Unweit der Badbury Rings befindet sich die White Mill, eine pittoreske Wassermühle aus dem Jahre 1776, die zum nahegelegenen Kingston Lacy Estate gehörte und zusammen mit diesem dem National Trust vererbt wurde. Die danebenliegende, nur einspurig befahrbare Steinbrücke datiert aus dem 12. Jahrhundert und ist damit die älteste in Dorset.
Von hier aus sind es nur noch wenige Autofahrminuten zum Highlight der Region: Kingston Lacy House and Estate. Das Anwesen geriet 1981 in überregionale Schlagzeiten, als der Besitzer, Ralph Bankes, es dem National Trust vermachte - mitsamt dem gesamten dazugehörigen Umland. Bankes Familie hatte das Haus seit 1663 (!) ununterbrochen bewohnt. Sir Ralph mußte aber leider nach dem 2. Weltkrieg erleben, daß keines seiner beiden Kinder in der Lage oder Willens war, das Familienanwesen weiter zu bewirtschaften. Dieses war mittlerweile vollständig heruntergekommen und Sir Ralph sah als einzige Rettung die Schenkung an den National Trust. Mit zum Anwesen von 64 km² Land gehörten auch die Badbury Rings und Corfe Castle. Es war die größte Schenkung, die der National Trust jemals erhalten hat und wurde zum Muster für die Arbeit der Stiftung. Es dauerte fünf Jahre, bis Haus und Garten in einen präsentierbaren Zustand gebracht worden waren. Die Besonderheit des Hauses ist u.a. die riesige Gemäldesammlung mit Bildern von Tizian, Rubens, Velasquez, denn Bankes Vorfahren waren begeisterte Kunstsammler (und -räuber). Das Haus ist umgeben von einem sogenannten formal garden und einem englischen Landschaftsgarten mit wunderschönem, uraltem Baumbestand.
Wir benutzen den Besuch in der Region auch zu einem Stop beim Pamphill Farm Shop. Nur wenige Minuten vom Herrenhaus entfernt findet sich hier ein ländliches Café mit angeschlossenem Bauernladen und Reitsportgeschäft.
Einen Abstecher wert ist auch die Nachbarstadt von Bournemouth, Poole. Gelegen an dem zweitgrößten natürlichen Hafen der Welt blickt der Ort auf eine weit zurückreichende Geschichte zurück. So fand man vor einigen Jahren einen aus dem Jahr 295 v. Chr. stammenden Einbaum im Schlamm. Natürlich bringt so eine vorteilhafte Lage auch Nachteile mit sich und sowohl die Wikinger als auch die Römer landeten mit ihren Booten im natürlichen Hafen.
Heute befindet sich hier ein Eldorado für Wassersportler aller Art. Der Poole Old Quay bietet einen schönen Spaziergang direkt entlang der Hafenseite mit einem Blick auf die zahlreichen Fährschiffe, Segelboote und eine Schiffswerft für riesige Motorjachten. Einige Straßenzüge weiter findet sich die Hauptgeschäftstraße High Street mit zahlreichen kleinen, typisch englischen Geschäften. Einen Besuch wert ist die alt eingesessene Poole Pottery direkt am Hafen.
Unser Rückweg zum Hotel führte uns nicht auf direktem Wege nach Bournemouth, sondern über Sandbanks. Von hier aus bis zum Stadtrand von Bournemouth befinden sich in bevorzugter Wohnlage wunderschöne Anwesen, teils traditionell, teils modern. Leider mußte ich feststellen, daß sich bei moderner Architektur auf der Insel wie auch auf dem Kontinent die einfallslose Schuhkartonbauweise durchgesetzt hat. Bedauerlicherweise hatte der traumhafte Garten von Compton Acres schon geschlossen als wir vorbeifuhren. Er soll einer der schönsten in Südengland sein.
