Weiter ging die Fahrt nach Norden. Wirklich sehenswert und für Finnland sicherlich außergewöhnlich sind Sandstrand und Sanddünen bei Kalajoki. Das ist nicht die Kurische Nehrung aber doch imposant, was auch offensichtlich die Meinung der Einheimischen ist, denn auf dem Weg zu den Dünen durchquert man ein weitläufiges Unterhaltungspark-Areal und das Gebiet hinter den Dünen ist durchzogen von Ferienhausanlangen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was hier während der Feriensaison los ist. Am Tag meines Besuches, immerhin ein Freitag nachmittag bei bestem Wetter, wirkte alles völlig verschlafen.
Unbedingt einen Halt wert ist die 66 Kilometer weiter nördlich gelegene Ortschaft Raahe wegen ihrer bestens erhaltenen Holzgebäude, aber auch wegen des schönen zentralen Platzes mit einem Denkmal des schwedischen Statthalters in Finnland, Per Brahe. Auch die aus Granitstein errichtete Kirche ist sehenswert. Weiterhin liegt sehr malerisch am Hafen das Stadtmuseum, in dem der älteste Taucheranzug der Welt ausgestellt wird. Der gesamte Ort machte auf mich den Eindruck geradezu scheckheft-gepflegt zu sein: kein Müll, kein Graffiti - wie kontrastiert das zum mittlerweile zum Dreckloch verkommenen Deutschland!
Weiter ging es nach Norden Richtung Oulu. Leider zog sich der Himmel zu und die Temperatur sank von 23 auf 18 Grad. Trotzdem entschloß ich mich, das wenige Kilometer vor der Stadt befindliche Freilichtmuseum Turkansaari zu besuchen. Die Gebäude liegen auf einer Insel im Oulu-Fluß und gehörten ursprünglich zu einer Händlersiedlung. Das Areal ist entsprechend weitläufig und der Schwerpunkt der Erläuterungen liegt zum einen auf dem Leben in einer Holzfällersiedlung und zum anderen auf der Erstellung von Holzteer. Die Region um Oulu war neben Archangelsk in Rußland DAS Zentrum der Herstellung des Universalstoffes, welcher ein umfangreiches Anwendungsgebiet hatte bzw. hat. Verwendet wurde er als Konservierungsstoff von Holz, Tauen, Textilien, als Schmierstoff bzw. auch heute noch als Desinfektionsmittel.
Die Herstellung erfolgt(e) in Meilern durch die Pyrolyse von Holz, wodurch sich dieses in die Stoffe Holzkohle, Holzteer, Holzessig und Holzgas zersetzt. Auf der Insel wurde nur Holzteer gewonnen, der in kleine Holzfässer abgefüllt und auf schmale, lange Holzkähne verladen nach Oulu stromabwärts gebracht wurde. Von dort aus erfolgte die überregionale Versendung, bis die Herstellung in den 1920er Jahren an Bedeutung verlor.
Ich nutzte die noch verbliebene Zeit zu einem Besuch in einem der an jedem finnischen Stadtrand gelegenen extrem großen Shopping Center, um einzukaufen und mich über das Preisniveau zu informieren. Das Prisma-Einkaufszentrum bot ein enormes Spektrum an Lebensmitteln und nicht-Lebensmitteln. Für einen Mitteleuropäer war das enorme Eishockeyschlägersortiment schon recht ungewöhnlich. Das Preisniveau der Lebensmittel lag etwas oberhalb eines deutschen Supermarktes wie Edeka und bot gerade im Obst- und Gemüsebereich doch zahlreiche heimische Waren an. Meine nächste Unterkunft lag in einem älteren kleineren Mehrfamilienhaus in Plattenbauweise, verfügte aber über einen Balkon und eigenen Parkplatz.
