Friesland: Leeuwarden

Übersichtskarte von Drenthe Seit der Reise in den Westerwald im vergangenen Jahr hatte ich überlegt, nach Leeuwarden zu fahren, denn mir war die enge Verbindung der beiden Regionen vor Augen geführt worden. Ein langes Wochenende Ende Februar bot die Möglichkeit zu einem Besuch im Nachbarland, war doch aufgrund der Fahrtlänge von gut 2,5 Stunden eine Tagestour ausgeschlossen.

Nun ist Ende Februar nicht die beste aller Reisezeiten und Leeuwarden liegt nur knapp 20 Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Folglich war es kalt und extrem stürmisch. Gebucht hatte ich ein Zimmer im historischen, nunmehr als Hotel genutzten Stadhouderlijk Hof.

Zahlreiche meiner Vorfahren lebten oder stammten aus Leeuwarden. Der 1790 in Guckheim im Westerwald geborene Friedrich Johannes Menges war mit seiner aus dem Nachbarort Weltersburg stammenden Frau Margaretha Nied und drei kleinen Kindern etwa 1822 nach Leeuwarden ausgewandert. Welche Beweggründe der Maurermeister zum Verlassen seiner Heimat hatte, kann nicht mehr genau nachvollzogen werden. Sicherlich waren es auch die schweren Lebensumstände im Westerwald kurz nach der napoleonischen Zeit. Sehr wahrscheinlich bekannt war den katholischen, zum Bistum Limburg gehörigen Westerwäldern, aber auch die enge Beziehung der (protestantischen) Diezer Nassauer zu den Niederlanden.

Die Familie adaptierte sich schnell an die neue Umgebung. Sohn Philip zeugte mit der Tochter einer alteingesessenen friesischen Familie drei Kinder und es war nicht ungewöhnlich, daß vorher nicht geheiratet wurde. Seine Schwester Margaretha nannte sich Grietje und heiratete den Bruder der friesischen Frau ihres Bruders. Die zweite Schwester Maria Anna alias Wilhelmina hingegen heiratete Adam Ketzener aus Coevorden in Drenthe, dessen Vater Johann Georg Kötzner als junger Mann ca. 1806 aus Gemünden am Main in die Niederlande einwandert war und dort eine Einheimische geheiratet hatte.
Alle auch heute noch in den Niederlanden lebenden Ketzener stammen von diesen Stammeltern ab. In Deutschland dürfte die Linie mit dem Tode meiner Großmutter und ihren Geschwister ausgestorben sein.


Leeuwarden erhielt 1435 Stadtrechte und war ab dem 16. Jahrhundert Residenzstadt der Statthalter der Provinz Friesland, einer der Provinzen der Republik der Niederlande. Im Gegensatz zu Friesland hatten die anderen niederländischen Provinzen keine eigenen Statthalter. Die friesischen Statthalter waren die (protestantischen) Grafen von Nassau-Dietz aus der Stadt Diez bei Limburg, die sich seit 1702 Fürsten von Nassau-Oranien nannten und die Vorfahren des heutigen niederländischen Königshauses sind.

Die Nassauer wählten den Stadhouderlijk Hof für sich und ihren Hofstaat als Residenz. Bis 1737 residierten die Oranje-Nassauer dauerhaft im Gebäude, 1971 verkaufte es Königin Juliana an die Stadt Leeuwarden und seit etwa 2000 wird es als Hotel genutzt mit der Auflage, den Ursprungszustand zu erhalten.

Direkt vor der ehemaligen Residenz steht das prägnante Denkmal "Us Heit" (Unser Vater), für Willem Lodewijk von Nassau-Dillenburg, Statthalter um 1600, und nur wenige Meter weiter befindet sich das Stadhuis (Rathaus) im klassizistischen Barock.

Die Altstadt Leeuwardens ist völlig problemlos fußläufig zu erkunden. Umschlossen wird sie durch die typischen gezackten Befestigungsgräben des 17. Jahrhunderts. Heute durchzieht die Altstadt nur noch eine große Gracht. Bis zum 19. Jahrhundert existierten noch einige mehr, die dann aber verfüllt wurden und heute Straßen sind.

Bei einem Rundgang durch die Altstadt wird sofort augenfällig, warum Leeuwarden im Jahre 2018 europäischen Kulturhauptstadt werden wird: die Stadt besteht zu einem großen Teil aus historischer Gebäudestruktur: kleine, schmale Häuser in typischer Backsteinbauweise mit weißen Frisen bestimmen das Bild. Dazwischen finden sich zahlreiche Gebäude aus dem 17. Jahrhundert (mit Jahreszahlen), sowie unzählige repräsentative Bauten. Schnell wird klar, daß Leeuwarden zu den zehn angesehensten Städten der Niederlande gehörte und von reichen Adelsfamilien bewohnt wurde. Alle Sehenswürdigkeiten aufzuzählen fehlt hier der Platz. Es seien nur einige ausgewählt benannt, die ich besichtigt habe:

  • Der Oldehove ist ein schief gesackter, 40 m hoher Kirchturm von 1529. Der ehemalige Meeresboden konnte die Last des Gebäudes nicht tragen.
  • Die Jacobijnerkerk (reformiert) ist die älteste Kirche der Stadt.
  • Die katholische Sint Bonifatiuskerk von 1882 ist vor allem über die Gracht gut zu sehen.
  • Die Waalse Kerk wurde 1525 als Kapelle des Dominikanerinnenklosters errichtet.
  • Die Kanselarij (1566-1571) berherbergte das Oberste Gericht von Friesland.
  • Die Waag war seit 1595 die Stadtwaage am Markt.
  • Die Blokkhuispoort diente von 1580 bis 2007 (!) als Zuchthaus.

Im Princessehof befindet sich heute das Nationale Keramikmuseum. Das Gebäude war seit 1731 Stadtschloß der Witwe von Stadthalter Johann Willem Friso von Nassau, deren Leidenschaft das Sammeln von kostbarem Porzellan und Keramik war. Ein Raum ist im Stile der Zeit eingerichtet.

In einem postmodernen Gebäude in der südlichen Altstadt ist das Friesische Museum untergebracht, welches sich Kunst, Kultur und Geschichte der Provinz widmet. Ein Raum befaßt sich mit der aus Leeuwarden stammenden Mata Hari, die im Ersten Weltkrieg als Doppelagentin hingerichtet wurde.

Da ich u.a. auch aus genealogischen Gründen die Stadt besuchte, durfte natürlich ein Besuch des Oude Stadsbegraafplaats (alter Stadtfriedhof) nicht fehlen. Auf diesem Friedhof finden sich Gräber aus den Jahren seit 1833, die nach niederländischer Sitte nicht eingeebnet werden. Bei dem trüben Wetter verbreitete der Friedhof eine ganz besondere Stimmung.

Weil die Autobahn nach Hause sehr nah an dem Geburtsort meines Urgroßvaters Dalen in Drenthe vorbeiführte, nutzte ich die Gelegenheit bei einbrechender Dunkelheit zu einem kurzen Abstecher. Direkt am Ortseingang empfing mich die schön angestrahlte Windmühle Jan Pol.

Photos zu den Fahrten in die Niederlande sowie historische Aufnahmen finden sich hier.
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