Einen wunderschönen, wenngleich für die Region überschaubar großen Garten, findet man am Athelhampton House & Gardens, gelegen etwa auf halbem Wege von Bournemouth nach Dorchester im Westen. Das Haus stammt aus dem 15. Jahrhundert und hatte diverse Besitzer. Seit 1957 ist es im Besitz der Cooke-Familie, die einen Teil des Gebäudes selbst bewohnt und offenbar eine ganz ausgesprochene Affinität zu Gärten und Gartengestaltung hat. Wie uns gesagt wurde, legt der Besitzer selbst ständig Hand an, schneidet Hecken und pflastert Wege. Z.Zt. wird der alte Küchengarten wiederhergerichtet. Das Hausinnere ist wunderschön und man kann alleine durch die diversen Räumlichkeiten wandern. Der formelle Garten imponiert mit riesigen, zu Pyramiden geschnittenen Eiben, die zum Markenzeichen geworden sind. Man findet auch einen ausgewachsenen Eukalyptusbaum (Zeichen für das milde vorherrschende Klima) und liebevoll angelegte, im Juli natürlich in voller Blüte stehende Blumenbeete. Wer einen Eindruck eines typischen südenglischen Herrenhauses mit Gartenanlagen erlangen will, ohne stundenlang durch Gemächer und Parkanlagen zu wandern, ist in Athelhampton bestens aufgehoben.
An einem Tag mit etwas weniger schönem Wetter entschlossen wir uns zu einer weiteren Besichtigungstour. Ziel war das ca. 70 km entfernt liegende Sherborne. Der erste Teil der Strecke war über die gut ausgebaute A 35 bequem zu fahren, dann ging es aber über die Dörfer. Eine romantische Straße rechts und links mit Hecken bestanden, durch die zahlreichen Dörfer mit den Namensbestandteilen Piddle und Puddle, die immer wieder Grund zum Schmunzeln geben. Schön anzuschauende Häuser und Höfe, aber keine Straße, um zügig voran zu kommen. Nach fast 1,5 Stunden Fahrt erreichten wir Sherborne. Erstes Ziel war das New Castle am Ortsrand.
Der bekannte Sir Walter Raleigh hatte ursprünglich begonnen, eine zerstörte Burganlage als Wohnhaus umzubauen. Als sich dieses als nicht realisierbar herausstellte, entschied er sich 1594, ein in Sichtweite der Burg gelegenes Jagdhaus als Herrensitz auszubauen. Nach Raleighs Sturz und Hinrichtung erwarb die Familie Digby das Gebäude (ihr gehört das gesamte Anwesen heute noch) und baute es aus und um. Als englische Landschaftsgärten in Mode kamen, beauftragten sie den berühmten Capability Brown mit der Anlage eines Landschaftsparkes rund um das New Castle unter Einbeziehung des Old Castle.
Der Besuch des Schlosses lohnt unbedingt und anschließend kann man durch die Gartenanlagen spazieren. Der Blick vom New Castle über die üppig blühenden Gärten, vorbei an 300 Jahre alten Bäumen über den künstlich angelegten See hin zur malerischen Ruine des Old Castle ist traumhaft. Als wir die Parkanlagen verließen, sahen wir vom Verwaltungsgebäude einen alten Herrn im Tweedjacket zu Fuß zum Schloß gehen. Er ähnelte extrem Mr. Digby Senior, dessen Bild wir auf einem Photo im Schloß gesehen hatten…
Vom Schloß zur mitten in der Stadt gelegenen Abteikirche St. Mary the Virgin ist es nur eine kurze Fahrt. Schon von außen ist die Kirche mehr als imposant. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 705 zurück, als der erste Bischof des anglikanischen Königsreichs Wessex hier ein Gotteshaus errichten ließ. Herausragendes Merkmal der Kirche ist das grandiose Fächergewölbe im Perpendicular Style, das früheste (1425) und schönste seiner Art in England.
Anschließend an die Kirche befinden sich einige Gebäude, die heute als Privatschule (public school, eine von dreien in der Stadt) genutzt werden. Gegenüber dem Haupteingang ist das ehemalige Armenhaus (almshouse) aus dem 15. Jahrhundert, heute ein Altersheim.
Sehr lohnend ist ein Gang durch die Innenstadt, vor allem durch die Cheap street. Hier finden sich zahlreiche kleine "independant" shops mit schönen Geschäftsfassaden sowie diverse Tudor-Fachwerkhäuser. Zur Zeit unseres Besuches waren alle Häuser mit üppigem Blumenschmuck dekoriert und alles machte einen ungemein gepflegten, gediegenen Eindruck. Die Zeit schien hier stehengeblieben zu sein.