Am nächsten Tag schaute ich mir die Innenstadt Oulus an. Die Stadt liegt fast genau auf dem 65. Breitengrad Nord, ist damit die nördlichste Großstadt in der EU und mit gut 200.000 Einwohnern die größte Stadt Nordfinnlands. Sie wurde 1605 gegründet und brannte, wie so viele finnische Städte, im 19. Jahrhundert komplett ab. In Oulu fand der Großbrand 1822 statt und anschließend wurde die Stadt komplett neu aufgebaut, wobei man auch hier ein geometrisches Gitternetz zugrunde legte. Die Innenstadt besteht aus einem architektonischen Mix wie auch andere finnische Städte: der in gelb-weiß gehaltene Dom wurde 1832 vom Architekten Engel wiederaufgebaut, fast in Sichtweite imponiert das im Stil der Neorenaissance errichtete Rathaus (1886). Ebenfalls ganz in der Nähe liegt das Kulturzentrum Valve mit ebenfalls extrem repräsentativer Fassade.
Neben der alten Kaufhalle direkt am Meer befindet sich das Wahrzeichen Oulus, die Marktpolizist -Statue Toripoliisi, die einen drolligen, dicklichen Polizisten darstellt. Am Hafen hatte am heutigen Samstag wohl auch außen ein Markt stattgefunden, allerdings packten die Händler zur Zeit meines Besuches bereits ihre Waren ein. Auch sah ich viel Außengastronomie, welche wegen des extrem windigen Wetters aber nicht gut besucht war.
Nicht sehr weit ist es vom Markt zur Fußgängerzone, die für deutsche Verhältnisse recht überschaubar ist. Schwer zu glauben, daß Schweden extra nach Oulu für einen Shoppingtrip kommen sollen. Ich folgte der Musik die ich hörte und stand unvermittelt vor einer Bühne, auf der ein ukrainischer Chor Lieder vortrug, das Auditorium betrug vielleicht 50 Personen - und wurde von der Polizei bewacht. Überhaupt war für einen Samstag extrem wenig Betrieb in der Innenstadt, alles machte einen doch sehr verschlafenen Eindruck.
Ich fuhr mit dem Auto zu meinem nächsten, ungewöhnlichen Ziel nördlich der Altstadt, einem historischen Kasernengelände: der Oulu Kaserne aus dem Jahr 1881. Diese verdankt ihre Entstehung dem vom russischen Zaren Alexander II. erlassenen Wehrpflichtgesetz, demnach in Finnland ein finnisches Militär gebildet werden mußte. Somit wurde in der Kaserne das rein-finnische 4. Oulu-Scharfschützenbataillon untergebracht. Während der ersten repressiven Zeit von Nikolaus II. wurde das finnische Militär 1901 abgeschafft und die Finnen mußten sich russischen Armeeinheiten anschließen, um ihren Militärdienst abzuleisten. In der Oulu-Kaserne erfolgte am 14. März 1902 der letzte Tagesbefehl und im darauffolgenden Jahr traf dort eine russische Einheit ein. Mit der finnischen Unabhängigkeit wurden dann wieder finnische Truppen untergebracht, die die Kasernen bis 2007 nutzten.
Oulu war aber nicht nur für das russische und finnische Militär bedeutsam, sondern auch für die deutsche Wehrmacht, die hier wegen der günstigen Lage mit Hafen und Eisenbahnanbindung einen wichtigen Versorgungsstützpunkt unterhielt.
Im Herbst 1939 brach zwischen der Sowjetunion und Finnland der sog. Winterkrieg aus, der im März 1940 mit dem Frieden von Moskau beendet wurde, nach dem Finnland diverse Gebiete, u.a. Karelien, abtreten mußte, dafür aber seine Unabhängigkeit behalten durfte. 1940 begann eine enge Zusammenarbeit zwischen finnischen und deutschen Militärs mit antibolschewistischer Stoßrichtung, da die Sowjetunion eine finnisch-schwedische Kooperation quasi untersagt hatte. Das Deutsche Reich exportierte zahlreiche Waffen nach Finnland und weihte das Land auch in die Pläne zum Unternehmen Barbarossa ein. Mehr oder weniger zeitgleich mit den Deutschen setzten die Finnen 1941 zur Offensive Richtung Sowjetunion an. Primär ging es um die Rückeroberung Kareliens. Trotzdem, insbesondere nach dem Krieg und auch heute noch, bezeichnet(e) sich Finnland nicht als "Verbündeter" des Deutschen Reiches, sondern als "gleichzeitig, aber unabhängig kriegsführender Staat" unter der Führung des Feldmarschalls Gustav Carl Mannerheim. Dieser wurde 1942 anläßlich seines 75. Geburtstages von Hitler besucht und von diesem Besuch stammt die einzige (illegal mitgeschnittene) Tonaufnahme eines Hitlerschen Privatgespräches. Als sich das Kriegsgeschehen zu Ungunsten des Deutschen Reiches wendete, schloß Mannerheim im September 1944 einen separaten Waffenstillstand mit Moskau, der allerdings beeinhaltete, daß die Finnen nun die in Lappland stehenden Truppen der Wehrmacht aus dem Land drängen mußten. Hieraus entstand zwischen den einstigen Partner der Lapplandkrieg, der bis Frühjahr 1945 dauerte.
