an steile Geländekanten und auf welch weichem Untergrund die Madeirenser ihrer Häuser errichten. Sicher aus der (Platz-) Not geboren, aber trotzdem mehr als mutig!

Nur wenige Kilometer weiter an der äußersten Nordwestküse der Insel liegt die Stadt Porto Moniz auf einer in das Meer ragenden Lavazunge. Der Ort mutet schon etwas touristisch an und Hauptattraktion sind die Natur-Felsenpools im Meer.

Als Rückweg nach Funchal wählten wir die Route durch die Berge Richtung Rabaçal, die einfach beeindruckend ist. Die Straße schraubt sich die Berge hoch und die Vegetation verändert sich völlig. An einigen Stelle erinnerte sie eher an ein schottisches Hochmoor mit Farnen und Heidkraut. Es bieten sich überwältigende Ausblicke auf die Bergwelt des Landesinneren. Der Höhe geschuldet fiel die Temperatur von 23 Grad auf Meeresniveau auf 12 Grad in den Bergen. Bald hatten wir die Wolkendecke durchstoßen und an einigen Stellen zeigte sich das Schauspiel, wie die Wolken durch den starken Wind aus einem Tal über die Kammstraße hinunter auf die Südseite des Berges geweht wurden. Unvergeßlich! Hier oben finden sich auch die Anfänge einiger Levadas der Insel.
Irgendwann bogen wir rechts ab in Richtung der Südküse. Extrem steil, teilweise im Schuß, führt die Straße nach Süden. In rasendem Tempo durchfährt man wieder die Vegationszonen von karg bis subtropisch. Wirklich ein Erlebnis!

Fahrt entlang der Südküste

Einen Tag nutzten wir zu einer Tour nach Calheta an der Südküste. Hin ging es auf der gut ausgebauten Schnellstraße, zurück teilweise entlang der Küstenstraße. Calheta ist offenbar erst vor nicht allzu langer Zeit zu einer Touristendestination ausgebaut worden. Es wurden mit großem Aufwand zwei künstliche Badebuchten angelegt, in die goldgelber Sand aus Marokko geschüttet wurde. Daneben gibt es einen Jachhafen, eine Strandpromenade und ein Hotel. Direkt an der Promenade finden sich die Überreste einer alten Zuckermühle, die von der Bedeutung des Ortes als Anbauzentrum für Zuckerrohr zeugt. Neben der Kirche findet sich noch eine von vier auf Madeira produzierenden Zuckermühlen. Die Anlage konnte problemlos betreten werden und ist ein abenteuerliches Gemisch aus uralten und neuen Maschinen. Der deutsche TÜV würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen! Der Fabrik angeschlossen ist ein kleines Geschäft, welches die Produkte der Zuckermühle und Brennerei verkauft.

Zurück wählten wir die Route entlang des Meeres, die immer wieder traumhafte Ausblicke bot. Wir durchquerten Madalena do Mar, um nach wenigen Kilometern aus einem Tunnel zu fahren und unvermittelt direkt an der Strandpromenade des schönen Städtchens Ponta do Sol zu stehen. Nicht umsonst beschreibt es der Reiseführer als eine der schönsten Kleinstädte der Insel. Über Ribeira Brava mit größerer touristischer Infrastruktur und gerade laufenden umfangreichen Bauarbeiten an der Hafenbefestigung erreichten wir zügig wieder das Hotel in Funchal.

Viel zu schnell neigten sich die Urlaube dem Ende entgegen. Bis auf die ersten beiden Tage hatten wir bei dem ersten Aufenthalt 2013 sonniges, warmes Wetter bei ca. 25 Grad. Beim zweiten Aufenthalt 2014 hatten wir alle Tage schönes, warmes, wenngleich nicht immer sonniges Wetter. Durch zwei Aufenthalte haben wir mittlerweile einen Großteil der Sehenswürdigkeiten der Insel gesehen. Trotzdem würde ich die Insel immer wieder besuchen!

Fazit der Reise: Madeira ist ein von Deutschland aus gut erreichbares Reiseziel. Das ganze Jahr über herrscht ein ausgeglichenes Klima, wobei der Süden (und damit Funchal) wärmer und trockener ist.
In Ermangelung von sandigen Badestränden gibt es nur wenig Massentourismus. Die Insel imponiert durch ihre vulkanische Landschaft mit sehr hohen Bergen, Steilküsten und einer üppigen, subtropischen Vegetation. Die Bevölkerung präsentierte sich uns außerordentlich freundlich und hilfsbereit. Bemerkenswerterweise verfügen selbst auch ältere Leute über ziemlich gute Englischkenntnisse, so daß eine Verständigung problemlos ist. Zur Erkundung der Insel sollte ein Auto gemietet werden, unter der Voraussetzung, daß es sich um einen sehr versierten Fahrer handelt. Nicht unterschätzen sollte man die Zeit, die man benötigt, um im Landesinneren kilometermäßig kurze Strecken zu bewältigen, denn die Geographie der Insel macht eine Straßenführung schwierig. Zügig voran kommt man allerdings auf der ufernahen Schnellstraße mit ihren zahlreichen Tunneln. Sicher empfehlenswert sind Wanderungen im Landesinneren, wobei man hier die Höhe der Berge und den damit verbundenen Niederschlag nicht unterschätzen sollte.


Literaturempfehlungen:

- Henss, Rita et al.: Reiseführer Madeira, Porto Santo, Ostfildern 3. Aufl. 2014 (= Marco Polo)
- Lipps, Susanne: Madeira. Ostfildern ³2012 (= DuMont Reise-Taschenbuch)
- Madeira & Porto Santo. My Guide, 2013