Auf dem Weg zurück zum Hotel sah ich auf einem Straßenschild den Hinweis, bis nach Cerne Abbas seien es nur 1 ¼ Meilen. Cerne Abbas? Da hatte ich doch etwas über einen "Riesen" gelesen. Also drehten wir um und suchten nach einem Hinweisschild, da sich im Navi "die" Attraktion der Gegend nicht finden ließ. Wir kurvten durch den winzigen Ort, fuhren rein und wieder raus: nichts zu finden. Schließlich klärte uns ein Pubbesucher auf: das Zauberwort hieß "Lookout". In der Tat, von dort aus konnte man am gegenüberliegenden Hügel die 60 m hohen Umrisse des nackten, keulenschwingenden Mannes erkennen. Angeblich stammt das Bild aus der Prähistorie, sicher ist es aber nicht.
Unbedingt einen Ausflug wert ist die östliche Nachbarstadt von Bournemouth, Christchurch. Hauptattraktion ist die riesige Christchurch Prioriy, mit einem 93-m-langen Kirchenschiff die längste Kirche Englands. An der Stelle der jetzigen, aus dem 11. Jahrhundert stammenden Kirche stand vorher eine sächsische aus dem 7. Jahrhundert. Die Priory zeigt einen Katalog an architektonischen Stilen von normannisch bis Renaissance und erweckt durch den Baustil den Eindruck, "gestreckt" worden zu sein. Besonders sehenswert sind auch die kunstvoll geschnitzten hölzernen Sitze der Mönche (misericords), von denen einige aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen und damit die ältesten Englands sind.
Die Kirche ist umgeben von einem Friedhof mit zahlreichen Steinen, auf denen man Inschriften aus dem 17. Jahrhundert erkennen kann.
Nur wenige Schritte von der Kirche entfernt findet man die Place Mill in einem historischen Gebäude direkt am Kai des Stour Flusses. Hier ist auch ein kleiner Bootshafen und man hat einen schönen Ausblick auf ein Marschland Naturreservat mit weidenden New Forest Ponies im Vordergrund und der weißen Kalksteinküste im Hintergrund.
Für historische Interessierte bietet sich auch eine Besichtigung der Ruinen der normannischen Burg und des Constable Hauses (ca. 1160) an.
Die Altstadt Christchurch's unterscheidet sich elementar von Bournemouth: sie ist nett, überschaubar und einladend, die Häuser aus georgianischer Zeit oder älter. Zahlreiche kleine, individuelle Geschäfte dominieren die Hauptstraße. Zudem ist ein Unterschied sofort greifbar: obwohl auch in Christchurch zahlreiche Touristen anzutreffen sind, sind diese deutlich niveauvoller als in der Nachbarstadt.
Auf einen erneuten Besuch von Stonehenge verzichtete ich sowie auf Fahrten zu Longleat und Stourhead. Alle drei Attraktionen sind mittlerweile so überlaufen (zumindest in den Schulferien), daß nur noch Tickets für eine bestimmte Besuchsuhrzeit verkauft werden. Nach den überfüllten Häusern in St. Petersburg im letzten Jahr wollte ich mir dieses Besuchs"vergnügen" aber ersparen.
Fazit der Reise: Großbritannien hat sich seit meinem letzten Besuch 1994 verändert. Wer hätte damals gedacht, daß die Briten tatsächlich das metrische System übernehmen würden? Allerdings gilt dies auch nur mit Ausnahme der Straßenschilder, die immer noch Meilen anzeigen. Undenkbar in den 1990ern auch, jemanden mit dem amerikanischen "hi" und nicht dem britischen "hello" zu begrüßen. Die Pubs dürfen heute (theoretisch) bis in die Nacht geöffnet haben und es gibt riesige Supermarktketten, seinerzeit auf der Insel unbekannt. Und die Insel ist gespalten: diverse Male sahen wir Demonstrationen contra Brexit. Die Menschen haben Angst, was auf sie zukommt. Erschreckend hoch war die Anzahl der "For Sale" Schilder an Häusern in Mittelstandsvierteln. Augenscheinlich gibt es hier massive Probleme. Immer wieder höchst erfrischend ist die Konversation mit den zahlreichen freiwilligen Helfern in den zu besichtigenden Herrenhäusern. Diese Menschen verwenden ihre Freizeit, um Besuchern die Geschichte der Attraktionen näher zu bringen. Bei entsprechenden Sprachkenntnissen ergeben sich aber schnell auch Gespräche über Land und Leute.