Zwar war Rovaniemi in Lappland das Hauptquartier der deutschen Truppen, aber auch Städte wie Oulu, Tornio oder Kemi dienten als Basen. Zu dem Thema existiert eine hochinteressante finnische Publikation (pdf-Datei auf Englisch). Das Ende des sog. Fortsetzungskrieges im September 1944 brachte Gefahrenfaktoren für Oulu mit sich, da die Stadt ein wichtiger Versorgungspunkt für die deutsche Armee war. Bei den Verhandlungen in Moskau kam es jedoch zu einer Einigung, wonach die Demarkationslinie zwischen der finnischen und deutschen Armee nördlich von Oulu verlief. Demnach mußten die Deutschen Oulu am 15. September 1944 verlassen.
Sichtbar in Oulu sind heute noch drei deutsche Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs. Am augenfälligsten ist das Gebäude des Waffen-SS Offizierskasinos im alpinen Stil, weshalb das gesamte Viertel heute noch die Bezeichnung Alppila trägt. Die zahlreichen restlichen Gebäude des SS-Stützpunktes IV sind heute nicht mehr existent, allerdings folgen diverse Gewerbebauten der Architektur und den Grundrissen der ehemaligen Holzbaracken. Das Kasino wurde durchgängig nach dem Krieg weitergenutzt und dient heute - bestens erhalten - als Restaurant. Ebenfalls noch vorhanden ist eine 1942 erbaute Eisenbahnbrücke über die Toppila Wasserstraße, gut zu sehen vom Punkt Mallastie 8 aus. In Deutschland undenkbar wäre das Vorhandensein des in Oulo noch existenten Gedenksteins der SS.
Der Granitfindling steht unbeachtet am Nordrand der Stadt in einem ruhigen Wohnviertel auf einem Grünstreifen inmitten einer Anliegerstraße. Bei näherer Betrachtung offenbart sich sein Geheimnis: am Rande eines SS-Übungsgeländes hatte ein offenbar als Steinmetz ausgebildeter Soldat einen Findling mit relativ glatter Vorderfläche als Projektionsfläche genutzt. Zuoberst ist in der Seitenansicht eine PAK zu sehen und darunter steht:
Feldquartier
der 2 / Pz.Jg. Abt.
SS-Geb.Div.Nord
im Juli 1942
Am nächsten Tag hieß es wieder auschecken. Erneut war das Wetter über Nacht umgeschlagen und empfing mich nun mit Regen, 13 Grad und starkem Wind. Da der nördliche Scheitelpunkt der Reise mit Oulu erreicht war, ging es ab jetzt in strikt südöstliche Richtung und durch den breiten Gewerbegebietgürtel Oulus. Eher jetzt, weniger gestern, wurde mir die Oberzentrumfunktion Oulus für die gesamte Region bewußt.
Auf der gut ausgebauten Straße ging es also weiter und da die nächste Etappe nicht so weit entfernt lag ließ ich es langsam angehen und stoppte an jeder der wenigen Sehenswürdigkeiten der Strecke. Das war eine Holzkirche von 1767 bei Temmes, leider komplett wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet. Etwas weiter folgte ebenfalls eine Holzkirche, diesmal von 1785 bei Rantsila. Ein hübscher Halt an einem Fluß mit einer Eisenbrücke war bei Siikalatva. Imposant war der Blick vom Staudamm über den riesigen, 28 qkm großen Uljua-Stausee aus den 1960er Jahren, der zur Fluteindämmung und Energiegewinnung dient. Der dann an der Straße folgende Gedenkstein zum geographischen Mittelpunkt Finnlands ist nun nicht wirklich eine große Attraktion. Die architektonische Handschrift seines Erbauers Engel kann die 1842 erbaute Holzkirche in Kärsämäen nicht verleugnen.
Für geologisch und geographisch Interessierte ist der nächste Stop ein Muß: die Mine in Pyhäsalmi, die bis zu ihrer weitestgehenden Schließung 2022 mit einer Teufe von 1440 Metern die tiefste Erzmine Europas war. (Zum Vergleich: die ebenfalls geschlossene Steinkohlezeche Ibbenbüren, NRW, reichte bis zu einer Tiefe von 1545 Metern). Gefördert wurde in der einer kanadischen Gesellschaft gehörenden Grube insbesondere Zink und Kupfer. Momentan werden die Untertagegrubenanlangen rückgebaut, trotzdem wird dort noch weitergearbeitet, auch an meinem Besuchstag, einem Sonntag. Aus den Abraumrückständen gewinnt die Firma Pyrit zur Herstellung von Kunstdünger. Die flüssigen Rückstände des Prozesses werden, wie ich es bereits im letzten Jahr in Estland bei der Gewinnung von Ölschiefer gesehen hatte, in riesige, offene und mit Dämmen geschützte Becken geleitet. Da das Betreten verboten ist, erschließt sich die Größe erst beim Betrachten von Satellitenbildern im Internet. Schnell hatte ich nun meine nächste Übernachtungsmöglichkeit erreicht, da im gleichen Ort gelegen, ein sehr hübsch umgebautes ehemaliges Bahnhofsgebäude.
Der nächste Tag empfing mich wieder mit warmen 22 Grad und einem Sonne-Wolken-Mix. Weiter führte mich mein Weg nach Südosten in Richtung meines vorletzten Ziels. Dies wollte ich aber nicht direkt ansteuern, sondern nahm den (überschaubaren) Umweg über die Stadt Kuopio. Diese ist mit ca. 117.000 Einwohnern die größte Stadt in der nördlichen finnischen Seenplatte, erhielt 1652 die Stadtrechte und auch hier ist das Straßennetz gitternetzförmig.
Ich hielt auf einem für zwei Stunden kostenfreien Parkplatz etwas südlich des Stadtzentrums und machte mich zu Fuß auf den Weg zum Marktplatz, laut Reiseführer einem der schönsten in Finnland. So ganz unrecht haben die Autoren nicht, denn der große Platz wird eingefaßt auf der einen Seite vom imposanten Neo-Renaissance-Rathaus von 1882 und auf der anderen Seite von einer kleinen Kaufhalle mit interessanter Fassade. Die Gebäude rechts und links sind, wie so oft in Finnland, gesichtslose mehrstöckige Gebilde aus den 1960ern oder 1970ern. Zur Zeit meines Besuches fand gerade der Markt statt und die Obst- und Gemüsepreise machten mich - wie immer - sprachlos. Selbst die gerade saisonalen und aus der Region stammenden Preißel- und Blaubeeren waren extrem teuer. Die angebotene Bekleidung fiel eher in die Kategorie "billiger Asienimport", was sich aber auch nicht auf den Preis, sondern die Qualität bezog.
Nah am Marktplatz finden sich diverse klassizistische Bauten zwischen modernen Gebäuden. Weiß und wuchtig ist der Dom von 1806 ebenfalls in Marktplatznähe. Das Alt-Kuopio-Museum, bestehend aus elf bestens erhaltenen Holzgebäuden, hatte am heutigen Montag leider geschlossen.
Ich fuhr noch auf eine Landzunge im Kallavesi-See, wo an der Adresse Väinölänniemi 96 ein heute als Restaurant genutztes altes Holz-Herrenhaus in sehr exponierter, hübscher Lage steht. Wegen Zeitmangels besuchte ich nicht DIE Attraktion der Stadt, den 1963 erbauten, 75 Meter hohen Fernseh- und Aussichtsturm am Stadtrand.
Bei bestem Wetter legte ich auf einer herausragend autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraße die letzten 56 km der Etappe zurück, bis ich Leppävirta erreichte. Dort hatte ich am Unnukka-See in einem Feriencamp ein kleines, rustikales Holzhaus mit Seeblick gemietet - nur finanzierbar wegen der sehr offensichtlichen Nachsaison. Im nachhinein erklärte sich allerdings der Preis: trotz des angepriesenen "in allen Bereichen nutzbaren Wlans" war dieses nicht-existent (bis auf den Eingangsbereich der Rezeption). Ärgerlich. Trotzdem entschädigte mich die Traumlage über dieses Versäumnis.
Am nächsten Tag, das Wetter war wieder umgeschlagen und unbeständig mit nur 16 Grad, schaute ich mir die Stadt an. Diese war, wer hätte das gedacht, sehr überschaubar, verfügte allerdings über diverse große Supermärkte, davon auch ein Lidl, mit für Finnland gemäßigten Preisen. Die Kette ist auch in Finnland gut vertreten. Das Preisniveau in den finnischen Supermärkten vor Ort lag deutlich über dem in Oulu und damit auch deutlich über dem in Deutschland.
Die nächsten Tage ließ ich es ruhig angehen, nutzte aber die Zeit für ausgedehnte Kanu- und Kajaktouren. Augenfällig wurde dort auch, daß Finnland nicht die Einsamkeit Kanadas hat, denn überall, wenn auch mit großen Abständen, sieht man Sommerhäuser am Ufer stehen. Die Landschaft ist regelrecht zersiedelt.
An einem Tag mit strahlendem Sonnenschein hieß es leider Abschied nehmen von meinem schönen Domizil und die Fahrt ging direkt nach Süden. Nach gut 100 km hatte ich meinen nächsten Stop, Mikkeli, erreicht. Hier befand sich während des 2. Weltkriegs das Hauptquartier der finnischen Truppen unter C. G. Mannerheim. In dem Gebäude befindet sich heute ein ausgedehntes "Krieg und Frieden" Museum, welches ich aus Zeitmangel nicht besuchen konnte. Stattdessen hielt ich kurz am Marktplatz und schaute mir dort die Mannerheim-Statue an.
1,5 Stunden weiter südlich in Lahti (gesprochen Lachti) besuchte ich das Kanu-Museum Finnlands, malerisch auf einer kleinen Insel in einem See gelegen. Man sollte sich nicht zuviel davon versprechen. Allerdings hatte ich Glück: die Vereinsmitglieder bereiteten gerade eine Feier für das Wochenende vor und waren so freundlich, mir die Räumlichkeiten zu zeigen. Ich hatte zeitlich noch Gelegenheit zu einer Fahrt in das Stadtzentrum, wo vor allen Dingen das von Saarinen 1912 erbaute Rathaus im Jugendstil sehenswert ist. Dann und wann erhascht man auf der Fahrt durch die Stadt den Blick auf die drei geradezu gigantischen Ski-Sprungschanzen.
Unbedingt sollte man auf dem Weg nach Süden auf Höhe des Tuusulanjärvi (See) sollte man die Schnellstraße Richtung Helsinki verlassen. Entlang des Ostufer des Sees hatten sich um die 1900 diverse finnische Künstler angesiedelt, deren Häuser heute zur Besichtigung stehen. Von Nord nach Süd sind das das Aionola Haus des Komponisten Jean Sibelius (1904), "Suviranta" des Komponisten A. Järnefelt (1901), das Haus des Künstlers P. Halonen (1902), das Syväranta Lotta Museum (1869) (S.L. war ein paramilitärische Frauenorganisation) sowie das Haus Erkkola des Dichters J. H. Erkko (1902).
Das letzte Ziel der heutigen Etappe war der in der Nähe des Stadtteils Vantaa gelegene deutsche Soldatenfriedhof des 2. Weltkriegs Helsinki-Honkanummi, auf dem gefallenen Soldaten aus den Jahren 1941 bis Dezember 1944 begraben liegen, die aus ganz Süd- und Zentralfinnland hierhin umgebettet wurden.
Bei immer noch unglaublichen 27 Grad erreichte ich dann die letzte Unterkunft auf dieser Reise: ein Apartment in einem nagelneuen Gebäudekomplex in Vantaa.
Die Hochsaison in Finnland ist sehr kurz von Mitte Juni bis Mitte August. Mutmaßlich sind zu dieser Zeit alle attraktiven Bereiche des Landes überlaufen. Anschließend fällt das Land wieder in den gewohnten, ruhigen Trott. Überhaupt scheint man das Wort Hektik nicht unbedingt zu kennen. Die sehr geringe Bevölkerungsdichte ist überall augenfällig, ganz besonders aber im Verkehr.
Für mich machten viele Städte, mit Ausnahme von Helsinki, einen wirklich verschlafenen Eindruck. Auch bei gutem Wetter sah man nur wenige Menschen in den Innenstädten und auch die Zahl der Autos war sehr überschaubar. Finnische Autofahrer sind übrigens sehr rücksichtsvoll, Drängeln oder gar Hupen sind anscheinend - bis auf wenige Ausnahmen - unbekannt.
Angenehm bei der sehr schwierigen finnischen Sprache ist die Tatsache, daß die meisten Finnen recht gut Englisch sprechen. Für deutsche Touristen von Vorteil ist auch, daß Finnland offiziell zweisprachig ist, denn obwohl die schwedische Minderheit nur 5 % der Bevölkerung ausmacht, müssen alle offiziellen Texte zweisprachig abgefaßt sein. Bei schwedischen Beschriftungen kann man im Gegensatz zu finnischen oft die Bedeutung noch erschließen.
Finnland ist für seine Mückenplage verschrieen. Glücklicherweise machte ich damit keine Bekanntschaft. De facto sah ich kein einziges dieser Biester, was mutmaßlich der Reisezeit geschuldet war.
Obwohl man den Finnen eine gewisse Zurückhaltung nachsagt, habe ich sie als freundlich und hilfsbereit erlebt.
Finnland ist ein Reiseziel für Leute, die in erster Linie an Natur und in zweiter Linie an kulturellen Sehenswürdigkeiten interessiert sind. Die Orte im Land sind unglaublich gepflegt und sauber. Überall sieht man liebevoll gepflegte Blumenarrangements, bis auf Helsinki sind mir nirgends Graffitischmierereien an Gebäuden aufgefallen. Finnland sieht so sauber aus wie Deutschland vor 40 Jahren.
Anreise: Finnland ist recht einfach von Deutschland zu erreichen. Entweder man fliegt direkt nach Helsinki oder nimmt die Fähre von Travemünde nach Helsinki (30 Stunden).
Zeitzone: In Finnland ist es eine Stunde später als in Mitteleuropa (ebenso wie im Oblast Kaliningrad und dem Baltikum).
Autofahren: Auf den Straßen ist "so gut wie nichts los". Um so unverständlicher ist mir, warum es überall ein drastisches Geschwindigkeitslimits gibt. Man zockelt mit vorgeschriebenen 80-100 h/km über schnurgerade und autoleere Straßen. Nähert sich eine Einmündung, muß die Geschwindigkeit meist bis auf 60 km/h reduziert werden. Die finnische Regierung vertraut aber offensichtlich nicht den Fahrkünsten der Einheimischen, denn überall, wirklich überall, stehen Radarfallen. In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so eine Dichte an Starenkästen gesehen. Achtung: die Bußgelder selbst für kleine Verstöße sind dramatisch hoch! Die Geschwindigkeitsbegrenzungen führen auch dazu, daß man für relativ kurze Strecken sehr viel Fahrzeit einplanen muß. Die Preise für Benzin lagen pro Liter im August 2024 ca. 10 Cent über den Preisen in Deutschland.
Preise: Die Preise in Finnland liegen über denen in Deutschland. Hat man Glück, erwischt man einen Supermarkt mit einem Preisniveau nur etwas über dem deutschen. Eher wahrscheinlich ist es im Laden aber deutlich teurer. Deutlich teuer sind auch Souvenirs, selbst kleine Mitbringsel.
Eintrittspreise: Dann und wann ist der Eintritt in einige Museen kostenfrei. Meist beträgt der Preis aber zwischen 10 und 20 €.